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Gesetzentwurf im KabinettAmpel will Whistleblower schützen

Lob für den Gesetzesentwurf kommt aus der Wirtschaft. Un­ter­stüt­ze­r:in­nen von Hinweisgebenden fordern aber Nachbesserungen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Foto: Kay Nietfeld/dpa

Freiburg taz | Wer in seinem Unternehmen einen Skandal aufdeckt, soll vor Kündigung und anderen Nachteilen geschützt sein. Das sieht der Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz vor, den die Bundesregierung am Mittwoch auf den Weg gebracht hat.

Vielen Verbänden geht der Entwurf aber noch nicht weit genug. Das Gesetz soll in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst gelten. Es sieht vor, dass Hinweisgebende (Whistle­blower) vor Repressalien geschützt sind, wenn sie sich an interne Meldestellen des Unternehmens oder eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz in Bonn wenden. So sollen die Arbeitgebenden Missstände abstellen können, ohne gleich am öffentlichen Pranger zu stehen.

Das für den Gesetzentwurf verantwortliche Justizministerium betonte denn auch den Nutzen für die Unternehmen: „Eine Kultur des Schweigens und Vertuschens ist brandgefährlich: Denn ohne Aufklärung gibt es oft keine Besserung“, erklärte Justiz-Staatssekretär Benjamin Strasser (FDP).

Minister Marco Buschmann (FDP) sagte: „Durch frühzeitiges Einschreiten lassen sich Haftungsansprüche und Reputationsschäden vermeiden, die mit einer späteren externen Aufdeckung möglicherweise verbunden wären.“ Einen ersten Entwurf hatte Buschmann im April vorgestellt. Seitdem haben rund fünfzig Verbände Stellung genommen. Der nun vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf weicht aber nur in Details von Buschmanns Vorlage ab.

Knackpunkt: Anonyme Meldungen

Wirtschaftsverbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßen den Gesetzentwurf der Bundesregierung grundsätzlich. Sie kritisieren vor allem, dass die deutsche Regelung weit über die zugrundeliegende EU-Whistle­blower-Richtlinie hinausgehen soll.

Denn nach dem Regierungsentwurf sollen Hinweisgebende nicht nur geschützt werden, wenn sie Verstöße gegen EU-Recht aufdecken, sondern auch wenn sie auf Straftaten nach deutschem Recht hinweisen und auf sonstige Rechtsverstöße in wichtigen Gebieten wie dem Umwelt- und Lebensmittelrecht.

Andere Verbände, die eher aus der Sicht der Hinweisgebenden argumentieren, halten den Regierungsentwurf noch für halbherzig, weil er nur auf die Aufdeckung von rechtswidrigem Verhalten abstellt. Whistle­blower müssten aber auch geschützt werden, wenn sie Missstände aufdecken, die „noch nicht“ verboten sind, fordert etwa das Whistleblower-Netzwerk und verweist auf den Koalitionsvertrag. Dort geht es auch um den Schutz von Hinweisen auf „sonstiges erhebliches Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt“.

Ein Beispiel ist die Altenpflegerin Brigitte Heinisch, die auf die Unterversorgung in Pflegeheimen hingewiesen hat. „Dies gefährdete zwar die Gesundheit der Pflegebedürftigen, erfüllte aber keinen Straftatbestand“, heißt es in der Stellungnahme des Whistleblower-Netzwerks.

Auch Transparency Internatio­nal, die Gesellschaft für Freiheitsrechte und die ehemalige EuGH-Richterin Ninon Colneric fordern hier eine Nachbesserung des Regierungsentwurfs. Die GFF verweist etwa auf die Aufdeckung rechtsextremer Chats bei der Polizei.

Zweiter großer Kritikpunkt war der Umgang mit anonymen Meldungen. In Buschmanns erstem Entwurf hieß es nur: „Es besteht keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.“ Die Verbände hielten dies für unzureichend: „Die Erfahrung zeigt, dass viele Whistleblower gerade bei internen Meldestellen zunächst Vertrauen zum Ansprechpartner aufbauen wollen, bevor sie im Verlauf des weiteren Prozesses bereit sind, ihre Identität preiszugeben“, betonte das Whistleblower-Netzwerk.

Buschmann hat an diesem Punkt leicht nachgegeben. Im Regierungsentwurf heißt es nun: „Die interne Meldestelle sollte auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten, soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nicht-anonymer Meldungen nicht gefährdet wird.“ Eine Verpflichtung zur Bearbeitung plausibler anonymer Meldungen ist aber immer noch nicht vorgesehen. Umstritten ist auch die generelle Ausnahme für die Nachrichtendienste und der besondere Schutz für staatliche Verschlusssachen.

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7 Kommentare

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  • Wenn wir uns nur mal als Beispiel den legalen Maskendeal in Bayern anschauen: Würde nicht unter das neue Gesetz fallen.

    Absichtlich die Gesetze so eingefädelt.

    Also so lange sich die Politik die Gesetze persönlich auf den Leib schneidert halte ich die ganze Diskussion für ein Feigenblatt.

  • Was für ein Instrument. Zum scheitern vorurteilt bevor es auch nur ansatzweise in Kraft treten wird.

    Und btw. was ist mit Assange? taz, was los? Gibt es keine news mehr, keinen Grund einen eurer Kollegen zu schützen?

  • @LOWANDORDER

    Auf Christian Rath lass' ich nix kommen :-)

    Ich wünscht' ich wär' nur halb so höflich. Ungeduld des Alters und so.

    • @tomás zerolo:

      Jung - Volkers 👄 mit Schwung -

      “Höflichkeit ist eine Zier.



      Doch weiter kommt frauman ohne ihr!“

      unterm—— entre nous only —-



      “Doch - ist na Frechheit! Und aus dir wird nie ein feiner Mensch!“



      Inne Oberprima - Kleu Jack‘n zu seinem Lieblingsschüler - 😎 -



      Bin da also bei meinem Klassenlehrer im Wort. Will ihn ja nicht noch im Nachhinein enttäuschen! Wo ich doch schon gar kein “Mathe? Quatsch - du wirst doch Dipl.Ing!“ - geworden bin - 🙀🥳 -

  • Vllt ja ganz nützlich als Folie für‘s Einschätzen & für über den wirtschaftsaffinen



    fdp-Tellerrand hinaus - in memoriam - der Weggefährte & “Vater von Whistleblowing in Schland“ Dieter Deiseroth & seine - einschließlich Rechtsvergleichung 🇺🇸 - Überlegungen Knackpunkte etc als pdf =>



    betrifftjustiz.de/...te/Deiseroth04.pdf



    Whistleblower-Schutz



    Rechtsvergleichende Anmerkungen zur Situation in den USA und in 🇩🇪 =>



    “Whistleblowing ist als Begriff und als Phänomen in den USA seit vielen Jahren zum festen Bestandteil der politischen Kultur geworden. Das US-Nachrichten- magazin Time hat das Jahr 2002 sogar zum „Year of the Whistle-Blowers“ aus- gerufen und den drei Whistleblowern Cynthia Cooper (WorldCom), Coleen Rowley (FBI) und Sherron Watkins (En- ron) gemeinsam den Titel „Persons of the Year“ verliehen.2 Aber auch in Deutsch- land gibt es das Phänomen des Whistle- blowing3 und wird, ebenso wie in ande- ren Ländern, öffentlich zunehmend diskutiert.…



    (Resümee:) …Ein verantwor- tungsbewusster, aus ethischen Motiven handelnder Dissident liefert einen wich- tigen Beitrag zur Transparenz und zu ei- nem rationaleren gesellschaftlichen Dis- kurs. Er stellt sein Insiderwissen den zu- ständigen Stellen und/oder einer breite- ren Öffentlichkeit zur Verfügung, auf das diese angewiesen ist. Freilich: Wer kritisiert, eckt an und gilt häufig als Stören- fried, der herausgedrängt wird.



    Staatliche Rechtsvorschriften sind in diesem hier erörterten Bereich des Schutzes von Whistleblowern unver- zichtbar. Sie dürfen in ihrer Wirkkraft al- lerdings nicht überschätzt werden.



    Mindestens von ähnlich großer Bedeu- tung ist die Herausbildung und Entwick- lung einer verantwortungsethisch be- gründeten zivilgesellschaftlichen „Kultur des Whistleblowing“. Erforderlich ist ins- besondere auch eine „ethikfreundliche Infrastruktur“ in den Betrieben und Dienststellen.



    ( zu - Daniela Graser, Whistleblowing Arbeitnehmeranzeigen im US-amerikanischen und deutschen Recht.)

  • Dünne Brühe.

    Naja, was will man erwarten: die FDP war dran.

    • @tomás zerolo:

      anschließe mich - Christian Rath ist viel zu höflich - vornehm ausgedrückt •