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Scholz, Ballweg und FlughafenchaosEin Kanister Aceton im Haus

Klima-Aktivisten protestieren in London gegen Ölprojekte. Derweil wirbt Kanzler Scholz für Investitionen in fossile Energien. Was ist da faul?

Anders als die Grünen versucht es Olaf Scholz mit Risenslalom

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Der Fisch im Sushi.

Und was wird besser in dieser?

Es. Hoffe ich.

Bei der letzten Bundestagswahl warb Olaf Scholz noch als „Kanzler für Klimaschutz“ um Stimmen. Auf dem G7-Gipfel in Elmau warb er nun für Investitionen in fossile Energien. Fühlen Sie sich betrogen?

Die Grünen hatten auch nicht „Geh mir zu, Emir“ plakatiert. Scholz brummelt die Partner beharrlich in die Duldungsstarre, inzwischen wird immerhin schon keiner mehr schreckhaft wach, wenn er wieder mit seinem „Klima-Klub“ ankommt. Der Plan: Eine Hanse der Wohlwollenden bestraft die Schmuddelkonkurrenz der CO2-Sünder. Die können sich – mit Hilfen – den ehrgeizigeren Zielen anschließen. Oder sagen: Ich bin China und ihr ein Sack Reis. Plumps. Scholz’ Plan ist noch schwammig, doch wo die Grünen derzeit Zickzack fahren, versucht er es mit – Wortspiel – Riesenslalom.

Michael Ballweg, Mitbegründer der selbsternannten „Querdenker“, wurde verhaftet. Für die Bewegung wird er damit zum Märtyrer. Wer ist Ihr Lieblingsheiliger?

In der aktuellen Logik wäre nun zu erwarten, dass die vernunftbegabten Corona-Zweifler der Nato beitreten. Ballweg wollte laut Staatsanwaltschaft mit der Beute flüchten, Hals-Nasen-Ohren-Bodo exiliert in Tansania, und bei weiteren AktivistInnen klingt es nach Rattenlinie gen Südamerika. Ins Narrativ, wonach Robin Hood in Sherwood Forrest nicht mehr sicher ist, passt das allemal rein. Deswegen sollte der Sheriff von Nottingham sofort gefeuert und durch Wolfgang Kubicki ersetzt werden. Der kann prima irgendwie dissident raunen und am Ende den Gesetzesvorlagen von Marco Buschmann zustimmen. Hashtag Quertrinker.

Die Türkei stellt sich nicht mehr gegen den Nato-Beitritt von Schweden und Finnland. Das aber zum Preis der Kurd:innen, befürchten manche. Kriegt der türkische Präsident Erdoğan immer, was er will?

Konkret bekommt er Definit­io­nen von Terrorismus wie etwa „eine Zeitung herausgeben“, „Gülen schätzen“ oder „Kurde sein“. Während schwedische und finnische Regierungen behaupten, ebendies treffe nicht zu. Erdoğan kann unterwegs noch die Ratifizierung verweigern – und bis dahin testen, ob die Skandinavier in seinem Sinne „liefern“. Und ob es mit den Waffenlieferungen besser klappt als bisher. Der Nato-Vertrag sieht – wie die EU – keinen Ausschluss eines Mitgliedes vor; die Erpressungen nehmen überhand. Das kommt dem godfather of leckmichdoch, also Erdoğan, sehr entgegen.

Die russische Duma hat ein noch schärferes Mediengesetz verabschiedet. Vor allem ausländische Medien werden beschränkt. Wie dunkel kann es in Russland noch werden?

Ausländische Medien dürfen nicht mehr „unfreundlich“ berichten; im Inland verurteilt die Staatsanwaltschaft nun ohne Gericht direkt. „Uns war halt danach“ wäre als Gesetzestext frivoler, inhaltlich das Gleiche. Bei der jüngsten Verschärfung im März hatten europäische KorrespondentInnen sich noch zurückgezogen; wer zurückkam, darf jetzt nicht berichten, dass er nicht berichten darf. Die größte Tücke ist, dass das andere Europa mit dem anderen Russland nicht mehr reden kann.

Klima-Aktivisten haben sich in London an den Rahmen eines Van-Gogh-Gemäldes geklebt. Sie forderten damit die Einstellung neuer britischer Öl- und Gasprojekte. Für welches Herzensthema würden Sie sich festkleben lassen?

Immer einen Kanister Aceton im Haus! Weil man sich schon bei Alltagsreparaturen mit Cyanoacrylat formerly known as „Sekundenkleber“ meist systematisch die Finger besudelt. Alternativ kann man sich auch ein Stündchen ins Tiefkühlfach legen, dann wird der Kleber spröde. Ich habe keine Lust, mit irgend etwas klebenslänglich verpappt zu sein; Protestformen am Rand der Selbstverstümmelung stoßen mich eher ab. Es ist uns nicht gelungen, die junge Generation von der guten alten Sachbeschädigung zu überzeugen.

An Flughäfen fehlt das Personal. Hilfsarbeiter aus der Türkei sollen das Problem nun lösen. In Deutschland sollen es mal wieder die anderen richten?

Holen wir auch noch Kellnerinnen und Kellner aus der Türkei, malern „Antalya“ über das Ortsschild von Grömitz, und der Umwelt ist viel Gutes getan.

Und was machen die Borussen?

1.300 Fans beim ersten Mannschaftstraining. Das ist Oberkante Zuschauerschnitt Vierte Liga.

Fragen: eaz

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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1 Kommentar

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  • Welches wäre denn das "andere Europa"? Hier finde ich wenig davon.