Rückgabe von Kunstobjekten an Nigeria: Schloss damit!
Deutschland hat sich per Vertrag zur Rückgabe kolonialer Raubkunst an Nigeria verpflichtet. Auch Berlins Prestigemuseum Humboldt Forum bewegt sich.
D er Satz ist fast schon legendär. Er fiel, als das umstrittene Berliner Humboldt Forum im rekonstruierten Stadtschloss im Dezember 2020 eröffnet wurde. Damals sagte der Generalintendant Hartmut Dorgerloh zur Journalistenfrage nach Nigerias Ansprüchen auf die so berühmten wie kostbaren Benin-Bronzen, die im Humboldt Forum zu sehen sein sollten – gar nichts. Nur so viel: „Die Leute werden uns die Bude einrennen.“ Will heißen: Wir denken gar nicht daran, uns von spektakulären Ausstellungsobjekten zu trennen. Selbst wenn es sich dabei um koloniales Raubgut handelt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ist es kaum zu fassen, dass dieser unverschämte Satz erst vor anderthalb Jahren gefallen sein soll.
Am Freitag haben Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Außenministerin Annalena Baerbock mit ihren nigerianischen Amtskollegen, dem Kulturminister Lai Mohammed und dem Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, eine Absichtserklärung unterzeichnet, die den Weg für die Eigentumsübertragungen der Benin-Bronzen in Berlin wie in ganz Deutschland frei macht. Noch ist unklar, wie viele der mehr als 1.130 Benin-Bronzen, die in rund 20 deutschen Museen ausgestellt werden, zurückgehen. Aber es ist zu hoffen, dass nur wenige der Kunstobjekte in Deutschland bleiben werden. Denn die Skulpturen, Tafeln und Reliefs aus dem 16. bis 18. Jahrhundert befinden sich nur deshalb hier, weil britische Truppen 1897 in das damalige Königreich Benin auf dem Staatsgebiet des heutigen Nigeria einmarschiert sind, die Stadt Benin niederbrannten und Schreine und Paläste plünderten.
Mit der Rückgabe dieser Bronzen kommt der deutsche Museumsdiskurs – und mit ihm die Aufarbeitung des Kolonialismus hierzulande – endlich dem Punkt näher, an dem er sein sollte und an dem er in anderen Ländern wie Frankreich schon eher ist. Zu verdanken ist die Bewegung in der ewig vor sich hin schwelenden Restitutionsfrage vor allem der französischen Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die Präsident Emmanuel Macron bei seinen öffentlichkeitswirksamen Rückgaben von Raubkunst beraten hat. In ihren Büchern nimmt Savoy überaus anschaulich die schäbige Blockadehaltung der deutschen Museen auseinander. Schon ihr Protest-Rücktritt aus dem wissenschaftlichen Beirat des Humboldt Forums 2017 machte deutlich: Mehr noch als andere deutsche Museen – das Stuttgarter Linden-Museum hat am Donnerstag angekündigt, einen Großteil der 64 Benin-Bronzen aus seiner Sammlung an Nigeria zurückzugeben – hat der stärkste Player im Humboldt Forum, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu lang auf stur gestellt. Damit dürfte jetzt Schluss sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar