Baerbock auf dem Balkan: Ein Auge auf Bosnien haben
Außenministerin Baerbock betont beim Besuch in Bosnien und Herzegowina die Integrität des Staates. Seit der Ukraine-Invasion nehmen Spannungen zu.
Bei der am Donnerstagmorgen angesetzten Pressekonferenz zusammen mit der bosnischen Außenministerin Bisera Turković erinnerte sich Baerbock daran, wie sie als sehr junges Mädchen vor 30 Jahren die Nachrichten aus Bosnien verfolgte, wie sie erschüttert war über die Morde und Vergewaltigungen, wie sie in der Schule Kontakt fand zu einer Gleichaltrigen, die aus Bosnien fliehen musste, wie sich eine Freundschaft entwickelte. Das berührte auch die bosnischen Kollegen vor Ort.
„Bilder von vor dem Krieg fliehenden Familien und brennende ukrainischen Städte – all das weckt Erinnerungen an die dunkelsten Momente, als der Krieg schmerzhafte Spuren auf dem Westbalkan hinterließ“, erklärte sie.
Doch die bosnischen Medien waren auch gekommen, um zu erfahren, wie die neue deutsche Regierung zu den aktuellen Konflikten in Bosnien selbst steht. Was sie zum Serbenführer und Nationalisten Milorad Dodik sagt, der seit Dezember letzten Jahres daran arbeitet, den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina, wo bisher noch Serben, Kroaten, Bosniaken, Nichtnationalisten und Minderheiten zusammenleben, zu zerstören und die serbische Teilrepublik vom gemeinsamen Staat abzutrennen.
Zwar hatte Berlin zuvor die EU-Politik zaghaft kitisiert, die Dodik kaum etwas entgegensetzt oder dessen Bestrebungen sogar unterstützt. Doch in Sarajevo ist man sich auch klar darüber, dass manche EU-Vertreter weiter mit den Nationalisten klüngeln.
Ein Auge auf Bosnien
Deutschland trete eindeutig für die Integrität des Staates und damit für die Unverletzlichkeit der Grenzen ein, bekräftigte Beabock am Donnerstag. Die von den kroatischen und serbischen Nationalisten in Frage gestellten Wahlen würden im Oktober als „faire Wahlen“ stattfinden. Deutschland trete ein für eine Verfassung, die die Urteile des Menschenrechtsgerichthofes in Straßburg berücksichtige. Damit deutete sie an, dass die Rechte der Minderheiten und die der individuellen Staatsbürger für sie gegenüber den „kollektiven Rechten“ der Nationalisten ein höheres Gut sind.
Sie werde den Westbalkan und Bosnien nicht aus dem Auge verlieren, erklärte sie noch. Schließlich habe sie einen Sondergesandten Deutschlands für den Balkan ernannt: Manuel Sarrazin (Grüne), langjähriger Vorsitzender der Südosteuropagesellschaft und ein ausgewiesener Balkanexperte. Sie selbst werde Bosnien im Auge behalten und auch wiederkommen.
Als sich Baerbock am Donnerstag noch mit dem dreiköpfigen Staatspräsidium traf, von dem der Gesamtstaat regiert wird, stieß sie auch auf Dodik. Dieser ist als Serbenführer Teil des Gremiums, das er zerrütten will. Beim coronakonformen Gruß mit der Faust hielten beide ihre Arme so weit ausgestreckt wie möglich.
Herzlicher gestaltete sich ihr Treffen mit der Zivilgesellschaft und dem Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft, dem deutschen CSU-Politiker Christian Schmidt. Dort erklärte sie klipp und klar, dass die Institution des Hohen Repräsentanten bleiben werde, auch wenn Russland und sein Verbündeter Dodik diese Institution nicht anerkennen. Der Hohe Repräsentant habe noch viele Aufgaben zu bewältigen – etwa Bosnien auf dem Weg in die Rechtstaatlichkeit und in Richtung Europa zu begleiten. Dann reiste sie nach Kosovo weiter, um danach Serbien und Moldawien zu besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein