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Produktionsstart bei TeslaViel zu schnell

In Grünheide rollen die ersten Autos aus dem Werk. Möglich ist das nur, weil Brandenburg den Autobauer Tesla erschreckend flott durchgewinkt hat.

Tesla-Chef Elon Musk lässt die ersten Teslas in Grünheide rollen Foto: Patrick Pleul/Reuters

Grünheide taz | Am Dienstag hat die Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin, begleitet von einer großen Show, aber auch von Protesten von Um­welt­schüt­ze­r:in­nen, die ersten 30 E-Autos ausgeliefert – Unternehmensgründer Elon Musk wollte das persönlich übernehmen. Er hat im November 2019 den Bau der Fabrik bei einer Gala in Berlin angekündigt. In­dus­trie­ver­tre­te­r:in­nen und Po­li­ti­ke­r:in­nen feiern jetzt, wie enorm schnell das Werk in Grünheide hochgezogen wurde.

„Tesla-Geschwindigkeit“ ist das Schlagwort, mit dem etwa der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck dafür wirbt, das Projekt zum Maßstab zu machen für vergleichbare Vorhaben. Nein, bitte nicht! Die Art und Weise, wie die Brandenburger Landes- und auch die alte und neue Bundesregierung der Fabrik brachial den Weg gebahnt haben, ist das Gegenteil von vorbildlich.

Dass Minister Elon Musk devot hofierten, ist noch das kleinste Übel. Tesla konnte die Fabrik so zügig errichten, weil die Landesregierung dem Unternehmen vorab das Signal gegeben hat, dass der Bau auf jeden Fall genehmigt wird. Um das rechtlich abzusichern, erteilten die Behörden unzählige vorläufige Genehmigungen. Die Ergebnisse von Prüfungen, etwa hinsichtlich der Umweltverträglichkeit, standen offenbar schon vorher fest.

Die Landesregierung wollte die Fabrik um jeden Preis – ob der zu hoch ist, wird sich erst in einigen Jahren herausstellen, etwa wenn es Probleme mit der Trinkwasserversorgung in der Region gibt. Dass Ma­na­ge­r:in­nen anderer Unternehmen auch so eine Vorzugsbehandlung von Behörden und Regierungen bei Ansiedlungen verlangen, ist wenig überraschend.

Wenn das Geschehen rund um den Bau der Tesla-Fabrik zum neuen Standard wird, dann werden Umwelt- und Sicherheitsprüfungen zur Farce. Dabei ist angesichts der Klimakrise genaueres Hinsehen der Behörden nötig, nicht Wegschauen.

Statt sich für die Interessen des Autobauers einspannen zu lassen, wäre für Po­li­ti­ke­r:in­nen mehr Distanz zu Tesla angebracht. Der US-Autobauer ist alles andere als ein vorbildliches Unternehmen. Die Firma hat ein gestörtes Verhältnis zu Gewerkschaften und freier Presse. Um einen geschmeidigen Betriebsrat zu bekommen, hat Tesla die Arbeitnehmervertretung bereits wählen lassen, als nur ein kleiner Teil der Belegschaft an Bord war. Öffentliche Kritik will sich Elon Musks Unternehmen vom Hals halten. Presseanfragen beantwortet Tesla nur sporadisch. Zu Presseterminen werden manche kritische Medien gar nicht erst zugelassen.

Unter dem Gesichtspunkt Arbeitsplätze scheint die Tesla-Fabrik für die Wirtschaft Brandenburgs und angrenzender Bundesländer eine gute Sache zu sein. Perspektivisch sollen hier 12.000 Beschäftigte arbeiten, die eine halbe Million E-Autos jährlich produzieren. Zulieferfirmen werden sich ansiedeln, der Osten entwickelt sich zu einem Zentrum der deutschen E-Mobilität.

Aber: Ist es wirklich eine gute Idee, ohne Wenn und Aber auf diese Branche zu setzen? Leuchtet da nicht die nächste Strukturwandelkrise am Horizont auf? Auch wenn E-Autos unter Klimagesichtspunkten nicht ganz so schlimm sind wie Verbrenner, die Welt braucht weniger Fahrzeuge und nicht mehr.

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8 Kommentare

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  • "Möglich ist das nur, weil Brandenburg den Autobauer Tesla erschreckend flott durchgewinkt hat."

    Ja da muss erst ein Ami bzw. Südafrikaner kommen, der uns zeigt, wie man Projekte anpackt. Chinesen können das auch.



    Wer es nicht kann sind die Deutschen - siehe BER.

    Wir stolpern doch dauernd über unsere eigenen Gesetze und v.a. der immensen Bürokratie.



    Damit will ich nichts gegen den Naturschutz sagen. Dann bitte aber die Zeit für die Genehmigungs-verfahren drastisch reduzieren - Leute dafür einstellen!!!

  • Wenn wir realistisch bleiben, geht Klima- und Umweltschutz nur MIT der Industrie, nicht OHNE.



    Wir sind eine Gesellschaft, in der die überwiegende Mehrzahl einen gewissen Komfort und Lebensstandard möchte, und das Geld dafür muss irgendwoher kommen. Klar wäre es ganz ohne motorisierten Individualverkehr besser, aber das ist nicht realistisch in einer Zeit umsetzbar, die uns noch bleibt, bevor 1,5 oder 2 Grad unwiderruflich dahin sind. Also geht es nur dadurch, dass wir so schnell wie möglich von der fossilen Wirtschaft wegkommen, ohne dass wir zurück auf die Bäume müssen. Und solche Firmen wie Tesla sind hier Vorreiter. Sie bauen momentan die energieeffizientesten PKWs auf dem Markt, die eine Familienauto mit Verbrennungsmotor komplett ersetzen können. Darum ist es auch richtig, solche Projekte bevorzugt zu behandeln. Die allermeisten von den Gegnern gegen Giga Grünheide vorgebrachten Argumente waren rein "optischer" Umweltschutz, wir müssen aber in größeren Zusammenhängen denken, sonst hat kein Windrad und kein Solarkraftwerk eine Chance. Die Wasserproblematik ist zwar schon real vorhanden, aber auch lösbar.



    Es ist daher keineswegs "zu schnell" gegangen, sondern das Umdenken in Industrie, Politik und Gesellschaft geht zu langsam.

  • Im Gegenteil, wir brauchen klimafreundlichere Technologien viel schneller, wenn wir den Planeten retten wollen. Diese Schnelligkeit ist zum Beispiel auch notwendig, wenn es darum geht, neue Bahnstrecken, Windkraftanlagen etc. zu bauen. Die langwierigen Genehmigungsverfahren bei denen jeder Hanswurst mitreden darf und kleinräumiger Naturschutz über der Rettung des Klimas steht, verhindern den technischen Klimaschutz. Und das Klima retten wir nicht, in dem wir Freitags auf die Straße gehen und uns über Dreadlocks streiten.

  • " Um einen geschmeidigen Betriebsrat zu bekommen, hat Tesla die Arbeitnehmervertretung bereits wählen lassen, als nur ein kleiner Teil der Belegschaft an Bord war."

    Der Betriebsrat wird gewählt, wenn es die Arbeitnehmer wollen. Das ist ab 5 AN möglich. Was hätte Tesla tun sollen? Die Wahl verhindern?

    Ganz nebenbei muss eh neu gewählt werden, wenn sich die Belegschaft innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach der Wahl um die Hälfte vergrößert hat.

  • "Tesla konnte die Fabrik so zügig errichten, weil die Landesregierung dem Unternehmen vorab das Signal gegeben hat, dass der Bau auf jeden Fall genehmigt wird. Um das rechtlich abzusichern, erteilten die Behörden unzählige vorläufige Genehmigungen. Die Ergebnisse von Prüfungen, etwa hinsichtlich der Umweltverträglichkeit, standen offenbar schon vorher fest."

    Gibt es dafür auch einen Beweis?

    • @Strolch:

      Natürlich standen die Ergebnisse schon fest - weil das schon vor Jahren für BMW geprüft wurde.

      Das hat natürlich den Prozess beschleunigt und das Risiko kalkulierbar gehalten, da große Überraschungen dort nicht zu erwarten waren.

      Tesla arbeitet mit Hochdruck daran seine ganze bisher produzierte Fahrzeugflotte zu RobotTaxies zu verwandeln. Es ist der einzige Autobauer dessen Autos dies verausichtlich in naher Zukunft ermöglichen.

    • @Strolch:

      Für den hemdsärmeligen Umgang mit der Frage schon: "Laschet hatte am Freitag mit dem Firmenchef die Tesla-Baustelle besucht. Kritiker befürchten negative Folgen durch die Fabrik für die Umwelt und haben mehrfach gegen Vorab-Teilgenehmigungen geklagt. Die Wassertafel Berlin-Brandenburg ist der Ansicht, dass die Ansiedlung das Trinkwasser und die natürlichen Ressourcen gefährdet.

      Musk wies das zurück. "Diese Region hat so viel Wasser. Sehen Sie sich um!", sagte er lachend auf eine Frage in Grünheide. "Es ist hier überall Wasser. (...) Es regnet viel." Laschet [nicht Habeck] lachte dabei mit."

      www.rbb24.de/studi...lachen-kritik.html

  • Das Teslawerk wurde ja nicht in ein Naturschutzgebiet hineingebaut und auch nicht - wie Elon Musk richtig bemerkte - in eine Wüste. Wo also ist das Problem, wenn in Deutschland etwas mal wesentlich schneller geht, als man das gewohnt ist?



    Die Forderung nach "weniger Fahrzeugen" wird jedoch nur dann funktionieren, wenn die Einwohnerzahl abnimmt. Im Moment ist das noch nicht so richtig in Sicht.