Polizeiaufrüstung in Berlin: Fund the police
Das Budget der Polizei steigt schneller als andere Ausgaben, zeigt eine Linken-Anfrage. Anti-Rassismus-Aktivisten fordern andere Prioritätensetzung.
Dieser Anstieg um konkret 54 Prozent fiel damit deutlich höher aus als der des Landeshaushalts, der sich im selben Zeitraum um 42 Prozent erhöhte. Entsprechend stieg der Anteil der Polizeiausgaben am Haushalt von 4,5 auf inzwischen 5,7 Prozent; aus 348 Euro pro Einwohner:in und Jahr wurden 489 Euro.
Die Zahlen zeigen: Die Entwicklung verläuft bruchlos. Egal ob die SPD mit der CDU regierte – und ihr von 2011 bis 2016 mit Frank Henkel den Posten des Innensenators überließ – oder danach mit Grünen und Linken: Jahr für Jahr gibt es mehr Geld und Personal für die Polizei.
Kostenfaktor ist vor allem die seit 2014 immer schneller ansteigende Personalstärke. Nach mehreren Jahren mit etwa 21.000 Vollzeitstellen durfte die Polizei im vergangenen Jahr bereits 23.500 Stellen besetzen. Diese Entwicklung wird sich mit dem Doppelhaushalt 2022/23 fortsetzen. Die Koalitionspartner haben darin verabredet, 610 neue Stellen zu schaffen, ein Großteil davon für den Polizeivollzugsdienst.
Kontinuierlich, wenn auch weniger rasant verläuft die Entwicklung bei den Sachmitteln, also den Ausgaben für Computer, Uniformen und Videoüberwachung. Hier gab es 2021 erstmals Gesamtausgaben von mehr als 400 Millionen Euro.
Defund statt Aufrüstung
Der Linken-Abgeordnete und Aktivist Ferat Kocak kritisiert diese „Prioritätensetzung“ im Haushalt. Während immer mehr Geld in die Polizei gesteckt werde, gäbe es bei „Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen und in anderen sozialen Berufen einen akuten Personalmangel, der auch mit knappen finanziellen Ressourcen begründet wird“. Doch Kocaks Kritik ist grundsätzlicher. Er fordert: „Diese Law-and-Order-Entwicklung muss gestoppt und zurückgefahren werden.“
Weniger Geld für die Polizei also – „Defund the police“. Das ist eine Forderung, die im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste nach der Ermordung George Floyds durch einen Polizisten 2020 von den USA auch nach Deutschland schwappte – bisher jedoch ohne Konsequenzen.
Ganz ähnlich argumentiert Mitali Nagrecha, Gründerin des Justice Collective, eines Bündnisses gegen das System aus Bestrafung und Freiheitsentzug, das insbesondere auf Arme und von Rassismus Betroffene abzielt. „Viel zu oft nutzt die Berliner Polizei diese Ressourcen, um Racial Profiling zu betreiben und geringfügige Delikte zu verfolgen, was zur Bestrafung von Menschen aufgrund ihres Migrationsstatus, ihrer Rassifizierung und ihrer Armut führt“, so Nagrecha.
Sie fordert: „Es ist an der Zeit, dass Berlin die Mittel für die Polizei in gemeinschaftsorientierte Projekte investiert, die Alternativen zu Polizeiarbeit und Bestrafung schaffen.“ Mehr Geld für Lehrkräfte, Sozialarbeit und Konzepte transformativer Gerechtigkeit also.
Weniger Kriminalität, mehr Symbolpolitik
Ein Blick auf die Kriminalitätsstatistik könnte die Argumentation stützen. 2021 gab es in Berlin nur noch 13.158 Straftaten je 100.000 Einwohnende – so wenig wie seit der Wiedervereinigung nicht. Das liegt wohl nicht am Verfolgungsdruck: Die Aufklärungsquote liegt mit 45,3 Prozent drei Prozent niedriger als 2010. Dennoch hat vor allem die nun Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) einen Law-and-Order-Wahlkampf gemacht und polizeilich hergestellte „Sicherheit“ zu ihren Prioritäten erklärt.
Ihre Innensenatorin Iris Spranger darf 3,5 Millionen Euro in den Ausbau einer Polizeiwache am Kotti investieren, zusätzlich zu jährlichen Mietkosten von 51.000 Euro. Nagrecha befürchtet, dass sich dadurch die Überwachung „rassifizierter und migrantischer Communities noch verschlimmern wird“.
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