Sanktionen gegen Russland: Im Baltikum nicht mehr willkommen

Estland und Lettland haben die Visavergabe an Rus­s*in­nen eingeschränkt. Polen arbeitet an einem Vorschlag. Die Regelungen zeigen erste Wirkung.

Eine Kutsche für Touristen

In der Altstadt von Riga sind russische Tou­ris­t*in­nen nicht mehr erwünscht Foto: Victor Lisitsyn/imago

BERLIN taz | Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat sich erneut direkt an russische Staats­bür­ge­r*in­nen gewandt. Wer schweigt, mache sich zum Komplizen, wer auf einen Kampf gegen das Böse verzichte, werde zu dessen Unterstützer. „Wo auch immer Sie sich aufhalten, auf dem Territorium Russlands oder im Ausland, erheben Sie ihre Stimme zur Unterstützung der Ukraine“, sagte Selenski in seiner täglichen Videoansprache am Sonntagabend.

Zugleich wies er darauf hin, dass die Diskussion über Visabeschränkungen für In­ha­be­r*in­nen russischer Pässe in Europa immer weitere Kreise ziehe. Und in der Tat: Mittlerweile ist die Debatte über Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Rus­s*in­nen in der EU voll entbrannt.

So will Polen jetzt eine Regelung erarbeiten, um Rus­s*in­nen Schengen-Visa verweigern zu können. Warschau setze sich für die Ausweitung von EU-Sanktionen gegen Russland ein. Dazu gehöre auch die Aussetzung des Abkommens zur Visa­er­leich­te­rung für Bür­ge­r*in­nen der Russischen Föderation, zitiert das oppositionelle russische Nachrichtenportal Meduza den Staatssekretär des polnischen Außenministeriums, ­Piotr Wawrzyk.

Laut Wawrzyk stelle Polen bereits seit einigen Monaten keine Touristenvisa mehr für Rus­s*in­nen aus. Ausgenommen davon seien lediglich Personen wie Diplomat*innen, die aus beruflichen Gründen einreisen müssten, Menschen mit einem polnischen Ausweis sowie Familienangehörige von Bür­ge­r*in­nen Polens und anderer EU-Staaten.

Auch die drei baltischen Staaten Lettland und Estland haben bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen oder sind im Begriff, dies zu tun. So kündigte Lettlands Präsident Egils Levits an, dass die Behörden auch bereits ausgestellte Aufenthaltstitel und Visa überprüfen werden. Bei Rus­s:in­nen, die den Krieg gegen die Ukrai­ne unterstützen, solle der Aufenthaltstitel oder das Visum annulliert beziehungsweise nicht verlängert werden.

Für Lettland ist Russland ein terroristischer Staat

In der vergangenen Woche verabschiedete das lettische Parlament mit 100 gegen 67 Stimmen zudem einen Beschluss, mit dem Russland als terroristischer Staat eingestuft wird. Die Abgeordneten forderten die EU dazu auf, die Vergabe von Touristenvisa an Rus­s*in­nen und Be­la­rus­s*in­nen einzustellen.

Auch Estland zog die Notbremse und beschloss, seine Grenzen für russische Staatsbürger*innen, die ein Schengen-Visum besitzen, zu schließen. Ausnahmen sind für dieselben Personengruppen vorgesehen, die auch in Polens noch zu erarbeitendem Vorschlag genannt werden. Zur Begründung für diesen Schritt hatte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas Anfang vergangener Woche gesagt, ein Besuch in Europa sei ein Privileg, aber kein Menschenrecht.

Die neuen Regelungen werden bereits angewandt. Das bekam der russische Journalist Jaroslaw Warenik am vergangenen Wochenende zu spüren. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals Meduza wurde Warenik, der ein estnisches Touristenvisum hatte, die Einreise verweigert. Angeblich seien die Bedingungen und der Zweck seines Aufenthalts unbegründet gewesen. Zudem sei eine Hotelbuchung für zwei Nächte in Estland kurzerhand storniert worden.

Warenik lebt in Archangelsk und arbeitet für das Medium 29.ru. Im Rahmen von Ermittlungen zu dem Antikorruptionsfonds (FBK) des Kreml-Kritikers Alexei Nawalny wurden bei Warenik im Jahr 2019 eine Hausdurchsuchung durchgeführt und sein Konto beschlagnahmt. Im gleichen Jahr wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er über einen Mann in Archangelsk berichtet hatte, der wegen „Extremismus“ verurteilt worden war. In den Folgejahren wurde er noch mehrmals zu Verhören in Sachen Nawalny vorgeladen.

Russische Jour­na­lis­t*in­nen festgenommen

Ebenfalls am vergangenen Wochenende wurden zwei Jour­na­lis­t*in­nen der russischen Zeitung Iswestija aus dem Zug von Narwa nach Tallinn geholt und vorübergehend festgenommen, wie Meduza berichtet. Sie hätten über die Beschränkungen der Visavergabe an Rus­s*in­nen sowie zu einem sowjetischen Denkmal – ein Panzer vom Typ T-34 – recherchiert. Beide Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen waren mit einem estnischen Touristenvisum eingereist.

Laut der Agentur Interfax ist die Entscheidung darüber, ob das Denkmal abgebaut und in ein Museum gebracht wird, an diesem Montag Gegenstand einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Narwa.

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