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Bekämpfung des FachkräftemangelsAmpel will Einwanderung erleichtern

Fehlende Fachkräfte werden für immer mehr deutsche Firmen zum Problem. Die Bundesregierung plant deshalb, das Einwanderungsrecht zu reformieren.

Maschinenbau: Auch in dieser Branche werden Fachkräfte händeringend gesucht Foto: Armin Weigel/dpa

Berlin rtr | Angesichts des akuten Fachkräftemangels treibt die Regierung Pläne zur Reform des Einwanderungsrechts voran. „Wir wollen, dass ausländische Fachkräfte leichter und schneller den Weg nach Deutschland finden“, erklärten Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) in einem Gastbeitrag im Handelsblatt vom Mittwoch. Jetzt schnell und mit Blick in die Zukunft zu handeln, sei entscheidend für die Sicherung von Wohlstand und Lebensqualität. In Koalitionskreisen hieß es jüngst, voraussichtlich im September solle das Kabinett Eckpunkte für eine Reform des Zuwanderungsrechts auf den Weg bringen.

Die Minister kündigen an, den Arbeitsmarkt auch für Fachkräfte zu öffnen, die einen Arbeitsvertrag, aber noch keinen hierzulande anerkannten Abschluss haben. Diesen könnten sie dann mit Hilfe des deutschen Arbeitgebers nachholen, schlagen die Minister vor.

Mit der angestrebten Reform rennen sie bei der Wirtschaft offene Türen ein: „Ohne ausreichende Zuwanderung aus dem Ausland werden wir das Fachkräfteproblem nicht lösen können“, betonte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bei der Vorstellung eines Vorschlagskatalogs zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG). Laut aktueller DIHK-Konjunkturumfrage sehen 56 Prozent der Unternehmen im Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko. In diesem Zusammenhang komme der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte mehr und mehr Bedeutung zu.

Das FEG ist seit 1. März 2020 in Kraft. Ziel ist es, den Zuzug von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten entsprechend dem Bedarf der Wirtschaft zu erleichtern. „Ein Nadelöhr, ein Hauptproblem des Gesetzes ist aber die Umsetzung“, beklagt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Die praktische Arbeit in den Behörden und die Komplexität der Regelungen überfordere Unternehmen, potenzielle Zuwanderer und oft offenbar auch die Behörden selbst. Hinzu kämen teilweise sehr lange Wartezeiten auf Visa-Termine.

Blue-Card für Nicht-EU-Ausländer

Auch Faeser und Heil beklagen, dass das Einwanderungssystem noch immer zu „schleppend, zu bürokratisch, zu abweisend“ sei. Die Ampelkoalition sei angetreten, das zu ändern. Anders als bisher solle künftig für die Einreise der Nachweis eines Abschlusses und Berufserfahrung ausreichen. Das Anerkennungsverfahren könne dann nach der Einreise und parallel zur Arbeit betrieben werden.

Zudem soll nicht mehr von jungen Hochschulabsolventen erwartet werden, dass sie genauso viel verdienen wie Berufserfahrene, um mit einer sogenannten Blue Card einreisen zu können. „Wir senken für sie die Gehaltsgrenzen. Auch dadurch ermöglichen wir einen leichteren Berufseinstieg in Deutschland für gut ausgebildete junge Menschen“, erklärten Faeser und Heil. Die Blaue Karte ist ein befristeter Aufenthaltstitel speziell für akademische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten.

Gemäß FEG sollen die Länder mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten unter anderem für das beschleunigte Fachkräfteverfahren. „Diese wurden nicht in allen Ländern eingerichtet und es liegen Erfahrungen vor, dass in manchen Ausländerbehörden zum Teil die aktuelle Rechtslage nicht ausreichend bekannt ist, beziehungsweise umgesetzt wird“, kritisiert der DIHK.

Die Folge seien mitunter lange Wartezeiten bei der Vergabe, aber gerade auch bei der Verlängerung von Aufenthaltstiteln, was die Planungssicherheit der Betriebe erschwere. Der Ausbau der zentralen Ausländerbehörden wäre aus DIHK-Sicht wünschenswert. Zu prüfen wäre demnach auch, ob eine bundesweite Stelle eingerichtet werden könnte.

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13 Kommentare

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  • Allein dass Gerhard Schröder dafür war, sollte dazu führen, dass man instinktiv dagegen ist.

    Es gab damals keinen Fachkräftemangel und es gibt heute keinen. Was es gibt ist ein Mangel an guter und gut bezahlter Arbeit.

  • Wir haben also einen Fachkräftemangel? Von den 2015 angekommen Syrern sind aber schon noch ein paar im Land und momentan kommen massenhaft Frauen aus der Ukraine. Dazu gibt es nachwievor Arbeitslosigkeit in Deutschland.

    Könnte es sein das wir einen Fachkräftemangel haben, weil es erstens Ausbildungsmangel und zweitens einen Zahlungsbereitschaftsmangel gibt?



    Anstatt nun die Bedingungen in beispielsweise der Pflege zu verbessern, hofft man auf Menschen aus ärmeren Ländern, die sich über jeden Job freuen. Ganz großes Kino...

  • "Zudem soll nicht mehr von jungen Hochschulabsolventen erwartet werden, dass sie genauso viel verdienen wie Berufserfahrene, um mit einer sogenannten Blue Card einreisen zu können. „Wir senken für sie die Gehaltsgrenzen. Auch dadurch ermöglichen wir einen leichteren Berufseinstieg in Deutschland für gut ausgebildete junge Menschen“, erklärten Faeser und Heil. "



    Einer der Gründe für den sogenannten Fachkräftemangel ist die geringe Bezahlung und das wird nun als Gegenstrategie gepriesen? Weniger Lohn ,soll "gut ausgebildete junge Menschen“ anziehen? Das besonders Fatale an solchen Phrasen ist, das sie von denen ,die solchen Mist von sich geben, auch meist ehrlich geglaubt werden. Irgendwie wären mir Zyniker lieber ,die wenigstens wissen,das sie Müll erzählen.Die sind eher bereit ,das Konzept zu ändern, wenn das keinen Erfolg hat.



    Noch besser wären allerdings von Anfang an funktionierende Konzepte.

  • Wer ist mit der Million gemeint?



    Die Syrer? Es wäre da wohl falsch zu behaupten, dass hier keine Angebote und Weiterbildung stattgefunden hat.



    Die Flüchtlinge aus der Ukraine wurden innerhalb kürzester Zeit in die Sozialsysteme integriert.



    Sie sind über die Jobcenter vermittelbar.



    Davon konnten die Syrer vor ein paar Jahren nur träumen.



    Die Innenministerin setzt sich für einen Bleibestatus integrierter Geduldeter ein.



    Das ist eine völlig andere Vorgehensweise, als die von Seehofer, der sich zum 67ten für 67 Abgeschobene bedankte.



    Allen, die meinen, das Vorgehen von Ministerin Faeser sei " normal" , muss ich leider bescheinigen, dass sie sich in den letzten Jahren wohl nicht so intensiv mit dem Thema, oder gar den Betroffenen beschäftigt haben.



    Dieses ewige Gemecker nervt nur noch.



    So ganz nebenbei: bei der sog.syrischen Flüchtlingskrise



    durften die Kommunen jahrelang auf die Erstattung der Auslagen für die Aufnahmekosten warten.



    Die Ampel hat für diese Entscheidung bzgl. der ukrainischen Flüchtlinge eine Woche gebraut und zahlt einfach.



    Wer den Fachkräftemangel anzweifelt lebt wohl in Wolkenkukuksheim.



    Es gibt einen Mindestlohn und die offenen Stellen beim Arbeitsamt, oder einfach auf der nächsten Baustelle.



    Es ist eine gute Nachricht für unser Land, dass Arbeits- und Innenministerium in ein Einwanderungsland verändern. Da sind sich , im Übrigen, die Ampelpartner einig.



    Nur zur Erinnerung, Herr Seehofer bezeichnete Zuwanderung als " die Mutter aller Probleme".



    Wer da keine Veränderung in der Politik erkennt, dem, oder der, ist nicht mehr zu helfen.

  • Leider nicht nur Fachkräfte. Jegliche Art von Hilfskräften fehlen. Selbst Leute die ihren eigenen Namen nicht schreiben können finden problemlos was.

  • RS
    Ria Sauter

    Ich verstehe das nicht. Über 1 Million Menschen sind nach D gekommen.



    Warum werden diese nicht ausgebil



    det? Eingestellt?

    • @Ria Sauter:

      Kurze Antwort: Zu teuer.



      Das Geheule über den Fachkräftemangel ist nun schon seit Jahren zu hören, besonders aus der Richtung derer, die für die Arbeitsleistung ihrer Fachkräfte nicht ganz soviel Geld ausgeben wollen. Also wird selbiges auch nicht so schnell abebben.

      • @Wurstfinger Joe:

        Es kommt gar nicht erst zu Gehaltsforderungen weil du selbst als Konzern mittlerweile kaum mehr Bewerber hast. Die Überalterung schlägt voll zu und das Sanktionslose Hartz IV wird die Sache noch verschlimmern.

  • „Wir senken für sie die Gehaltsgrenzen." Wie kann sich eine linke Seite darüber freuen?

    Wir haben keinen Fachkräftemangel, sondern ein massives Vergütungsproblem. Die Menschen sind zunehmend nicht mehr bereit für einen Hungerlohn die Drecksarbeit zu machen und sich dann von FDP-Hanseln anzuhören "Sozial ist, was Arbeit schafft."

    Anstatt aber die Leute, die da sind anständig zu bezahlen und vernünftig zu beschäftigen (Man schielt hier gern auf die Pflege), schreien die Arbeitgeber nach den angeblich fehlenden Fachkräften (= Billiglöhner ohne Murren).

    Und das fatale einer zumindest in Teilen dem Anspruch nach linken Regierung ist, dass diese Position kritiklos übernommen wird.

    Herzlichen Glückwunsch der SPD an einem (weiteren) Verrat an der Arbeiterklasse!

    • @Kriebs:

      Das ist doch nicht nur die SPD.

      Die anderen sind keinen Deut besser.

      Die Linke würde nichts anders machen, es nur anders verkaufen.

      Außer Wagenknecht und co.

    • RS
      Ria Sauter
      @Kriebs:

      Kann nur zustimmen!

  • Wenn's mal wieder länger dauert weiss man: man ist in Deutschland! Ich spule mal 22 Jahre zurück: taz.de/!1242337/

    :-)

    • @Grenzgänger:

      Allein dass Gerhard Schröder dafür war, sollte dazu führen, dass man instinktiv dagegen ist.

      Es gab damals keinen Fachkräftemangel und es gibt heute keinen. Was es gibt ist ein Mangel an guter und gut bezahlter Arbeit.