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Die WahrheitTrouble auf Windsor Castle

Wenn ein Teebecher zum Orakel wird und sich die weitere Entwicklung der britischen Monarchie an seinem Äußeren haargenau ablesen lässt …

E inmal in jedem Jahrzehnt schreibe ich eine Kolumne über meinen „Mug“ mit dem Bild der englischen Königin darauf. Diesen Teebecher – hergestellt zum 40-jährigen Thronjubiläum der Queen – benutze ich seit 1992 täglich, um meine durchschnittlich zwölf Tassen Schwarztee daraus zu trinken. Neuerdings im Wechsel mit einem „A Hard Day’s Night“-Mug, den ich bei meiner Beatles-Hadsch nach Liverpool im dortigen Fab-Four-Museum erstanden habe.

Auf dem Queen-Becher ist Elisabeth II. kaum noch zu erkennen. Der Becher ist durch die tägliche Spülmaschinenreinigung quasi weißgewaschen. Irgendwann verstand ich, dass ich es hier mit einem Orakel zu tun hatte: Wenn Elisabeths Gesicht endgültig verschwunden wäre, ja dann bestiege Charles endlich Englands Thron …

Wenn ich den Mug jedoch am offenen Fenster leicht gekippt ins Sonnenlicht halte und meinen Blick von schräg unten mit einer Rossmann-Dreikommanull-Dioptrien-Lesebrille über die Porzellanoberfläche tänzeln lassen, dann kann ich immer noch Reste der elisabethanischen Miss-Marple-Frisur erkennen. Vermutlich konnte die Queen nur deswegen noch Anfang Juni ihr 70-jähriges Thronjubiläum begehen.

Die Feierlichkeiten zum „Platinum Jubilee“ habe ich entgegen meinen bisherigen Gewohnheiten jedoch nur am Rande verfolgt. Die Serie „The Crown“ hat meinen popkulturellen Monarchismus stark gedämpft. Menschen, die ihre behinderten Verwandten offiziell für tot erklären und in einer psychiatrischen Anstalt verstecken, kann ich noch nicht mal ironisch verehren. Politisch war ich allerdings schon immer der Meinung, dass es nichts Alberneres gibt als den Adel. Egal in welchem Land. Selbstverständlich gehören diese Clan-Kriminellen enteignet und wie alle anderen Menschen nur mit ihrem Nachnamen angeredet.

Ich frage mich auch, was diese Leute meinen, wenn sie vom Stolz auf ihre Familienhistorie sprechen. Worauf sind die stolz? Auf den seit anno dunnemals praktizierten Inzest? Die jahrhundertelange Ausbeutung ihrer Untertanen? Oder die peinlichen Biografien ihrer Vorfahren? Zum Beispiel die von Heinrich VIII., der sich so fett fraß, dass er sich nicht mehr bewegen konnte und buchstäblich bei lebendigem Leib im Bett verfaulte? Oder – um mal nach Frankreich zu schauen – die Eitelkeit des Sonnenkönigs Louis XIV., der sich, um seinen Haarausfall zu kaschieren, Fake-Haartürme anfertigen ließ, die wirkten, als balancierte er sedierte Königspudel auf der Glatze?

Neben meiner Orakeltasse besitze ich übrigens noch eine Sammlung von speziellen Teedosen, die ich auf einem Regal aufbewahre, das ich „Trouble auf Windsor Castle“ nenne, darunter: Hochzeitsdosen mit Charles und Diana sowie Harry und Meghan. Die mit Andrew und Sarah habe ich allerdings umgedreht. Andrew schaut jetzt gegen die Wand. Das ist ja auch ungefähr das, womit er im echten Leben bestraft wurde.

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Hartmut El Kurdi
Autor, Theater-Dramaturg, Performer und Musiker. Hartmut El Kurdi schreibt Theaterstücke, Hörspiele (DLF / WDR), Prosa und für die TAZ und DIE ZEIT journalistische und satirische Texte. Für die TAZ-Wahrheit kolumniert er seit 2001. Buchveröffentlichungen (Auswahl): "Revolverhelden auf Klassenfahrt", "Der Viktualien-Araber", "Mein Leben als Teilzeit-Flaneur" (Edition Tiamat) / "Angstmän" (Carlsen) / "Als die Kohle noch verzaubert war" (Klartext-Verlag)
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