piwik no script img

Landtagswahl im SaarlandHauptsach gudd gewählt

Am Sonntag wird im Saarland gewählt. Bitte, wo? Wir stellen Ihnen das kleinste Flächenland und seine schrulligen Stammesfürsten vor.

Anke Rehlinger, SPD, bis Sonntag nur die stellvertretende Ministerpräsidentin des Saarlands Foto: Oliver Dietze/dpa

Das Saarland wählt am Sonntag. Warum soll mich das interessieren?

Im Saarland leben zwar weniger Menschen als in Köln. Trotzdem sind die immens wichtig. Nicht nur, weil sie über der Republik so viele musikalische Sternchen erstrahlen ließen: Nicole, Cindy & Bert und Frank Farian – sie alle nahmen hier ihren künstlerischen Anfang. Aber das Saarland hat auch einige Politikstars hervorgebracht: Erich Honecker, Heiko Maas, Peter Altmaier, Annegret Kramp-Karrenbauer und natürlich Oskar Lafontaine.

Am Sonntag läuft im kleinsten Flächenland der erste Stresstest für den neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz und für SPD-Kanzler Olaf Scholz. Wessen Partei gewinnt, kann erst einmal durchatmen. Wer verliert, muss vor den nächsten drei, noch wichtigeren Landtagswahlen gegen Widerstand ankämpfen.

Und was ist dort eigentlich mit den Grünen los?

Es ist kompliziert, aber das Problem hat einen Namen: Hubert Ulrich. Jahrzehntelang hielt der inzwischen 64-Jährige als ewiger Vorsitzender seine Partei in Geiselhaft. Er kaufte Dienstautos günstig, um sie später zu einem „gudden Preis“ zu verscherbeln. 2009 rang er der grünen Basis das Bündnis mit CDU und FDP ab. Es folgten Skandale und Skandälchen. „Saarmaika“ hielt nur drei Jahre.

Doch Ulrich bewies Stehvermögen. Vor der Landtagswahl 2017 verdrängte er die grünen Frauen, denen Platz eins auf der Landesliste zugestanden hätte. Mit ihm als Spitzenkandidat flog die Partei dann aus dem Landtag. Ulrich reichte diese Klatsche immer noch nicht, er wollte in den Bundestag. Nach dem finalen Machtkampf um die Listenplätze gab es im Saarland dann nicht einmal eine rechtsgültige Liste. Die Grünen standen bei der vergangenen Bundestagswahl nicht mal auf den Stimmzetteln.

Ob jetzt alles besser wird? Bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag treten nun vor allem grüne Nachwuchskräfte an. Sie haben sich im Machtkampf mit Ulrich bewährt. Umfragen sehen sie bei wackeligen 5 Prozent. Und dann ist da auch noch das neue Bündnis Bunt.Saar, das enttäuschte WählerInnen von Grünen und Linken einsammeln will. Immerhin hat die Grüne Spitzenkandidatin Lisa Becker versprochen: „Mit mir kommt Hubert Ulrich nicht zurück!“

Apropos Männer mit großen Egos: Der Linken geht es auch nicht gut, sie liegt bei Umfragen bei 5 Prozent. Wird Oskar Lafontaines Parteiaustritt sie weiter schwächen?

Ohne „Oskar“ müssen die Linken zittern. Sein Stern ist zwar inzwischen verblasst. Trotzdem bleibt er der bekannteste und mutmaßlich populärste Politiker im kleinen Bundesland. Die Linken-Spitzenkandidatin Barbara Spaniol hat dann auch Loblieder auf den Abtrünnigen gesungen. Sie versucht sich in Schadensbegrenzung. Wer im „Reich“, so nennen die alten SaarländerInnen immer noch den Rest Deutschlands östlich der Landesgrenze, was zu sagen hatte, der macht die Menschen hier ziemlich stolz. Im saarländischen Landtag haben sie „Oskar“ mit stehenden Ovationen verabschiedet, ziemlich parteiübergreifend.

Ministerpräsident im Saarland ist Tobias Hans, der mit dem peinlichen Selfie-Video vor einer Tankstelle. Muss ich mich weiter mit ihm befassen?

Tobias Hans, CDU, bis Sonntag Ministerpräsident des Saarlands Foto: imago

Eher nicht. Die Wetten für ihn stehen schlecht. Seine CDU liegt in den Umfragen bei rund 30 Prozent und damit etwa 10 Prozentpunkte hinter der SPD. Hans hat noch keine Wahl gewonnen, er wurde von Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachfolger durchgesetzt. Sollte er abgewählt werden, wird es wohl einsam um ihn. Auch die Rolle als Juniorpartner in einer von der SPD geführten Großen Koalition wäre nicht vergnügungssteuerpflichtig. Immerhin: Als Minister müsste Hans sich weiterhin keine Sorgen um die hohen Spritpreise machen. Und selbst einem Oppositionsführer steht im Saarland ein Dienstwagen nebst Tankkarte zu.

Wer ist diese SPD-Frau, die nach allen Prognosen die künftige Ministerpräsidentin sein wird?

Anke Rehlinger, 45, ist nicht dafür bekannt, eine ruhige Kugel zu schieben. Parallel zum Studium der Rechtswissenschaft trainierte sie hart: Vom Fünfkampf wechselte sie zu den Wurfdisziplinen. Beim Kugelstoßen erzielte sie Rekorde. Noch immer hält sie den saarländischen Landesrekord: 16,02 Meter, erzielt am 17. August 1996 in Rehlingen bei ihrem Verein. Die Namensähnlichkeit von Ort und Protagonistin indes ist Zufall.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo.

„Ich bin die Anke“, so stellt sie sich im Wahlkampf gerne vor, denn im Saarland duzt man nicht nur GenossInnen, sondern auch stellvertretende MinisterpräsidentInnen. Sie bekennt auf den Plakaten „echte Saarlandliebe“. Seit zehn Jahren gehört sie der Landesregierung an, vier Ressorts hat sie durch.

Doch ihr Weg nach ganz oben könnte kompliziert werden. Eine solide Grundlage, eine verlässliche Mehrheit nennt sie als Voraussetzung für die neue Regierung. Doch niemand kann sagen, wer in den Landtag einzieht und für eine Regierungsbildung infrage kommt. Sogar ein Zwei-Parteien-Parlament ist möglich.

Kann es wirklich sein, dass letztlich nur CDU und SPD im Landtag landen?

Grüne, Linke, FDP und AfD liegen zurzeit bei 4 bis 6 Prozent, es wird für alle sehr knapp. Wenn alle „Kleinen“ scheitern sollten, käme es tatsächlich zu einem Zwei-Parteien-Parlament. Eine davon würde über die absolute Mehrheit verfügen, denn die Zahl der Sitze ist ungerade. Schafft es von den Kleinen nur die AfD, bleibt den „Großen“ CDU und SPD wohl nur die Neuauflage der Groko, egal wer knapp vorne liegt.

Wie konnte es so weit kommen? Die Volksparteien sind doch dem Untergang geweiht.

CDU und SPD im Saarland erzählen stolz, dass der „Organisationsgrad“ in ihren Landesverbänden höher ist als der im „Reich“. Die Krise der Stahl- und Kohleindustrien haben die „Großen“ an der Saar gelehrt, dass sie nur etwas erreichen, wenn sie zusammenhalten. Das Saarland ist und war stets auf den Geldtransfer aus Bonn/Berlin und Brüssel angewiesen. Das wird auch nach der Wahl so bleiben. Da muss man zusammenhalten. Deshalb die Sympathie für die Große Koalition, die auch SPD-Landeschefin Rehlinger betont. Die kleinen Parteien sind traditionell schwach. Grüne und FDP haben außerparlamentarische Durststrecken hinter sich. Die relativ neuen „Kleinen“, Linke und AfD, haben sie möglicherweise noch vor sich.

Eine Frage noch: Wie viele Fußballplätze gibt es im Saarland eigentlich?

Die Zählung der taz dauert an. Platz wäre für 359.913. Es sind jedenfalls ziemlich viele, nicht nur Bolzplätze, sondern auch große Stadien, in denen Traditionsvereine vor langer Zeit Triumphe feierten: Der FC 08 Homburg-Saar, der 1. FC Saarbrücken, Röchling Völklingen 06, Borussia Neunkirchen 1905. Erstklassig sind sie schon lange nicht mehr. Aber gelegentlich zeigen sie sich im Pokalwettbewerb als Angstgegner oder mischen im Aufstiegskampf zur 1. oder 2. Bundesliga mit. Top­scorer Stefan Kuntz, inzwischen Nationaltrainer der Türkei, bestritt 1980 in Neunkirchen in der 2. Bundesliga sein erstes Spiel als Profi.

Das Stadion, in dem er damals auflief, ist heute in einem erbärmlichen Zustand, die Tribünen bröckeln. Der organisierte Profifußball an der Saar hat die Krise von Stahl und Bergbau gerade so überlebt. Jetzt steht die nächste Transformation an, mit dem Ende des Verbrennermotors und der Energiewende. Optimisten sagen: neues Spiel, neues Glück. Die Saarländer grüßen mit „Glück auf!“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Es reicht auch in einem drei Parteienparlament für eine SPD Alleinregierung, wenn sie 40 Prozent erreicht.

    • @Taxi fahrer:

      Stärkste Fraktion reicht auch im Saarland nicht wenn es unter 50% sind. Dann ist Koalition angesagt. Saarland ist zwar anders, aber nett so.

  • RS
    Ria Sauter

    Der Saarländer grüsst nicht mit "Glück auf"



    Viel zu viel "Geschiss"!



    Es reicht ein einfaches "Un?"