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Russland-Politik in baltischen LändernKein Visum für Rus­s*in­nen

Lettland und Estland erschweren Rus­s*innen, die ein Schengen-Visum besitzen, die Einreise. Sie fordern die EU auf, dasselbe zu tun.

Die Grenzbrücke zwischen Russland und Estland über den Narwa Foto: ap

In Belarus hat es auf dem Militärflughafen Sjabrowka in der Nähe der Stadt Gomel und 30 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt in der Nacht zu Donnerstag mehrere Explosionen gegeben. Laut Angaben des belarussischen Verteidigungsministeriums sei während des Austauschs von Flugzeugmotoren ein Feuer ausgebrochen. Verletzte habe es keine gegeben.

Ein Video der belarussischen Gruppe Belaruski Gajun, die militärische Aktivitäten auf dem Territorium von Belarus analysiert, lässt an dieser Version Zweifel aufkommen. Darauf ist ein großer Blitz zu sehen, der absolut nicht zu einem Motorbrand passt.

Der Militärflughafen Sjabrowka wird seit dem Beginn des Ukrainekrieges von russischen Truppen genutzt. Immer wieder starteten von hier Flugzeuge und Hubschrauber, die ukrainisches Territorium beschossen.

Schon seit Wochen spekulieren Ex­per­t*in­nen darüber, ob und wann Belarus auch offiziell an der Seite Russlands in den Krieg gegen die Ukraine eintreten wird. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte vor zwei Jahren durch eine gefälschte Präsidentenwahl massive Proteste ausgelöst und diese brutal niederschlagen lassen. Harte Repressionen gegen seine Geg­ne­r*in­nen dauern bis heute an. Lukaschenko ist von Russland, vor allem auch wirtschaftlich, vollkommen abhängig. Dem Ansinnen Moskaus, belarussische Soldaten in den Krieg zu schicken, hätte er nichts entgegen zu setzen.

Russland als terroristischer Staat

Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges ergreifen unterdessen auch die drei baltischen Staaten weitere Maßnahmen. So verabschiedete das lettische Parlament am Donnerstag mit 67 zu 100 Stimmen eine Entschließung, in der Russland als terroristischer Staat eingestuft wird. Viele Jahre lang habe Russland terroristische Regime und Organisationen unterstützt und finanziert – direkt und indirekt –, etwa als größter Waffenlieferant des Assad-Regimes in Syrien.

„In der Ukraine hat sich Russland ähnlich grausamer, unmoralischer und illegaler Taktiken bedient – unter Verwendung von international verbotenen Waffen und Munition, die mit unverhältnismäßiger Brutalität gegen Zi­vi­lis­t*In­nen und öffentliche Plätze eingesetzt werden“, heißt es darin. Zudem forderte das Parlament die EU dazu auf, die Vergabe von Touristenvisa an Rus­s*in­nen und Be­la­rus­s*in­nen einzustellen.

Estland beschloss, seine Grenzen für russische Staatsbürger*innen, die ein Schengen-Visum besitzen, zu schließen. Das berichtete das russischsprachige Webportal insider.ru. Ausgenommen davon sind Botschaftspersonal, Mit­ar­bei­te­r*in­nen von Transportfirmen, Familienbesuche und Reisen aus humanitären Gründen.

Am Dienstag hatte auch die estnische Regierungschefin Kaja Kallas gefordert, keine Touristenvisa mehr an Rus­s*in­nen auszugeben. „Ein Besuch in Europa ist ein Privileg, kein Menschenrecht.“ Gehe die Ausgabe von Schengen-Visa weiter, seien vor allem Finnland, Estland und Lettland als direkte Nachbarn die Leidtragenden.

In Litauen legten drei konservative Abgeordnete einen Vorschlag zur Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts vor. Das berichtet das ukrainische Nachrichtenportal Zerkalo nedeli unter Berufung auf die litauische Webseite Delfi.lt. Der Vorschlag betrifft Personen, die die litauische Staatsbürgerschaft durch eine Ausnahmeregelung erhalten haben.

Die Staatsbürgerschaft kann entzogen werden, wenn die betreffende Person Aktivitäten nachgeht, die die Sicherheit und Interessen Litauens, andere Staaten der Region oder von Verbündeten bedrohen oder den Namen Litauens beschädigen.

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14 Kommentare

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  • Nee, also wenn, dann müssen wir das schon mit deutscher Gründlichkeit tun.

    Da müssen wir erstmal eine Liste von sämtlichen Staaten anlegen, die irgendwann völkerrechtswidrig andere Länder angegriffen haben oder terroristische Gruppen mit Waffen unterstützt haben.

    Wenn wir dann deren Bürgern die Einreise verweigern, könnte es allerdings sein, dass wir Selbstgerechten hier irgendwann sehr einsam sind.

  • Um mit Hannah Arendt zu sprechen: Kraft dessen, dass jeder Mensch einer politischen Gemeinschaft angehört, trägt er für diese auch Verantwortung. Davon kann sich niemand freimachen weder jeder Deutsche 1939, noch jeder Russe 2022.



    Auch von daher: Kein Visum für Russen!



    Die Zukunft wird uns zeigen, was die Russen im Einzelnen konkret tun.

    • @Max Sterckxc:

      "was die Russen im Einzelnen konkret tun"



      Urlaub in der Türkei machen statt in Italien? Keine Visa mehr an Russen auszustellen ist nicht eine fragwürdige Kollektivstrafe, die noch dazu von einer erstaunlichen Doppelmoral zeugt (bei anderen kriegsführenden Staaten habe ich solche Forderungen noch nicht gehört), sondern vor allem erstaunlich sinnlos.

      • @O.F.:

        Gegenüber den Staaten, die durch den neu-russischen Imperialismus konkret bedroht werden (z.B. die baltischen Länder) währe es ein klares Zeichen der Solidarität. Entscheidend ist aber eine andere Botschaft. Leider steht der Großteil der russischen Bevölkerung dem Angriffskrieg in der Ukraine neutral bis positiv gegenüber. Mehr als 300.000 Schengen-Visa pro Jahr durch Deutschland, die nicht mehr erteilt werden, können hier für das kritische Nachdenken auf Seiten der russischen Bevölkerung sehr hilfreich sein. Im übrigen - wer den Kampf gegen die Freiheit unterstützt, der sollte die Früchte der Freiheit im Urlaub nicht genießen dürfen. Was dazu noch fehlt wäre ein Asylrecht für Russen, die Putin ablehnen und raus wollen.

    • @Max Sterckxc:

      Hannah Arendt ist mit einem Touristenvisa aus Deutschland geflohen, es ist ziemlich geschmacklos, sie hier zu zitieren. Abgesehen davon ist Russland 2022 einfach nicht mit Deutschland 1939 vergleichbar. Sie wissen das. Warum machen sie so etwas?

      • @Sandor Krasna:

        Einen inhaltlich praktisch identischen Kommentar wollte ich auch gerade schreiben, der Ausgangsbeitrag ist wirklich unmöglich, danke für die treffende Replik!

  • Grundsätzlich muss es Wege geben wie Russen die Russland wegen Putin verlassen wollen das können, darüber hinaus sollten wir jeden gut ausgebildeten Russen der hier einen Job füllen kann nehmen, ein Steuerzahler mehr für Deutschland einer weniger für Putin. Aber Russen die einfach nur Urlaub machen wollen? Während ihr Land zehntausende Ukraine rumbringt, hundertausende verschleppt und den größten Angriffskrieg seit dem 2. WK führt? Nein Danke, die brauchen wir hier nicht.

    • @Machiavelli:

      Der größte Angriffskrieg seit dem 2. WK ist nach wie vor der Irakkrieg von 2003. Oder je nach Einschätzung der Vietnamkrieg.

      • @Sandor Krasna:

        Außer sie sehen die Angriffe Nordvietnams auf Südvietnam als Angriffskrieg war Vietnam kein Angriffskrieg sondern Aufstandsbekämpfung an der Seite der legitimen südvientamesischen Regierung.

        Und der Irakkrieg als Krieg zwischen zwei Staaten war kürzer und forderte weniger Opfer. Danach folgte ein Bürgerkrieg der war aber nicht das gleiche wie der Angriff auf den Iraq.

        • @Machiavelli:

          Der Irakkrieg von 2003 war ein Angriffskrieg weil die USA gemeinsam mit seinen Bündnispartnern den Irak angegriffen haben und dort Krieg geführt haben. Auf diesen Krieg habe ich mich bezogen. Die Ukraine war übrigens auch am Irakkrieg beteiligt.

          • @Sandor Krasna:

            Nun wir lagen beide falsch der größte Angriffs-Krieg seit dem 2. Weltkrieg war der Iran-Irak Krieg. Bis zu eine Million Tote war der verheerendste konventionelle Krieg seit dem 2. Weltkrieg und ein Angriffskrieg weil Saddam den Iran überfiel.

            • @Machiavelli:

              Ja, wir lagen beide falsch. Wobei ich mich gerade frage, ob der Terminus „Angriffskrieg“ überhaupt brauchbar ist. Das schreckliche am Irak-Iran-Krieg war ja nicht die Tatsache, dass der damalige US-Verbündete Saddam Hussein den Iran angegriffen hat, sondern die Höhe der Opferzahl. Angriff und Verteidigung sind militärische Kategorien der Kriegsführung. Russland führt in der Ukraine nach eigener Darstellung keinen Krieg, sondern eine „Spezialoperation“ eine offizielle Kriegserklärung blieb aus, eine Generalmobilmachung im eigenen Land erfolgte bislang nicht, unter seinen zahlreichen Kriegsgründen führt es an, die Volksrepubliken im Donbas zu „verteidigen“. Zur moralischen Verteidigung der USA und ihrer Rolle in ihren zahlreichen „Spezialoperationen“ wird häufig ähnlich argumentiert. Auch dort wird „eingegriffen“ nicht „angegriffen“ auch dort wird eine Kriegspartei „verteidigt“, auf eine komplexe Vorgeschichte und auf Verbrechen verwiesen, denen man aus moralischen Gründen nicht mehr tatenlos zu sehen könne. Der Begriff taugt nichts und hinsichtlich der Opferzahl sagt er erstmal nichts aus.

  • Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir sollten uns über jeden Russen freuen, der Russland den Rücken kehrt und sich nach Westen orientiert - am besten dauerhaft. So wird das Terrorregime von Putin geschwächt. Aber selbst diejenigen, die den Westen nur mal besuchen wollen, haben während ihres Aufenthalts im Westen die Chance, die Nachrichtenlage aus einer anderen Perspektive zu konsumieren, d.h. abseits der russischen Propaganda. Nach ihrer Rückkehr nach Russland können sie dann auch andere Russen skeptisch machen, ob Putin und seine Bande die richtige Regierung für Russland darstellen.

    • @Winnetaz:

      Wenn's so einfach wäre, gäbe es in Deutschland keine Putin-Unterstützer.

      Tatsächlich sitzen die sogar im Bundestag.