schlechtes vorbild: Niedersachsen: Ein neues Gesetz könnte das Kreißsaalsterben vorantreiben
Um die klinische Geburtshilfe steht es schlecht landauf, landab. Zu wenig Hebammen, zu schlechte Vergütung von Normalgeburten, weswegen Kliniken ihre Geburtshilfestationen schließen.
In Niedersachsen könnte jetzt ein neues Gesetz das Kreißsaalsterben beschleunigen. Das befürchtet ein vom Hebammenverband Niedersachsen koordiniertes Aktionsbündnis für eine wohnortnahe Geburtshilfe. In einer am Dienstag gestarteten Onlinepetition, die am Donnerstagnachmittag knapp 5.000 Menschen unterschrieben hatten, warnt das Bündnis davor, dass die geplante Neufassung des niedersächsischen Krankenhausgesetzes die Anfahrtswege für Gebärende noch weiter verlängern wird – mit Folgen für die Sicherheit von Mutter und Kind.
Bereits jetzt liegen die Fahrzeiten in einigen Regionen bei 45 Minuten und mehr – je nachdem, welche Klinik überhaupt Schwangere annimmt. Denn wenn Kreißsäle dichtgemacht werden – häufig von heute auf morgen –, muss das von anderen Kliniken aufgefangen werden. Egal, ob Räume und Personal dafür zur Verfügung stehen.
„Überlastetes Personal in überfüllten Kreißsälen kann sich nur unzureichend um die Mütter und ihre Babys kümmern“, heißt es in der Petition. Deshalb müsse das neue Krankenhausgesetz die Geburtshilfe als Angebot der Grundversorgung definieren, fordern die Petent:innen. Auf diese Weise dürfte die Anfahrt nicht länger als 30 Minuten dauern. Das Gesetz aber sehe vor, Geburtshilfe als Fachabteilung einzustufen – damit wären 45 Minuten erlaubt.
An dieser Stelle wird es kniffelig. Denn das Gesetz legt nicht fest, welche medizinischen Leistungen zur Grundversorgung zählen und welche nicht, sondern nur, dass es zukünftig drei Versorgungsstufen geben soll: Kliniken der Maximalversorgung, der Grundversorgung und der Schwerpunktversorgung. Erst eine eigene Verordnung würde festlegen, welche medizinischen Angebote zu welcher Versorgungsstufe zählen würden, erklärt Oliver Grimm, Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. „Das ist alles im parlamentarischen Prozess und wird diskutiert.“
Allerdings machte Grimm auch klar, dass es aus Sicht des Ministeriums keinen Sinn ergibt, Geburtshilfe der Grundversorgung zuzurechnen. „Dann müsste nämlich jedes Krankenhaus das anbieten – auch die, die derzeit gar keine Geburtshilfe haben.“ Um diese überall – wieder – aufzubauen, fehle aber das Personal. Grimm sagt, dass das Gesetz sogar positive Folgen für die geburtshilfliche Versorgung habe: Weil nämlich Niedersachsen laut Gesetzentwurf in acht Versorgungsbereiche eingeteilt werden solle, in denen es jeweils mindestens eine Klinik mit Geburtshilfe geben soll. Wie groß diese Bereiche sein werden, sei ebenfalls Gegenstand der parlamentarischen Beratungen.
Für Veronika Bujny, die Vorsitzende des Niedersächsischen Hebammenverbands, ist diese Argumentation Augenwischerei. „Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise die innere Medizin zur Grundversorgung zählt – aber Geburtshilfe nicht!“ Denn das Besondere an Geburten sei eben, dass sie im Gegensatz zu Operationen nicht planbar seien. Eiken Bruhn
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