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Gärtnern und GeschlechtDie Vergewaltigung einer Hecke

Die Kolumnistin freut sich, über Buchsbäume zu recherchieren. Und liest das Buch eines Autoren, den das Heckentrimmen an eine Sexualstraftat erinnert.

Keine Vergewaltigung: Gärtner bearbeiten Buchsbaumhecken im Barockgarten des Gottorfer Schlosses Foto: Markus Scholz/dpa

N icht alle Kun­d:in­nen meiner Friseurin sind so genügsam wie ich. Ich bin froh, wenn ich nicht lange still halten muss und Jessi den Föhn stecken lässt. Ansonsten vertraue ich ihrem Urteil. Wenn sie sagt: „Fertig, gut so“, nicke ich und bin zufrieden. Andere hingegen beschweren sich gelegentlich, wenn Jessi aus ihren wenigen feinen Haaren keine Löwenmähne gezaubert hat.

Was sie aber nicht machen können: Jessi vorwerfen, sie hätte ihre Haare raspelkurz geschnitten, wenn sie tatsächlich 30 Zentimeter lang sind. Denn ein Blick in den Spiegel wird das Gegenteil beweisen und sollten sie trotzdem dabei bleiben, müssen sie damit rechnen, dass Jessi widerspricht und die Kundinnen links und rechts von ihr auch.

In meinem Beruf ist das anders. Es gibt tolle Leser:innen, die mit sachlicher Kritik Denkanstöße geben oder auf Fehler hinweisen. Und es gibt solche, die den Namen nicht verdient haben, weil sie die Artikel, die sie im Internet kommentieren, nicht lesen. Sondern nur die Überschrift oder den Text der eingeblendeten Werbetafel für kompostierbare Fahrradhelme.

Jedenfalls klingen manche Kommentare danach, als würden sie, um im Bild zu bleiben, über die Frisur einer Passantin vor dem Ladenfenster reden oder über deren Pinscher. Oder lesen diese Text-Be­nut­ze­r:in­nen Artikel, aber verstehen sie nicht? Sollten wir das Leseverständnis fördernde Fragen dazu stellen und die Antworten gleich mit?

Aber ich will mich nicht weiter beklagen, dazu liebe ich meinen Beruf und die Freiheiten, die er mir gibt, viel zu sehr. Ich darf mich zum Beispiel eine halbe Woche mit Buchsbaumhecken in historischen Barockgärten beschäftigen, einfach so. Bis Anfang April hatte ich auch nicht gewusst, wie interessant dieses Thema ist beziehungsweise, dass es ein Thema ist.

Banale Ratschläge und Bildungshuberei

Noch besser: Vom Hölzchen kommt man ja bekanntermaßen aufs Stöckchen, erst recht bei Buchsbäumen, deren Samen übrigens von Ameisen verbreitet werden. Ich begann nach Antworten auf die Frage zu suchen, was überhaupt Gärten sind, worin ihre Funktion besteht und ob und wie diese sich im Lauf der Jahrtausende gewandelt hat. Weil es mir Spaß macht. Dabei stieß ich auf ein Buch, das zunächst danach klang, als würde es meine Fragen beantworten können und als wäre der Autor – ein Professor für Alte Geschichte – ein geeigneter Interviewpartner.

Um es kurz zu machen: Ich habe mich durch banale Ratschläge („Pflanzt Forsythien!“) und Bildungshuberei („Ich habe in Oxford studiert!“) gequält und es zur Seite gelegt. Das macht nichts. Niemand ist perfekt und nicht alle haben etwas Erhellendes über das Gärtnern und seine Geschichte mitzuteilen und werden trotzdem ihre Le­se­r:in­nen finden, so wie diese Kolumne oder die Besinnungsaufsätze des Zeit-Chefredakteurs.

Aber spätestens dem Lektor des liebevoll gestalteten Büchleins hätte auffallen sollen, dass das Trimmen einer Hecke nichts mit einer Sexualstraftat zu tun hat und die vom Autor benutzte Formulierung „Vergewaltigung der Natur“ darauf schließen lässt, dass er sich diese als vermutlich weibliches, in jedem Fall passives Wesen vorstellt, das nur für ausgewählte Gärtner freiwillig die Beine breit macht.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.
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1 Kommentar

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  • Nun, man kann geteilter Meinung sein, ob man das Trimmen von Hecken grundsätzlich für einen drastischen Ein- bzw. Übergriff hält. Kommt man jedoch zu einem solchen Schluss, so ist es durchaus schlüssig, es mit einer drastischen Metapher zu umschreiben, um die eigene Meinung, es handle sich um eine drastische Sache, verständlich zu machen. Jegliche Form von Gewalt-Metaphorik transportiert eine gewisse Hässlichkeit. Das kann in manchen Kontexten unangemessen sein, aber sofern man genau eine solche Hässlichkeit tatsächlich ausdrücken will, ist eine Gewalt-Metapher genau das richtige Stilmittel.