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EU-Beitritt von NordmazedonienDie Hoffnungen schmelzen dahin

Jana Lapper
Kommentar von Jana Lapper

Nach 17 langen Jahren beginnen endlich Nordmazedoniens Beitrittsverhandlungen. Doch das EU-Nachbarland Bulgarien hat sehr hohe Hürden aufgestellt.

Ursula von der Leyen (l), Präspricht mit Stevo Pendarovski, Präsident von Nordmazedonien, am Donnerstag in Skopje Foto: Boris Grdanoski/ap

N ach ganzen 17 Jahren, die Nordmazedonien im Status als Beitrittskandidat festhing, beginnt das Land endlich Verhandlungen mit der EU. Doch bis Nordmazedonien wirklich Teil der Union ist, könnte es noch mal so lange dauern. Ein Blick in die Region lässt Hoffnungen auf einen schnellen Beitritt dahinschmelzen: So verhandelt Montenegro schon 10 Jahre und hat noch nicht einmal die Hälfte des Prozesses geschafft.

Für den Startschuss musste Nordmazedonien einen hohen Preis zahlen. Um die Blockade durch Bulgarien zu lösen, hat das Parlament in Skopje einen Vorschlag Frankreichs angenommen: Die Beilegung ihrer bilateralen Konflikte – so soll Skopje die bulgarische Minderheit in die Verfassung aufnehmen – findet sich nun im Hauptkapitel der Beitrittsverhandlungen. Bewegt sich dort nichts, wird Nordmazedonien einmal mehr auf dem Weg in die EU stecken bleiben.

Das ist sehr wahrscheinlich, denn die größte Oppositionspartei hat angekündigt, eine Änderung der Verfassung nicht zu akzeptieren. Deren Unterstützung aber braucht die Regierung. Eine weitere Sackgasse also, und das, obwohl Nordmazedonien schon große Opfer gebracht hat, darunter den eigenen Landesnamen. Nordmazedonien ist auf dem Balkan das einzige Land, das glaubhafte Reformen für mehr Rechtsstaatlichkeit durchgeführt hat – und trotzdem nicht dafür belohnt wird.

Freuen kann sich hingegen Albanien, dessen Regierungschef Edi Rama das Land zwar weiter nach seinen autokratischen Vorstellungen formt, aber jetzt mit aussichtsreicheren Verhandlungen rechnen kann als der Nachbar.

Weil Sofia seine Forderungen durchboxen konnte, könnten auch andere EU-Länder in Zukunft den Erweiterungsprozess missbrauchen, um andere Staaten zu erpressen. Und weil das Prinzip der Einstimmigkeit auch im weiteren Verlauf eine Rolle spielt – damit Skopje einzelne Verhandlungskapitel aufmachen kann, benötigt es das Ja aller Mitgliedsstaaten –, braucht die EU endlich das Prinzip der qualifizierten Mehrheit.

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Jana Lapper
Redakteurin
Jahrgang 1991. Seit 2018 bei der taz, seit 2019 als Redakteurin im Auslandsressort mit Schwerpunkt online und Südosteuropa.
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4 Kommentare

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  • Wird die EU durch den Beitritt von Nordmazedonien und Albanien stärker oder nur größer?

    Mit dieser Frage scheint sich kaum jemand zu beschäftigen. Dabei ist sie die Wichtigste.

  • Interessant, dass die bulgarische Sichtweise in den taz-Artikeln irgendwie nie zur Sprache kommt. Stattdessen heißt es immer "Erpressung" und "fiese Tricks".

    Eigentlich brauchte man sich nur mal die passenden Wikipedia-Artikel zu Gemüte führen.



    de.wikipedia.org/w...des_Kalten_Krieges



    Zitat: "Personen und Entwicklungen, die zuvor als bulgarisch gegolten hatten, wurden als Teil der mazedonischen Geschichte umgedeutet."



    Heißt beispielsweise, Teile der bulgarischen Geschichte werden seit dem Ende des 2. Weltkrieges in neuer Fassung in der Schule gelehrt, Denkmäler um-beschriftet oder alt-neugebaut (aktueller Witz in der Region: "Und hier bauen wir nächste Woche eine Kirche aus dem 3. Jahrhundert hin!").



    Das mag man jetzt in Deutschland vielleicht nicht ganz so eng sehen, wo wir doch mit unserer eigenen Identität und Geschichte oft hadern. Vielleicht wäre es uns wurscht, wenn Bismarck von, sagen wir, den Österreichern als einer der ihren vereinnahmt würde?



    Aber für ein Volk, das stolz auf eine Geschichte seit dem 7. Jahrhundert zurückblickt, ist das nun einmal so nicht akzeptabel.

    Oder auch hier, eine eigene Seite zum Thema:



    de.wikipedia.org/w...onen_mit_Bulgarien



    Nichteinhaltung von Vereinbarungen, einseitige Aussetzung von Verträgen, Geschichtsrevisionismus ... So sehen vertrauenswürdige Verhandlungspartner aus, ja?

    • @Tetra Mint:

      danke für den Link. ein paar Sätze zum Hintergrund würden solchen Artikeln durchaus gut tun. Jann jetzt natürluch sein, dass sich Bulgarien mehr um die Pflege von Artikeln über Bulgarien auf wikipedia kümmert als Nordmazedonien.

      Wenn es da aber anti-EU und anti-Bulgarien Demos gibt, dann ist Nordmazedonien vielleicht tatsächlich noch nicht so weit. Weil in der EU muss jedes Land Kröten schlucken. Konstruktive Kritik ist da angebracht, das Ausleben von Sesentiments viel zu oft Realität.

  • Es entscheidet halt immer der Club über die neuen Mitglieder.

    Grundsätzlich bin ich gegen jegliche Aufnahme neuer Mitglieder solange:



    a.) das Einstimmigkeitsprinzip nicht gegen z.B. eine 2/3-Votum ersetzt wird.



    b.) alle innernationalen Spannungen faktisch beigelegt worden



    c.) alle Beitrittsanforderungen bis ins kleinste erfüllt sind.