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Konflikt zwischen Kosovo und SerbienNur noch auf Augenhöhe

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Serbiens Präsident Vućić hätte gern den Kosovo zurück. Sein Gegenspieler Kurti hält davon gar nichts – und weiß dabei auch die Nato auf seiner Seite.

Verärgert über den kosovarischen Widerstand: Serbiens Präsident Aleksandar Vućić Foto: Darko Vojinovic/ap

A m meisten ärgert es den serbischen Präsidenten Aleksandar Vućić, dass er aus der kleinen ehemaligen „autonomen serbischen Provinz“ Kosovo so viel Widerstand erfahren muss. Serbien hat die Niederlage im Kosovokrieg 1999 und die Unabhängigkeit des Landes 2008 nie verkraftet. Kosovo diplomatisch anzuerkennen, kommt für Serbien nicht infrage. Man will das 90 Prozent von Albanern bewohnte Kosovo zurück.

Aber wie? Serbien hat seit dem Ukrainekrieg in Europa Kopfschütteln ausgelöst. Serbien, das lange Jahre mit der Mär, es sei ein stabilisierender Faktor auf dem Balkan, zwischen West und Ost lavieren konnte, hat sich offen zu Putin und der reaktionären und kriegstreiberischen Orthodoxen Kirche bekannt. Mehr noch: Vućić hat in den letzten Jahren in Serbien eine populistische Diktatur errichtet.

Er hat die Pressefreiheit abgeschafft und die Opposition geknebelt. Und er versucht, mit der Strategie „Serbische Welt“ alle Staaten des Balkan, in denen Serben leben, zu destabilisieren: in Bosnien, Montenegro und natürlich auch im Kosovo. Doch Kosovo leistet nach wie vor Widerstand. Es will mit Serbien eine Diskussion auf Augenhöhe. Und keinesfalls zweierlei Maß bei den Reisebestimmungen. Da kann Vućić drohen, wie er will.

Die neue, aktive und weltweit vernetzte Politikerriege mit Präsidentin Vjiosa Osmani, Ministerpräsident Albin Kurti und Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz, machen da nicht mit. Und sie gehen Konflikte ein. Im Gegensatz zu Serbien ist das mehrheitlich von Albanern bewohnte Kosovo prowestlich gepolt, das klar Stellung für die Ukraine bezieht, für Menschenrechte und Selbstbestimmung eintritt und ernst macht mit der Demokratisierung des Landes, mit dem Kampf gegen die Korruption, mit der Integration der Minderheiten.

Und Kosovo ist bereit, auch militärisch Widerstand gegen den serbischen Druck zu leisten. Die neue Regierung hat sich damit viele Freunde geschaffen. Im Europa der EU bröckeln die bisher dominanten proserbischen Positionen. Und Kosovo kann sich auf die Rückendeckung der Nato verlassen.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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3 Kommentare

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  • "mit der Integration der Minderheiten"

    Das ist doch ein Witz oder? Ich meine, selbst wenn man vom Umgang mit der serbischen minderheit im Kosovo hinwegsieht, was ist dann mit den Roma? Schon mal mit deren Lebenssituation befasst? Von Integration von Minderheiten kann überhaupt nicht die rede sein.

  • Es gibt leider immer noch die revisionistische Lesart großer Teile der "Linken", sowie Serbiens und Russlands, dass ein unabhängiges Kosovo ein NATO-Produkt sei. 4 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica hatte die humanitäre militärische Intervention der NATO von 1999 das Ziel, die Vertreibung, Massaker und Völkermord an der kosovarischen Bevölkerung durch Serbien zu verhindern. So wie diese sog. "Linke" politisch im Bosnienkrieg durch Wegschauen versagt hatte, so versagte sie nun in ihrer reflexartigen antiwestlichen Haltung auch im Kosovo und versagt erneut im Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine. Diese sog. "Linke" stimmt außenpolitisch seltsamerweise oft mit der Pro-Russland-Politik rechtextremer Parteien Europas überein. Wenn nun in Italien ein neuer Faschismus an die Macht kommt, eine liberale EU damit geschwächt und der Aggressor Putin gestärkt wird, wacht diese sog. "Linke" vielleicht aus ihrer politischen Naivität auf.

  • Zum Ende des Kalten Krieges war es eigentlich gemeinsame Überzeugung, dass zwischenstaatliche Probleme nur auf dem Verhandlungsweg gelöst werden dürfen. Die Erinnerung an WK 2 wirkte noch. Desgleiche die Angst, die Gegenseite könnte, falls zu sehr gereizt, Atomwaffen einsetzen. Putin blieb es vorbehalten, „Krieg“ wieder aus der Schmuddelecke zu holen.



    Angenommen, den Weltmächten Russland und China gelingt es, die Ukraine bzw. Taiwan einzukassieren, wird damit nicht Schluss sein, im Gegenteil! Auch kleinere Staaten, wie Serbien, werden sich fortan berechtigt fühlen, Probleme mit ihren schwächeren Nachbarn kriegerisch zu lösen. Aber auch Herrscher z. B. in Afrika werden weniger Probleme sehen, ihre aus der Kolonialzeit geerbten Streitigkeiten kriegerisch zu lösen.



    Putin darf den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen!