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Die Erkenntnis ist leider absolut nicht neu. Vor allem in Berlin nicht.
Es ist erkenntnisreich, in einer Veröffentlichung der Böll-Stiftung nachzulesen, was Franziska Eichstädt-Bohlig (Gründergeneration der Berliner Grünen), fürs soziale und günstige Wohnen in Berlin erkämpfte und eine Schande, in der taz lesen zu müssen, wie Stephan von Dassel mit seinem widerstandslosen Pragmatismus grüne Werte und Meriten in der Berliner Wohnungspolitik regelrecht verkauft.
Die Grüne Jugend Berlin Mitte spricht sich auf Twitter zwar gegen die Abrissgenehmigung aus, aber wenn es nicht beim Pantoffelheldentum des grünen Nachwuchses bleiben soll, muss die Grüne Jugend Mitte mit zivilem Ungehorsam vorm Amtssitz von von Dassel demonstrieren!
Doch welcher Berufspolitiker der Grünen fürchtet schon den handzahmen Nachwuchs der Grünen? Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass von Dassel keine Klage in Kauf nimmt?
Stattdessen geht von Dassel auf Twitter in die Vornewegverteidigung und schiebt der Linken aufgrund mangelnder Rechtsvorschriften den Schwarzen Peter zu, als wäre es nicht möglich, juristisch alle Karten auszuspielen, um es dem Spekulanten so schwer wie möglich zu machen! Denn hier geht es um Politik, und nicht um die Note Eins in einem Rechtskundeseminar!
Statt Schwarze-Peter zu spielen, sollte von Dassel die konstruktive Zusammenarbeit mit der Linken und der SPD suchen, um diesen eklatanten Fall von Spekulation noch zu stoppen.
Wenn in einem reichen Bezirk wie Mitte, der von Spekulanten und Lobbys regelrecht belagert wird, und der nahezu vollkommen gentrifiziert ist, eine Klage von vornherein ausgeschlossen wird, ist das nichts weniger als eine politische Bankrotterklärung!
www.boell.de/sites..._kommentierbar.pdf
twitter.com/DasselVon
@Lindenberg Die Verwaltung soll also sehenden Auges Recht brechen, damit ein politisch opportunes Ziel erreicht wird?
Wow, was für ein Artikel! Der Autor übersieht, dass ein Bezirk an Recht und Gesetz gebunden ist. Ein Bezirk darf das Recht nicht beugen, um ein politisch gewünschtes Ergebnis zu erzielen.
Da helfen irgendwelche Unterstützungen des Senates überhaupt nichts, den allein der Bezirk ist berechtigt und verpflichtet, das Gesetz anzuwenden.
Jedem, der sich halbwegs mit der Materie befasst hat, ist klar, dass die Verweigerung der Erteilung der Abrissgenehmigung rechtswidrig ist. Der Autor verlangt also nichts anderes als die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes. Da kommen Zweifel am Demokratieverständnis auf.
Warten wir doch mal ab, ob die Altmieter weiterhin den Auszug verweigern werden oder das Vergleichsangebot annehmen. Nehmen sie es nicht an, kommt die Abrissgenehmigung und dann die Kündigung - dann halt ohne Abfindungs- und Entschädigungklausel.
Das einzige was Berlin jetzt noch gegen den Abriss der Häuser in der Habersaathstraße unternehmen könnte wäre ein Aufkauf. Bisher ist jedoch nichts über etwaige Kaufangebote des Senates bekannt.
Das mantraartig vorgetragene Recht Israels auf Selbstverteidigung verschließt in Deutschland den Blick auf die brutale israelische Kriegsführung.
Wohnungspolitik in Berlin: Spekulation mit Wohnraum lohnt sich
Der Bezirk Mitte hat den Weg frei gemacht für den Abriss der Habersaathstraße 40-48. Das ist ein fatales Signal für alle Mieter*innen der Stadt.
Der Abriss von schützenswertem Wohnraum stößt auf Widerstand Foto: imago
Der grüne Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, hat in dieser Woche den Weg frei gemacht für den Abriss der Habersaathstraße 40-48. Damit hat er ein für eine soziale Wohnungspolitik fatales Signal gesendet: Spekulation mit jahrelangem Leerstand zahlt sich aus, und die Belange von Mieter*innen zählen weniger als die Interessen von Investoren.
Dass das mangelhafte Zweckentfremdungsverbot als Begründung dafür herhält, dass der Gebäudekomplex mit seinen 120 Wohnungen, der erst in den 1980er Jahren mit öffentlichen Mitteln errichtet und 2008 energetisch saniert wurde, abgerissen werden darf, ist dabei bloß ein Feigenblatt. Dass das Gesetz novelliert werden muss und der Abriss von schützenswertem Wohnraum künftig verhindert werden können muss – allein schon aus Klimaschutz-Gründen – ist zwar richtig. Dennoch hatte der Grünen-Politiker mehr Handlungsspielraum, als er vorgibt.
Seit mehr als zwei Jahren führt der Bezirk Mitte einen Rechtsstreit mit der Arcadia Estates, weil er der Eigentümerin die Abrissgenehmigung verweigert. Dass von Dassel nun befürchtet, diesen zu verlieren, bedeutet nicht, dass er in vorauseilendem Gehorsam eine Genehmigung erteilen muss. Der Senat hat längst zugesagt, den Bezirk dabei zu unterstützen, wenn dieser bei einem etwaigen negativen Urteil in Berufung geht und vor höhere Instanzen zieht.
So etwas dauert mitunter Jahre und hätte den Bewohner*innen wertvolle Zeit erkauft. Zeit, in der das Zweckentfremdungsverbotsgesetz angesichts des zunehmenden Mietenwahnsinns in Berlin verschärft werden und eine Rekommunalisierung des Gebäudes eingefädelt werden könnte. Es gibt also keinen Grund zur Eile – außer für die Arcadia, die das Filetgrundstück in Mitte schnell zu Geld machen will.
Die hat jetzt zwar eine Abrissgenehmigung, allerdings nur auf dem Papier. Denn was von Dassel und der Immobilienkonzern offenbar gerne vergessen ist, dass in dem Haus nicht nur fast 60 Obdachlose wohnen, die bei einem Abriss wieder auf der Straße landen würden, sondern auch noch ein Dutzend Altmieter*innen, die nahezu unkündbare unbefristete Werksmietverträge haben und ihren Auszug hartnäckig verweigern.
Ein schlechter Deal für Mieter*innen
Die muss der Eigentümer erst einmal gerichtlich rausklagen – auch das kann Jahre dauern. Und der Mieterverein räumt ihnen gute Chancen ein, dass sie vor Gericht gewinnen. Schließlich war der Arcadia, als sie die Immobilie 2017 für zehn Millionen Euro gekauft hat – nachdem der Senat sie 2006 für schlappe zwei Millionen Euro an einen privaten Investor verscherbelt hatte – der Zustand des Hauses bekannt, und sie hat ihn durch Vernachlässigung und Leerstand noch verschlimmert.
Das sollte nicht auch noch belohnt werden. Zumal der Deal, den von Dassel mit der Arcadia vereinbart hat, schlecht verhandelt ist – zumindest für die Mieter*innen. Für eine Zweizimmerwohnung zahlen die Mieter*innen in dem ehemaligen Schwesternwohnheim der Charité rund 300 Euro pro Monat – vergleichbare Wohnungen in der Lage kosten locker das Drei- bis Vierfache. Dass sie laut Vereinbarung in dem Neubau für zehn Jahre die gleichen Mietkonditionen erhalten ist viel zu wenig – genauso wie die 1.000 Euro Abfindung, die sie stattdessen pro Quadratmeter erhalten können.
Zehn Jahre sind schnell vorbei und ein paar Zehntausend Euro angesichts der explodierenden Mietpreise in der Hauptstadt rasch aufgebraucht. Dass die Altmieter*innen dann auch noch erpresst werden, indem ihnen gesagt wird, dass die Obdachlosen ausziehen müssen, wenn sie den Deal nicht annehmen, und sie dazu gedrängt werden, sich innerhalb von nur zwei Wochen zu entscheiden, ist würdelos.
Abriss muss verhindert werden
Das Haus in der Habersaathstraße ist mittlerweile über die Grenzen Berlins hinaus ein Vorzeigeprojekt dafür geworden, wie Obdachlose schnell und unkompliziert von der Straße geholt und ihnen ein selbstständiges und würdevolles Leben ermöglicht werden kann. Ihnen und der Initiative Leerstand Hab ich Saath, die ebenso wie die Altmieter*innen gegen den Abriss des Gebäudes kämpfen, gebührt dafür Respekt und Anerkennung. Sie haben geschafft, was die Politik jahrelang verpennt hat.
Wenn Berlin es ernst damit meint, Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen, die Mieterrechte in dieser Stadt zu stärken und Spekulation mit Leerstand einen Riegel vorzuschieben, muss es sich für den Erhalt der Habersaathstraße einsetzen. Nicht nur weil sie längst zum Symbol des Kampfes gegen spekulativen Wahnsinn geworden ist. Auch weil der Abriss von Wohnraum angesichts der Wohnungsnot unbedingt bekämpft werden muss – im Parlament und vor Gericht.
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Kommentar von
Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
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Marie Frank