Kooperation mit Wissenschaft in China: Ausgenutzte Demokratien
Deutsche Universitäten arbeiten eng mit Wissenschaftlern in China zusammen. Dort profitiert das Militär davon, zeigen neue Recherchen.
Am Donnerstag deckte nun China Science Investigation, eine Recherchekooperation aus elf europäischen Medien, auf, wie eng heimische Universitäten und Forschungsinstitute mit chinesischen Partnern zusammenarbeiten, die dem Militär nahestehen. Wenig überraschend zählt Deutschland zu den europäischen Ländern, die mit am stärksten mit der chinesischen Wissenschaft verknüpft sind: Mindestens 349 problematische Kooperationen in den letzten 20 Jahren zählten die Journalisten. Die Themenfelder reichen von Informatik über künstliche Intelligenz bis hin zu Werkstoffkunde. Die Recherche legt dabei auch offen, dass selbst scheinbar triviales Zusammenarbeiten moralisch ambivalente Fragestellungen aufwirft.
Gleich vorweg: Nach heimischen Gesetzen handelt es sich um mutmaßlich legale Austauschprojekte. Wissenschaftliche Kooperationen sollten natürlich nicht grundsätzlich unter Generalverdacht gestellt werden. Doch gibt es viele Gründe, die dafür sprechen, insbesondere bei China besonders strenge Kriterien anzulegen.
Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat Karl Popper die Gefahren einer offenen Gemeinschaft skizziert. Vereinfacht ausgedrückt meinte der Wiener Exilphilosoph, um die eigene Toleranz aufrechterhalten zu können, müsse man sich auch das Recht vorbehalten, Intoleranz nicht zu tolerieren. Was damals auf den Fall der Weimarer Republik und die Entwicklung hin zum „Dritten Reich“ anspielte, lässt sich auch auf den Umgang mit der Volksrepublik China unter Staatschef Xi Jinping anwenden. Der 68-Jährige hat die ideologischen Zügel in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft deutlich gestrafft: Die Medien sind längst gleichgeschaltet, die Zivilgesellschaft ist vollständig beschnitten und das Bildungssystem jeglicher Pluralität beraubt.
Kern des chinesischen Systems
Dabei nutzt die chinesische Regierung gleichzeitig stets die Offenheit demokratischer Systeme für ihre Zwecke aus. Ganz deutlich zeigt sich dies etwa bei der Meinungsfreiheit: Während Chinas Propagandamedien ihre systematischen Fake-News-Kampagnen auf westlichen Onlineplattformen wie Twitter und Youtube verbreiten, schottet Peking im Gegenzug die eigene Bevölkerung von sämtlichen kritischen Informationen aus dem Ausland ab.
Auch in der Wissenschaft gibt es ähnliche Asymmetrien, und zwar in mehrerer Hinsicht: Während nach wie vor jedes Jahr Zehntausende Chinesen an deutschen Universitäten studieren, sind derzeit – offiziell pandemiebedingt – nur eine Handvoll deutscher Studierender an chinesischen Universitäten zugelassen.
Die Kritik, die China Science Investigation aufgreift, zielt ebenfalls auf den Kern des chinesischen Systems: Im Reich der Mitte sind die Universitäten den – von der Kommunistischen Partei aufgestellten – nationalen Zielen untergeordnet. An deren oberster Stelle stehen auch die militärischen Ambitionen des Landes. Mithilfe seiner Volksbefreiungsarmee will Xi die „Modernisierung des Mutterlands“ erreichen, was unter anderem beinhaltet, die „abtrünnige Provinz“ Taiwan unter Zwang nach Festlandchina einzugliedern.
Missbräuchliche Verwendung
Dabei hilft auch die eigene Wissenschaft. Denn eines der Grundprinzipien des chinesischen Militärs ist die „Military-Civil Fusion“ (MCF). Das beinhaltet unter anderem die Aufhebung der Barrieren zu kommerzieller oder akademischer Forschung. Anders ausgedrückt: Chinas Militär kann – im Ernstfall – frei über das Wissen privatwirtschaftlicher Firmen oder auch wissenschaftlicher Institute verfügen.
Insofern sollte auch jede deutsch-chinesische Kooperation im akademischen Bereich daraufhin untersucht werden, ob die entwickelte Technologie möglicherweise vom chinesischen Militär missbräuchlich verwendet werden kann. Wenn die Möglichkeit rein hypothetisch besteht, kann das Worst-Case-Szenario nicht ausgeschlossen werden.
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