Scholz stellt sich Fragen im Bundestag: Kanzler im Krisenmodus

Die Befragung des Kanzlers im Bundestag dreht sich dieses Mal nicht um Waffen für Kiew, sondern um die hohe Inflation und ihre Folgen.

Bundeskanzler Scholz fasst sich mit beiden Händen an den Kragen und guckt dabei nachdenklich und ernst

Wer will ihm dieses Mal an den Kragen? Scholz am 6. Juli im Bundestag Foto: Markus Schreiber/ap

Berlin taz | Ein AfD-Abgeordneter greift den Kanzler frontal an. Scholz’ „nutzlose Sanktionen“ gegen Russland seien schuld an den hohen Gaspreisen. Der Kanzler verletze seinen Amtseid, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Wann nehme die Regierung endlich Nord Stream 2 in Betrieb, damit die Deutschen nicht bald frieren müssen?

Scholz blinzelt knapp, verweist darauf, dass die russischen Ölimporte in die EU bereits deutlich zurückgegangen sind und die Sanktionen wirksam sind. Und: „Die AfD ist nicht nur rechtspopulistisch, sondern auch die Partei Putins.“ Es gibt wahrscheinlich ironischere, elegantere Antworten auf die AfD-Propaganda, die im Ukraine­krieg konsequent Opfer und Täter vertauscht. Aber politisch macht der Kanzler einen Punkt. Dass die Attacken auf Sanktionen von Sahra Wagenknecht und Klaus Ernst (Die Linke) mittlerweile denen der AfD zum Verwechseln ähneln, ist erschreckend.

Die Befragung des Kanzlers ist eine Art parlamentarische Übung in Basisdemokratie, die seit 2018 existiert. Die Fragen sind nicht vorab bekannt. Es geht kreuz und quer durch den Garten, von der frühkindlichen Bildung (die Scholz „sehr, sehr wichtig“ findet) bis zu den drei deutschen AKWs, die, so Scholz, nicht weiterlaufen werden. Für den Kanzler läuft dieses Ritual diesmal glimpflich ab. Als er im April Rede und Antwort stand, geriet er in ein Kreuzfeuer der Union. Warum die Regierung nicht zügig viel mehr Waffen an Kiew liefere, so die schneidende Kritik.

Nach Waffen und den Marder-Schützenpanzern fragt am Mittwochmittag der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt – aber ohne die damalige Vehemenz. Auch Scholz’ Antwort klingt routiniert. Berlin liefere ja Gepards, Mehrraketenwerfer und Hightech-Waffen, mache aber bei Waffenlieferungen keine „Alleingänge“, sondern alles in Abstimmung mit USA und Frankreich.

Ob angesichts der Inflation 449 Euro Hartz IV ausreichen, will Janine Wissler (Die Linke) wissen

Noch kein Kanzler hat in so kurzer Zeit einen so dichten Hagel von Krisen erlebt. Aber der Fokus hat sich verschoben – weg von der moralisch aufgeladenen Debatte, ob Berlin genug Waffen liefert, hin zu der bangen Frage, wie es bei explodierenden Energiepreisen hierzulande weitergeht. Die Linkspartei-Chefin Janine Wissler ist eine versierte Fragestellerin, die es versteht, knapp zuzuspitzen. Fast 17 Prozent der Deutschen hätten 2021 als arm gegolten. Ob angesichts der Inflation 449 Euro Hartz IV ausreichen, will Wissler wissen. Scholz weist auf 200 Euro Einmalzahlung hin, 20 Euro zusätzlich für Kinder, auf Tankrabatt und 9-Euro-Ticket. Zudem werde die Ampel mit Bürgergeld und Kindergrundsicherung neue Gesetze schaffen. „Wir sind dran“, versichert Scholz. Auf die Finanzierungsprobleme, die kommen, falls diese beiden Vorhaben mehr als nur Retuschen werden sollen, geht er nicht ein.

Dann will Wissler noch wissen, ob bei dem vom Kanzler gelobten „Unterhaken“ von Unternehmern und Gewerkschaften bei der konzertierten Aktion mehr herauskommen soll als Lohnzurückhaltung der Arbeiternehmer. Genau das war ein Effekt der konzertierten Aktion 1967, die die Blaupause für die aktuellen Treffen ist. Die Frage ist insofern naheliegend. „Befreien Sie sich aus der Welt Ihrer Vorurteile“ antwortet Scholz kühl.

Die konzertierte Aktion, bei der Gewerkschaften, Arbeit­geber, Bundesbank und Wissenschaftler zusammenkamen, soll für Scholz wohl eine Art Zaubermittel sein, um die drängenden Probleme der Inflation zu beheben. Sie soll die Inflation eindämmen und beim nächsten Entlastungspaket alle so gerecht bedenken, dass sich niemand benachteiligt fühlt. Bei diesen hohen Erwartungen scheint das Scheitern vorprogrammiert. Die Frage eines Linkspartei-Politikers, ob eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne nötig ist, konterte Scholz von oben herab. Die wirke nicht und treffe innovative Unternehmen. Die Übergewinnsteuer ist vom Tisch.

Der CSU-Abgeordneten Anja Weisgerber geht die mitunter herablassende Art des Kanzlers auf die Nerven. „Sie antworten auf Fragen von Frauen belehrend, auf die von Männern nicht“, kritisiert die CSU-Frau. Scholz geht auch darauf nicht ein.

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