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Sparpläne für Bremer KrankenhäuserGeringverdienende sollen bluten

Beschäftigte der Bremer Kliniken protestieren dagegen, Service-Mitarbeiter in eine Tochterfirma auszugliedern, wo sie schlechter bezahlt würden.

Patientenferne Tätigkeit: Reinigungskräfte desinfizieren Geräte am Uniklinikum Freiburg Foto: Philipp von Ditfurth / dpa

Hamburg taz | Beschäftigte von Bremens Landeskrankenhäusern wollen gegen den Vorschlag protestieren, Service-Mitarbeiter in eine Tochtergesellschaft der „Gesundheit Nord (Geno)“ zu überführen, wo sie weniger verdienen würden. Für Mittwochnachmittag haben die Gewerkschaft Ver.di und die Betriebsräte eine Kundgebung vor dem Dienstsitz von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) angekündigt.

Nach den Vorstellungen der Geno-Geschäftsführung könnten „patientenferne Bereiche“ in die Tochterfirma Gesundheit Nord Dienstleistungen (GND) ausgegliedert werden. Dazu gehörten die Küche, Patientenbegleitung, Hauswirtschaft, Logistik, Pförtner, Bettenmachen und Reinigung. „In diesen Bereichen arbeiten überwiegend Frauen in Teilzeit im Niedriglohnbereich“, sagt Gewerkschaftssekretär Jörn Bracker. Sie würden dann nicht mehr nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst bezahlt werden. „Das bedeutet, dass die Kol­le­g:in­nen rund ein Drittel weniger Gehalt im Portemonnaie haben werden“, warnt Bracker.

Eine Ausgliederung würde die Belegschaften in Mitarbeitende erster und zweiter Klasse spalten, warnen die Arbeitnehmervertreter. 3.000 Kol­le­g:in­nen hätten eine Petition dagegen unterschrieben, die der Gesundheitssenatorin im Rahmen der Kundgebung übergeben werden solle.

Die Senatorin verweist auf die schwierige wirtschaftliche Lage der Geno. Die Ausgliederung sei lediglich ein Vorschlag der Geschäftsführung, um Geld zu sparen. Dabei gebe es Vorschläge, zu denen sie als Aufsichtsratsvorsitzende der Geno eine andere Meinung habe als in ihrer Rolle als Gesundheitssenatorin.

„Als Aufsichtsratsvorsitzende ist es meine Aufgabe, die wirtschaftliche Situation der Geno zu verbessern“, sagt Bernhard. Dabei wolle sie vor allem vermeiden, dass es zu Privatisierungsdebatten komme. Deshalb müsse sie solche Vorschläge prüfen. Als Gesundheitssenatorin lehne sie die Auslagerung von weiterem Personal jedoch ab. Stattdessen müsse die Geno ausreichend finanziert werden, „um nicht nur die Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, sondern auch für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen“.

Kliniken in Deutschland

Bremens Krankenhäuser sind zu ungefähr einem Drittel in öffentlicher, freigemeinnütziger und privater Trägerschaft. In Hamburg sind drei Viertel in privater Trägerschaft.

Von den Krankenhausbetten sind nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Bremen 63 Prozent in öffentlicher Trägerschaft. Nur in Baden-Württemberg und Bayern sind es mehr. In Hamburg sind es 55 Prozent.

Hamburg und Bremen bekommen mit 59 und 56 Euro pro Kopf am meisten Investitionsförderung für Krankenhäuser. In Berlin sind es nur 31 Euro.

Die Geno hat nach eigenen Angaben in den Jahren vor der Coronapandemie ein immer größeres Defizit erwirtschaftet. Verzeichnete sie 2016 noch einen Überschuss von elf Millionen Euro im operativen Geschäft, wies sie 2019 ein Defizit von 28 Millionen aus. Die schwierige Lage habe viele Gründe, sagt die Senatorin. Unter anderem zeige sich darin aber, dass die Fallkostenpauschalen, nach denen bestimmte Behandlungen mit fixen Summen vergütet werden, zu niedrig angesetzt seien. Einen weiteren Erklärungsansatz nennt eine Sprecherin der Geno: „Wir haben sehr lange auf eine Steigerung der Fallzahlen gesetzt“, sagt sie. Auf diese Weise sei ein Personalüberhang entstanden.

Die Pandemie und der Trend zur ambulanten Behandlung habe sogar dazu geführt, dass der Bedarf an stationären Krankenhausplätzen abgenommen habe, sagt Senatorin Bernhard. Daran müsse sich die Geno anpassen – auch beim Personal. Dieses soll durch natürliche Fluktuation abgebaut werden. Nicht verringert werden solle jedoch das Pflegepersonal. „Mir ist wichtig, dass der Personalstock an den tatsächlichen Versorgungsbedarf angepasst wird, wo das nötig ist“, sagt Bernhard.

Nach Auskunft der Geno könnte die Ausgliederung von 450 Mitarbeitern in die Tochtergesellschaft GND fünf bis sieben Millionen Euro sparen. Heute sind dort 500 Menschen beschäftigt. Andere Möglichkeiten zu sparen bestünden darin, Dienstleistungen wie die Speiseversorgung oder das Aufbereiten von Medizinprodukten zu zentralisieren und Abteilungen zusammenzulegen, etwa die Geburtshilfe mit der Gynäkologie.

Die Betriebsräte und Gewerkschaften gehen davon aus, dass eine Ausgliederung ohnehin nichts bringen würde. Dadurch spare Bremen „keinen Cent“, sagt die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats Rita Martens. „Denn diese Entscheidung würde Folgekosten für das Land Bremen nach sich ziehen: Kol­le­g:in­nen müssten zum Überleben über das Amt aufstocken.“ Auch eine Altersarmut wäre vorgezeichnet, wenn den Leuten die Altersvorsorge für den Öffentlichen Dienst vorenthalten würde.

Heinz Lohmann, ehemals Chef des vormaligen Hamburger Landesbetriebs Krankenhäuser und heute Inhaber einer Beratungsfirma, erinnert daran, dass es sich bei den Fallkostenpauschalen um empirisch ermittelte Werte handele. Sie leiteten sich daraus ab, was von den Krankenhäusern im Schnitt für eine bestimmte Behandlung aufgewandt werde. In diesem Rahmen müsse jedes Krankenhaus Prioritäten setzen. Das heißt, was Bremen für seine Köche ausgibt, kann es nicht für IT-ler ausgeben. Lediglich die Pflege sei davon ausgenommen.

Bei den angedachten strukturellen Veränderungen sieht Lohmann Bremen auf dem richtigen Weg. Dass öffentliche Kliniken wie die der Geno einen größeren finanziellen Spielraum hätten als private, weil sie ja keine Rendite erwirtschaften müssten, sieht Lohmann hingegen nicht. „Es ist nicht so, dass die privaten Krankenhauskonzerne viel Geld rausziehen“, sagt der Berater. Vielmehr gehe es ihnen darum, ihr Anlagevermögen wertvoller zu machen. Ähnliches gelte für die öffentlichen Kliniken: Auch sie müssten Überschüsse erwirtschaften, um sich laufend modernisieren zu können.

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3 Kommentare

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  • "Da kann die Linke in Bremen beweisen....."

    Nun, die Linke wird vielfach in Deutschland abgewählt. In Bremen ist sie nur noch in der Bürgerschaft.

    Sie kann nichts mehr groß bewirken in Deutschland. Ausgliederung an Subunternehmer und Verschlechterung der Löhne für die Arbeitnehmer ist seit Jahren "völlig normal".Die FDP freut sich!!

    Die Wähler haben sich lieber für SPD, FDP und Grüne entschieden.



    Jetzt rumzujammern und nach der Linken zu rufen, ist schräg!

    • @cuba libre:

      Nach der Linken muss man in Bremen nicht rufen. Sie stellt dort, wie dem Artikel zu entnehmen ist, die Gesundheitssenatorin. Daher verstehe ich Ihren Kommentar nicht recht. Dass die Linke in letzter Zeit in anderen Bundesländern üble Wahlniederlagen erlitten hat, ist kein Argument dafür, als linke Senatorin an massiven Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen mitzuwirken.

  • Da kann die Linke in Bremen beweisen, ob sie für die Interessen von Geringverdienern, insbesondere geringverdienenden Frauen (wahrscheinlich meist mit Migrationshintergrund, wie es in dem verlinkten taz-Artikel von 2014 der Fall war), eintritt oder ob sie nur Sprechblasen absondert, von denen sie im Ernstfall nichts mehr wissen will. Die Politik einer Partei ist nicht das, was in Programmen steht, sondern das, was die Partei macht, wenn sie an der Regierung ist. Dass die Geschäftsführung sich überhaupt getraut hat, den Ausgliederungsplan vorzulegen, und keine Angst hatte, bei Frau Bernhard als Aufsichtsratsvorsitzender in Ungnade zu fallen, lässt Schlimmes befürchten.