ZDF-Film „Ivie wie Ivie“: Sie kommt aus Leipzig
Der Spielfilm „Ivie wie Ivie“ im ZDF porträtiert eine junge Afrodeutsche. Regisseurin Sarah Blaßkiewitz legt damit ein lässiges Debüt hin.
Wir befinden uns im Jahr 2022, Fantasielosigkeit besetzt den Lerchenberg. Den ganzen Lerchenberg? Nein! Eine aus unbeugsamen Redakteuren bestehende Abteilung leistet Widerstand. „Das kleine Fernsehspiel“ gibt es seit 1963 und ist mittlerweile eine Institution. Eine Institution in der Institution ist die „Shooting Stars“-Reihe im Sommer: „Junges Kino im Zweiten“.
Den Auftakt des diesjährigen Durchlaufs bestritt am Dienstag Barbara Otts „Kids Run“, am Donnerstag folgt „Ivie wie Ivie“ von Sarah Blaßkiewitz. Danach „Viva Forever“ (Sinje Köhler) und „The Kids Turned Out Fine“ (Thilo Vogt).
Auf Sendeplätzen weit jenseits der Primetime, versteht sich. Aber was soll’s, das ZDF hat ja eine Mediathek – alle Filme sind dort bereits abrufbar. Zum Beispiel: „Ivie wie Ivie“.
Mit ihrem Ex, er und die gemeinsame beste Freundin nennen sie „Schoko“, ist die afrodeutsche Leipzigerin Ivie (Haley Louise Jones) zwar nach wie vor eng, aber das Putzen in seinem Sonnenstudio würde sie schon ganz gerne hinter sich lassen.
Erfahrungen mit Alltagsrassismus
Schließlich hat sie ein Lehramtsstudium absolviert: „Endlich keine zwei Jobs gleichzeitig mehr, ey. Geregelte Ferien. Dreimal so viel Gehalt. Urlaub in der Karibik …“
Als Ivie in der Schule auf die klassische „Wo kommen Sie denn eigentlich her?“-Frage schlicht „Leipzig“ antwortet, gerät ihr Kollege ins Schwärmen. Er finde es „ganz toll, dass Sie sich in die deutsche Gesellschaft integrieren. Gerade weil die meisten Schüler mittlerweile aus den unterschiedlichsten Ländern stammen, ist es wichtig, dass die multikulturellen Richtungen auch in der Lehrerschaft vertreten sind.“
„Ivie wie Ivie“ in der ZDF-Mediathek
Erfahrungen mit Alltagsrassismus macht auch die ebenfalls Schwarze Naomi (Lorna Ishema), eigentlich Türsteherin im Berliner Club Kater, auf ihrem Trip nach Leipzig. Dass ihr ein Neonazi ins Gesicht spuckt, ist das eine – die demonstrativ feindselige Ignoranz der zu Hilfe gerufenen Polizisten das andere Problem.
Bald steht Naomi bei Ivie vor der Tür: „Du hast bestimmt noch nichts von mir gehört … Ich bin deine Halbschwester.“ Beide Frauen haben denselben Vater. Ivies Mutter (Anneke Kim Sarnau) hat ihr nie etwas von ihm – oder ihrer Halbschwester – erzählt. Nun soll er gestorben sein. Naomi will mit Ivie zur Beerdigung in den Senegal reisen.
Ivie: „Okay, pass auf. Ich zahl niemals für einen Mann, der mich nicht mal kennenlernen wollte. Und ich stell mich auch nicht neben irgendwelche Afrikaner und schau in sein Grab.“
Naomi: „Ja, ich bin auch nicht besonders scharf drauf. Aber … Wär’s denn nicht irgendwie spannend, unsere Familie kennenzulernen?“
Ganz ohne Schwere
Einen festen (Sende-)Platz hatte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der vermeintlich guten, alten Zeit der sozialkritische Problemfilm – oft hatte er schwer an seiner ideologischen Last zu tragen. So wie heute wieder so manche unter dem Banner der Identitätspolitik geführte Debatte.
„Ivie wie Ivie“ geht diese Schwere komplett ab. Keine Frage: Die Suche nach ihrer kulturellen Identität ist für Ivie existenziell. Sie zerstreitet sich darüber mit Freunden und Familie. Und sie verträgt sich auch wieder.
Der 1986 in Leipzig geborenen, in Berlin lebenden Sarah Blaßkiewitz ist mit ihrem Langfilmdebüt ein bemerkenswert souveränes, geradezu lässiges Porträt gelungen.
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