Landesparteitag der SPD: Auf der Suche nach der Ausfahrt
Am Sonntag stellen sich Franziska Giffey und Raed Saleh als SPD-Parteichef*innen zur Wiederwahl. Gestritten wird dann auch um den Weiterbau der A 100.
Anlass für die Debatte ist der jüngste Vorstoß aus dem FDP-geführten Bundesverkehrsministerium, die Planungen für den 17. (und wohl definitiv letzten) Bauabschnitt zu starten. Autobahnen sind Bundesangelegenheit und die milliardenschwere Finanzierung für diese Strecke käme auch vom Bund.
Doch dass diese Betonorgie durch einen Innenstadtkiez immer noch nicht beerdigt ist, liegt im Wesentlichen an der Berliner SPD, seit 1989 Dauerregierungspartei der Hauptstadt. Denn klar ist auch: Gegen den Willen eines Landes wird und kann der Bund kaum bauen.
Aber die SPD ist in Sachen A 100 gespalten, schon viele Jahre; 2011 scheiterte ein Koalition mit den Grünen auch an der Autobahnfrage. Und wenn am Sonntag ein Antrag aus Friedrichshain-Kreuzberg zur Abstimmung kommt, der die Streichung des Projekts aus dem Bundesgesetzbuch fordert, wird sich das in aller Deutlichkeit zeigen. „Ich sehe das differenziert“, sagt Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin und die zweite Co-Parteichefin, am Donnerstag dazu. Und weiter: „Man muss überlegen, was die richtige Antwort ist.“
Am Samstag, 18. Juni, wird erneut gegen die geplante Verlängerung der A 100 demonstriert, organisiert von einem breiten Bündnis aus Rad- und Umweltinitiativen. Start ist um 13:30 Uhr an der Elsenstraße vorm S-Bahnhof Treptower Park. Die Abschlusskundgebung wird auf der Kreuzung Frankfurter Allee/Gürtelstraße abgehalten. (taz)
Das Führungsduo der SPD, das sich am Sonntag der Wiederwahl stellen muss, spielt auf Zeit. Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass in dieser Legislaturperiode die A 100 nicht weiter geplant wird – ein klares Zugeständnis an die Sozialdemokraten, die im Wahlkampf einen Weiterbau mit einer Bürgerbefragung verknüpft hatten. Denn Grüne und Linke sind gegen das monströse Projekt. Doch Saleh und Giffey halten an der Position im Koalitionsvertrag fest, auch wenn die Regierende sich ein Tunneln durch FDP-Verkehrsminister Volker Wissing verbeten hat. Man wisse ja nicht, so Saleh, wie der Verkehr in 15, 20 Jahren aussehe. Zudem gebe es die ungeklärte Frage, wie sich der Verkehr am Ende des derzeit entstehenden 16. Bauabschnitts an der Elsenbrücke verteilen soll, ergänzt Giffey.
Zugleich versucht das Duo, dem Koalitionspartner den Alleinanspruch auf progressive Verkehrspolitik streitig zu machen. Verkehrssicherheit sei nicht nur Thema der Grünen, erklärt Saleh. „Auch wir wünschen uns sichere und gute Radwege für Berlin.“ Zu visionär darf das aber auch nicht aussehen: Der SPD-Chef kritisiert die Vorstellungen der damaligen Spitzenkandidatin und heutigen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne), Teile der A 100 zurückzubauen, als „irre“. Die Umgestaltung der Friedrichstraße sei gescheitert; hier fehlten Konzepte für das gesamte Viertel, ähnlich wie bei Plänen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, weite Teile autofrei zu machen.
So äußert sich also der Charakter als Volkspartei, was die SPD laut Saleh wieder sei, nachdem Giffey und er vor zwei Jahren die Führung übernommen und aus desolaten Umfragewerten ein beachtliches Wahlergebnis gemacht hatten. Und in einer Volkspartei gebe es eben widerstreitende Positionen. Am Ende jeder Debatte, so Saleh, müsse es aber „eine Linie geben“. Bei der A 100 stellt sich vor allem die Frage, wann die Debatte zu Ende sein wird. Vielleicht ja am Sonntag?
Weitere kontroverse Debatten werden beim Parteitag nicht erwartet, da ist sich das Führungsduo sicher. Ein Antrag der Jusos, in der Enteignungsdebatte und der vom Senat eingesetzten Kommission stärker auf eine schnelle Umsetzung zu drängen, sei den Realitäten angepasst worden und nun Konsens. Allerdings deutet sich im Bildungsbereich eine Auseinandersetzung um den Umgang mit dem Lehrer*innenmangel an.
Gegenkandidat*innen für die Parteiführung sind bisher nicht bekannt. Er nehme seine Partei sehr geschlossen und schlagfertig wahr. Partei, Fraktion und Senat würden „Politik aus einem Guss machen“, der Koalitionsvertrag mit Grünen und Linken lese sich wie das Wahlprogramm der SPD, analysiert Saleh – und lobt sich damit natürlich vor allem selbst, schließlich ist er zugleich Fraktionschef und damit der starke Mann der Landes-SPD. Mal sehen, ob das Ergebnis für Giffey und ihn sich mit dieser Einschätzung deckt.
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