Die Wahrheit: Wissensstandort Wipperfürth
Um Nordrhein-Westfalen ranken sich zahlreiche Legenden. Zur Landtagswahl präsentiert die Wahrheit einige der unplausibelsten.
Zwischen Hünxe und Xanten passt kein Handtuch, sagt man gerne zwischen Rhein und Ruhr. Stimmt aber gar nicht, wie bei einer öffentlichen Menschenkette gegen die Aberkennung von Xanten als Stadt erlebt wurde. Da passten mindestens zwanzig Handtücher zwischen Hünxe und Xanten! Die auch fröhlich von Hand zu Hand, von Hünxe nach Xanten gereicht wurden. Mit Erfolg: Die Aberkennung der Stadtrechte der Stadt Xanten konnte so verhindert werden. Auch war das vor allem der Deutschen Liga der Stadtlandflussspieler e. V. zu verdanken. Die ihren Sitz selbstredend in Hünxe, 10 Punkte, hat.
***
Einmal begab es sich, dass in Köln jemand Radio hörte. Ein Song einer Studentenbude, nein, einer Studentenband setzte sich mit dem Wissensstandort Wipperfürth auseinander, so schien es. „Das Studium in Wipperfürth …“, hieß es nämlich im Refrain. Einige Tage später begab es sich, dass sich Abertausende Kölnerinnen und Kölner in Wipperfürth einschreiben lassen wollten. Da klärte das Radio die Leute abermals auf: Der Text zu dem Liedchen lautete „Das Studium bringt mich noch um“, so ein Sprecher. Keine folgenlose Durchsage, nebenbei bemerkt.
***
In Emmerich kippten einmal mehrere Eimer um. Das ganze Wasser floss den Rhein hinunter. Wie überhaupt sehr viel Wasser den Rhein hinunterfloss in jenen Tagen.
***
„West“ ist eine bekannte Zigarettenmarke, aber wer oder was sind „Falen“? Heute wird angenommen, dass das Wort weder auf den „Pfahl“ noch auf die einheimische Hautfarbe „fahl“ zurückgeht, sondern auf einen Satz, der dem römischen General Varus in einem germanischen Kiosk vorgelispelt wurde: „Wenn Sie das anfaffen, müffen sie das auch befahlen“, wobei nur die beiden letzten Silben „fah-len“ betont wurden. Ähnlich wie in jedem Song von Sting. Verunsichert, ob er das Magazin Wild und Hund, dessen erste bis hundertvierzigste Ausgabe noch in Sandstein geritzt wurde, wirklich erwerben wollte, verabschiedete sich Varus aus „Hildegund’s Schriftzeichen-Höhle“ und verkroch sich im Teutoburger Wald. Dort lief es dann auch nicht viel besser.
***
Münster existiert nur, weil es den Bullenball (früher: „Bully’s Supersause) gibt. Zu diesem Event strömen die Lendenfrüchte der Landwirte in jedem Herbst, damit die Jungbauern und -bäuerinnen bei dieser Trinkveranstaltung jemanden finden, der mit ihnen fortan den Hof betreibt, ohne schon vorher in allzu nahem verwandtschaflichen Verhältnis zu stehen. Als Lockstoffe gelten T-Shirts, auf denen die Eckdaten des neuen Mähdreschers aufgelistet sind, aber auch eine einfache Frage wie: „Wie viel Hektar haste denn insgesamt?“ kann das Eis schnell brechen. Es ist nicht ganz wie bei „Bridgerton“, aber auch nicht fast.
***
Köln-Klettenberg ist seit Jahrzehnten komplett zugeparkt, nicht durch Anwohner, sondern durch Anleger. Ein Insider sagt: „Eine der interessantesten Anlage- bzw. Abstellregionen in Deutschland.“ In Zeiten von Negativzinsen und Börsenturbulenzen sind Oldtimer, vor mindestens 30 Jahren angemeldete Fahrzeuge, eine Top-Option mit immensem Wertzuwachs. In der Regel werden Oldtimer direkt nach dem Kauf abgestellt, um den Kilometerstand und damit den Wiederverkaufswert niedrig zu halten. In Köln-Klettenberg finden die Fahrzeuge ihr Paradies. Hier wird praktisch kein Auto mehr bewegt. Anwohner und andere Parkplatzsuchende weichen entnervt auf angrenzende Stadtteile aus. Klettenberg hat darum beantragt, „CO2-freier Stadtteil“ auf die Ortseingangsschilder schreiben zu dürfen.
***
Kürzlich wurde Reinhold Messner gefragt, ob der Schneemensch im Himalaja denn wirklich existiere. Der schon leicht angetrunkene Bergsteiger verriet: „Der Yeti lebt – im Weserbergland!“ Der Tourismus in Tibet sei der Grund für den Ortswechsel gewesen. Messner selber habe dem legendären Schneemenschen geholfen, aus den tourismusgeschädigten „wilden Regionen Tibets“ zu entkommen. Zitat Messner: „Es gibt nur einen Lebensraum, in dem diese besonderen Menschen heute noch existieren können. Im Wesergebirge rund um die Porta Westfalica.“ Die meisten lebten Richtung Lübbecke, beiderseits des Wiehengebirges. Er selber habe das Propellerflugzeug gesteuert, mit dem er die Yetis bei Nacht und Nebel auf dem Flughafen Vennebeck, nah beim Autobahndreieck Bad Oeynhausen abgesetzt habe. Die schweigsamen und stark behaarten Yetis unterschieden sich im Wesen und äußerlich kaum von der Urbevölkerung und hätten sich schnell im Weserbergland integrieren können.
***
Als der Papst einmal nach Wuppertal kam, fühlte er sich nackt. Er war seines Unterkleides bei der Anreise verlustig gegangen. Mit dem Segen der Mutter Gottes hieß er seinen Chauffeur eine Hundekottüte aus einem Spender im Stadtteil Elberfeld ziehen. Damit bedeckte der Papst sein zierliches Gemächt. Als das Papamobil schließlich durch den Stadtteil Vohwinkel direkt unter der Schwebebahn fuhr, erinnerte sich der Papst an die Herrenboutique von Erwin Lindemann. Einst als junger Theologiestudent war er dort sehr zuvorkommend bedient worden. Und tatsächlich, da stand ja Erwin Lindemann. Ergeben reichte er dem Papst ein Unterkleid.
***
Immer wieder sorgt die Bezeichnung der NRW-Region „Ostwestfalen“ zwischen Herford und Höxter für Verwirrung, dabei ist die Erklärung denkbar einfach. Wegen magnetischer und paranormaler Phänomene im Hauptkamm des Teutoburger Waldes funktionieren Kompasse in dem 1975 entdeckten Landstrich nur unzuverlässig. Ebenfalls betroffen sind Rechtschreibung und Kochkunst. Himmelsrichtungen können in OWL nur sehr grob in „Ostwest“ und „Südnord“ unterschieden werden, Wochentage und Würste überhaupt nicht. Für moderne Navigationssysteme besteht die Einschränkung allerdings nicht, deren Richtungsempfehlung lautet „Bitte wenden!“, sobald man die Region erreicht.
***
Der Bergbau im Ruhrgebiet hat viele offene Schächte und Stollen hinterlassen, die teilweise mitten in den Stadtgebieten der dicht besiedelten Region liegen. So kann man von einer öffentlichen Toilette (zweite. Kabine links, Damen) in Essen-Kray durch einen aufgelassenen Versorgungsgang der stillgelegten Zeche „Humpapa“ direkt in den Tresorraum der Sparkasse der Nachbargemeinde gelangen. Allerdings wird in Wattenscheid seit den späten achtziger Jahren keine Kohle mehr abgehoben.
***
An den Landesgrenzen von NRW kommt es immer wieder zu unerklärlichen Phänomenen. Kein Mensch weiß, warum. Nächstes Thema.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Habeck hat Bock
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Elon Musk, Jeff Bezos & Co.
Trump-Wahl macht reichste Menschen noch reicher