Energiepreis-Entlastung in Niedersachsen: Später vielleicht

SPD-Ministerpräsident Weil hat 100 Millionen Euro Landesgeld angekündigt, um die Energiepreiskrise abzufedern. Doch vor der Wahl wird das nichts mehr.

Ministerpräsident Stephan Weil während der Vorstellung seiner Wahlplakate für die Landtagswahl 2022.

Im Oktober wird gewählt in Niedersachsen, da passen Versprechen gut: Stephan Weil Anfang August Foto: dpa / Julian Stratenschulte

OSNABRÜCK taz | Um VerbraucherInnen von den derzeit steigenden Energiepreisen zu entlasten, hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bis zu 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt. „Wir wollen gemeinsam alles unternehmen, damit Energiekrise und Teuerungswelle nicht zur Zerreißprobe für die Gesellschaft in unserem Land werden“, sagte er Anfang vergangener Woche nach einer von der Landesregierung initiierten interfraktionellen Gesprächsrunde, an der auch Gewerkschaften, Sozialverbände, VertreterInnen der Kirchen, der Wirtschaft und der Energieversorger teilnahmen.

Das Geld soll je zur Hälfte in regionale Härtefallfonds, von denen zum Beispiel Menschen mit geringem Einkommen profitieren können, sowie in die Energie- und Verbraucherberatung fließen. Und zwar „noch in diesem Jahr“, sagte Weil. Dazu braucht es einen sogenannten Nachtragshaushalt. Dabei wird in knapp zwei Monaten bereits ein neuer Landtag gewählt.

Jetzt ist klar: Vor der Wahl wird das Geld nicht mehr fließen. Staatssekretärin Anke Pörksen erklärt auf Anfrage der taz, dass die Regierung das Verfahren „zügig“ vorbereite und auf den Weg bringe, „realistischerweise wegen der im Finanzministerium notwendigen Vorbereitungen jedoch wohl nicht mehr in der Septembersitzung des Landtags“. Weil habe aber garantiert, dass der Nachtrag gleich in der ersten Sitzung nach der Wahl vorgelegt werde. Dabei steht nicht fest, ob Weil und seine Große Koalition aus CDU und SPD nach der Landtagswahl im Oktober noch das Sagen haben.

Im Prinzip sei Weils Plan zwar gut, aber er komme viel zu spät, sagt Volker Bajus. Er sitzt für die Grünen im Landtag und ist dort Sprecher für Sozialpolitik, außerdem ist er Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat Osnabrück. Vor dem Hintergrund, dass der Plan vor der Wahl nicht mehr umsetzbar ist, hält er Weils Aussage für „nicht mehr als ein leeres Versprechen, ein ungedeckter Scheck“.

Volker Bajus, Landtags­abgeordneter der Grünen

„Der Fonds ist nicht mehr als ein leeres Versprechen, ein ungedeckter Scheck“

In vielen niedersächsischen Kommunen wird derzeit überlegt, Notfonds einzurichten. Eine davon ist Osnabrück. Volker Bajus drängt zur Eile: „Das Problem ist immens, und es rast mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu.“ Bajus bezweifelt außerdem sehr, dass Weils 50 Millionen überhaupt reichen würden.

Hätte Weil im Frühjahr auf die Grünen gehört, gäbe es das Finanzierungsproblem jetzt vermutlich nicht. Ihr Antrag im Landtag mit dem sperrigen Titel: „Putins Angriffskrieg erzeugt außergewöhnliche Notsituation – Auswirkungen auf Finanzlage, Sicherheit, Wirtschaft, Gesellschaft sowie Energiesicherheit des Landes abfedern“ von Anfang März war Mitte Mai durch die Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Die Grünen hatten damals einen Nachtragshaushalt gefordert, für ein Sondervermögen gegen die Krise. Jetzt kommt er vielleicht immerhin nach der Wahl.

Der neue Notfallfonds wäre nicht die einzige Maßnahme, mit der Osnabrück der Energiepreissteigerung entgegentritt. Der „Stromspar-Check“ der örtlichen Caritas für Bezieher von Arbeitslosengeld II, Wohngeld oder Sozialhilfe/Grundsicherung ist nicht nur eine Energieberatung: Kostenfreies Material wie Energiesparlampen, Wasserstrahlregler und Zeitschaltuhren sind inklusive. „Das ist hilfreich“, sagt Bajus. „Aber das ist natürlich nicht genug.“

Sorgen machen ihm die kommunalen Stadtwerke, in Osnabrück der Grundversorger. „Die stehen nicht gut da. Bei den erneuerbaren Energien haben sie nicht so viel getan wie geplant.“ Und ihre „fatale Beteiligung an Kohlekraftwerken“ enge ihre finanziellen Spielräume ein.

Dass derzeit so intensiv über Härtefallfonds nachgedacht wird, freut Bajus ganz grundsätzlich: „Diese Gerechtigkeitsdebatte war längst überfällig. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung hat keine Rücklagen, keinen finanziellen Puffer.“

Ein kommunaler Fonds sei „eine gute Idee“, bestätigt Sven Jürgensen, Sprecher der Stadt Osnabrück. Nur: „Das muss jetzt schnell operationell werden, und dazu brauchen wir aus Hannover Rahmenvorgaben.“

Auch Susanne Hambürger dos Reis, Fraktionsvorsitzende der Osnabrücker SPD, wünscht sich ein Budget, um „insbesondere den einkommensschwachen Haushalten in Not zu helfen“. Gemeinsam mit der Kleinpartei Volt ist sie im Rat Osnabrück der Juniorpartner der Grünen; zusammen stellen die drei die Mehrheit.

In Braunschweig denkt man ähnlich. Man begrüße „die Bemühungen der niedersächsischen Landesregierung und der Braunschweiger Stadtverwaltung“, sagt Christoph Bratmann, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt und wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

Jetzt braucht es nur noch das Geld vom Land.

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