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Neues Klimaziel in SchwedenKeine „grauen“ Emissionen

Alle Parteien wollen ihr Klimaziel um die „grauen“ Emissionen erweitern. Sie entstehen durch den Konsum von im Ausland hergestellten Gütern.

Konsumieren gilt in Schweden künftig als negativer Klimaabdruck Foto: dpa

Stockholm taz | Von einem „historischen Schritt“ spricht die schwedische Naturschutzvereinigung. „Wir gratulieren Schweden“, twitterte die norwegische Umweltorganisation Framtiden i våre hender (Die Zukunft liegt in unserer Hand). Das Lob gilt neuen Klimazielen, auf die sich nach zweijährigen Verhandlungen jetzt alle schwedischen Reichstagsparteien von den Schwedendemokraten bis zur Linkspartei geeinigt haben.

Am vergangenen Donnerstag wurde der 860 Seiten umfassende Plan dazu, wie das Land seinen globalen Klimafußabdruck vermindern will, von Umweltministerin Annika Strandhäll als „bislang weltweit einmalig“ präsentiert.

Was daran ist neu? Derzeit ist die Berechnung der Treibhausgasemissionen einzelner Länder nach dem Territorialprinzip üblich. Auch Deutschland macht das so. In diesen Statistiken fallen aber die „grauen“ Emissionen unter den Tisch, die durch den Konsum von im Ausland hergestellten Gütern entstanden sind. Es gibt deshalb schon lange die Forderung, die Treibhausgasemissionen nach dem Konsumprinzip zu berechnen.

Das will Schweden nun machen. Hatte man in Stockholm schon im Klimagesetz von 2017 gesetzlich festgelegt, bis spätestens 2045 die nach dem Territorialprinzip ermittelten Treibhausgasemisssionen auf „netto null“ zu mindern, soll dieses Ziel nun für alle gelten, die die SchwedInnen insgesamt durch ihren Konsum verursachen, also auch die durch den Import von Waren und Dienstleistungen oder durch internationale Flugreisen. Ob man CO2-Emissionen nach dem Territorial- oder Konsumprinzip berechnet, kann einen gewaltigen Unterschied machen.

Auch Thailand-Reise wird erfasst

Im Falle Schwedens entfielen 2019 pro Kopf der Bevölkerung 9 Tonnen CO2-Äquivalente auf den Konsum, 63 Prozent davon auf den Konsum im Ausland hergestellter Güter. So belasten die Auslandsflugreisen der SchwedInnen das Klima genauso stark wie der CO2-Ausstoß des gesamten einheimischen Straßenverkehrs. Doch die Klimabilanz erfasst nur den sonntäglichen Ausflug mit dem Auto, nicht aber die Flugreise nach Thailand. Das will man ändern.

Umstritten bei dem ganzen Paket ist eine „Gegenrechnung“, die die Parteien des rechten politischen Spektrums zur Bedingung ihrer Zustimmung gemacht hatten. Schwedens Klimabilanz soll nicht nur aufgrund der Konsumperspektive belastet, sondern auch über den „internationalen Klimanutzen, der über nachgewiesene Emissionsminderungen durch Investitionen im Ausland oder Klimavorteile durch Exporte erzeugt wird“, entlastet werden.

Schweden – ein Vorbild?

Wenn also demnächst mit „grünem“ Wasserstoff hergestellter schwedischer Stahl, der „klimafreundlicher“ produziert wird als chinesischer, globale Marktanteile erobert, soll sich das Land das statistisch gutschreiben können. Dies führen Kritiker der Methoden auch in der deutschen Diskussion dazu an: Als Exportnation könnten die hierzulande für das Ausland produzierten Maschinen oder Autos von den Emissionen abgezogen werden.

„Es besteht da ein enormes Risiko, dass mit Zahlen getrickst wird“, befürchtet Kristina Östman von der Naturskyddsföreningen: „Den Klimafußabdruck des Konsums, der ja messbar ist, mit dem Klimanutzen durch Exporte zu vergleichen, was weithin auf bloßen Annahmen beruht, ist so, als wolle man Äpfel mit Birnen vergleichen.“

Insgesamt hofft aber auch sie, dass Schweden eine Vorbildrolle spielen wird, „der hoffentlich bald ganz viele andere Länder folgen“: „Denn natürlich ist es unumgänglich, dass wir alle die Verantwortung über unsere gesamte Klimabelastung übernehmen.“

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9 Kommentare

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  • ... und deutsche Unternehmen drohen immer wieder mit der Abwanderung von Produktionsstätten in Länder, denen der Umweltschutz - dank niedriger oder keiner Auflagen - am ... vorbeigehen.



    Soviel zur "Verinnerlichung" von Umweltschutzgedanken.

  • @SOLLNDAS

    Volltreffer, danke :-)

  • Jetzt hat der IPCC noch einmal drastisch dargestellt, wie klein der Spielraum zum Überleben unserer Spezies geworden ist und das durch unser Zutun und die mangelnde Bereitschaft zu einschneidenden Massnahmen schon jetzt unkontrollierbare Katastrophen hervorruft wie die Waldbrände in den von Putin kontrollierten Teil der Permafrostzone, in den Überschwemmungen in Australien, im Ahrtal und und und... Wir bilden uns gerade 'im Westen' ein, Probleme frei lösen zu können und eine freie Wissenschaft weist uns auf die Auswirkungen unseres ach so freien Lotterlebens hin. Und trotzdem wählen wir stinkende Fischköpfe als Alibi, die alles verharmlosen. Sie tun das unter Verweis auf eine Abhängigkeit, in die uns ein auf Profit angelegtes Wirtschaftssystem gebracht hat. Da geht es um Arbeit und Existenzen und die Versorgung und Mobilität, die den Einzelnen unmündig werden lässt.Kinder wachsen da hinein und kennen keinen Schuster mehr, keinen Fleischermeister oder Milchmann, der vom Bauern direkt versorgt wird. Wenn jetzt in Schweden diese überregionalen Abhängigkeiten und ihre Auswirkungen auf das Klima in Frage gestellt werden, ist das ein erster Schritt zu einer Rückbesinnung. Wenn es so klimschädlich ist, müssen Lebensmittel nicht um den halben Erdball gekarrt werden, aber: Wir müssen auch nicht -sehenden Auges, die anspruchsvollen TV-Programme sind ja da- nur um mehr Sonne zu haben, in ferne Erdteile fliegen oder auf hoher See dumme Unterhaltungsprogramme über uns ergehen lassen. Mein Vorschlag: Beginnen wir damit, die grossen Gasverheizer der Industrie abzustellen und versuchen, ohne die Segnungen der Globalisten auszukommen, gerne auch Grenzen zu schließen, die die Arbeitsplätze nach China verlagern liessen und werden wir mündige und selbstbestimmte Verbraucher. Holen wir uns die Arbeit zurück, die aus Profitgründen durch Automaten und Roboter ersetzt wurden. Es gibt viel mehr zu tun, als es und die so abhängig machenden Handelsketten so erlauben wollen. LOKAL !

  • @FLY

    Weil das kreative Buchhaltung vom Feinsten ist. Weil das das Verbuchen einer nicht- (genauer: minder-) Ausgabe als Einnahme ist.

    Was anderes wäre, wenn z.B. Schweden Massnahmen im Ausland finanzierte, die im Ausland CO₂ aus der Atmosphäre binden (z.B. Baumpflanzungen). Die werden allerdings schon jetzt üppig gegengerechnet (und mit entsprechendem Werbe-Tätärää beschrien).

    • @tomás zerolo:

      Jetzt aber mal eine Frage: warum setzen Sie eigentlich Ihre Erwiderungen niemals direkt unter die entsprechenden Kommentare - wo liegt dabei der Vorteil?

      • @Waage69:

        Ich vermute, weil dazu die Aktivierung von JavaScript erforderlich wäre. Welch letzteres das WWW zum "Internet of Shit" gemacht hat.



        Ich deaktiviere es auch gleich wieder :-)

        • @sollndas:

          hm, ok. Dann muss ich mir das auch mal überlegen mit dem Abschalten von diesem JavaScript.

  • So ganz erschließt sich mir das nicht.

    Ok, man berechnet den Klimafußabdruck des Konsums ein. Verstehe ich.

    Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Deutschland als Exportweltmeister alle die Emissionen rausrechnen kann, die bei der Produktion der Güter für andere Länder anfallen? Weil das ja Dinge sind, die Menschen in anderen Ländern nachfragen/konsumieren.

    Ansonsten wäre das unlogisch, dass ALLE Treibhausgasemissionen Deutschland zugerechnet werden - sowohl die Emissionen, die hier anfallen (Territorialprinzip) als auch die durch den Konsum von im Ausland hergestellten Gütern entstehen (Konsumprinzip).

    Das geht nicht auf, wenn das alle Länder so handhaben und berechnen.

  • „Den Klimafußabdruck des Konsums, der ja messbar ist, mit dem Klimanutzen durch Exporte zu vergleichen, was weithin auf bloßen Annahmen beruht, ist so, als wolle man Äpfel mit Birnen vergleichen.“

    ??

    In dem schwedischen Modell geht es um den importierten Konsum, also den Export von Gütern aus anderen Ländern.



    Warum kann man den nicht mit den eigenen Exporten vergleichen?

    Wieso wurde der Flug nach Thailand bisher nicht berücksichtigt? Wo wurde er berücksichtigt? Zählen für das eigene Land nur Inlandsflüge? Sind sonstige Flüge exterretorial?

    Fragen über Fragen zu den Berechnungen und Anrechnungen.

    Wieso können zB CO2 Emissionszertifikate die Shell erwirbt, einmal für Shell angerechnet werden, aber auch noch mal für Peru als Land, weil dort der Urwald erhalten bleibt?