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Erfolg der Linken in KolumbienKeine Revolution, aber Meilenstein

Katharina Wojczenko
Kommentar von Katharina Wojczenko

Mit Gustavo Petro könnte Kolumbien dieses Jahr zum ersten Mal einen linken Präsidenten bekommen. Doch im Parlament droht eine Blockade.

Gustavo Petro nach dem Wahlergebnis am 13. März Foto: Luisa Gonzales/reuters

E inige Tage ist es nun her, dass die Kolumbianerïnnen einen neuen Kongress wählten und die Präsidentschaftskandidaten der drei aussichtsreichsten Parteienbündnisse bestimmten. Gus­ta­vo Petro, der linke Kandidat des „Historischen Pakts“, gewann bei den Wahlen haushoch. Auch in Senat und Repräsentantenhaus hat das linke Bündnis deutlich zugelegt, das Parteienspektrum ist außerdem insgesamt vielfältiger und weiblicher geworden. Kolumbien könnte dieses Jahr also mit Gustavo Petro zum ersten Mal einen linken Präsidenten bekommen. Das ist ein Meilenstein, aber keine Revolution.

Das Wahlergebnis ist in dem konservativen Land ein Riesenschritt, weil soziale und linke Bewegungen traditionell stigmatisiert, im Falle der Partei Unión Patriótica systematisch ausgerottet wurden. Vereinfacht gesagt: In Kolumbien gilt bereits als „links“, was in Deutschland unter „Sozialstaat“ fällt – und „links“ wird von Teilen der Gesellschaft bis heute mit „Guerilla“ gleichgesetzt, die das Land ein halbes Jahrhundert lang traumatisierte.

Im Ergebnis der Wahlen spiegeln sich aber nun die monatelange Proteste wider. Diese begannen im April 2021 und richteten sich gegen die Morde an Aktivistïnnen und demobilisierten Farc-Guerilleros, aber auch verschiedene Formen sozialer Ungerechtigkeiten von Steuer- bis Bildungssystem. Die Coronapandemie hat Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit massiv verstärkt.

Kein Linksruck

Von einem Linksruck zu sprechen, ist jedoch übertrieben. Der Erfolg der Linken ist zum einen auch der Krise der Rechten geschuldet. Präsident Iván Duque sprengt alle Unbeliebtheitsrekorde. Die Politik seiner Regierung ist massiv in der Kritik. Seine Partei, das Centro Democrático, ist gespalten, wie sich an der Kandidatenkür ablesen ließ. Der rechte Uribismus, benannt nach dem Ex-Präsidenten und immer noch mächtigen Übervater der Partei, Álvaro Uribe, ist längst nicht tot. Auch wenn er es jetzt relativieren möchte, um ein breiteres Publikum zu erreichen: Der derzeit zweitaussichtsreichste Präsidentschaftskandidat, Federico Gutiérrez, ist auch der Kandidat Uribes.

Derzeit läuft die offizielle Nachzählung für Repräsentantenhaus und Senat noch. Bei allen Parteien werden sich noch Verschiebungen ergeben (zumal das schlecht geschulte Personal der Wahlbehörde erwiesenermaßen Fehler beging). Doch schon jetzt steht fest: Selbst wenn der Linke Gustavo Petro am 29. Mai Präsident wird, wird er nicht im Parlament durchregieren können – denn es gibt dort für kein Bündnis eine ausreichende Mehrheit. Er wird dementsprechend auch Abgeordnete aus dem nichtlinken Spektrum überzeugen müssen. Kolumbien droht also eher eine Blockade als eine Revolution.

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Katharina Wojczenko
Freie Korrespondentin
stammt aus dem Bayerischen Wald und berichtet seit 2017 überwiegend aus Kolumbien. Sie ist Mitglied des Reporterinnen-Teams von #tazFolgtDemWasser und Mitgründerin des Magazins „Südamerika+Reporterinnen“ auf der genossenschaftlichen Journalismus-Plattform-„RiffReporter“.
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2 Kommentare

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  • Aktualisierung:



    Nachdem sich die Registraduria (Behörde welche die Wahlen überwacht) zuerst sich Kritik der Opposition verbat und das offizielle Endergebnis 3 Mandate mehr für den 'Pacto' ergab, meldete sich der Übervater der rechten Noch-Regierungpartei Uribe zu Wort und forderte eine komplette Neuzählung. Innerhalb eines Tages änderte die Registraduria nun ihre Position.



    Nachfragen bei allen Parteien ergaben jedoch, dass bis auf den Centro Democratico (Uribe) und zwei Splitterparteien, die anderen 13 Parteien keine Nachzählung wollten. Entsprechend wurde das Vorhaben aufgegeben. Zu groß war die Angst, dass die Inhalte der Wahlurnen inzwischen "angepasst" wurden.

    Für die Präsidentenwahl liegen nun die Nerven blank.

    Auch wenn die Wahlen Vorurteile über Lateinamerika bestätigten, so möchte ich noch anmerken, dass die Verfassung Kolumbiens einer der fortschrittlichsten weltweit ist. Ethnische Minderheiten und Verfolgte besitzen z.B. garantiere Vertretungen im Parlament. Es gibt weiterhin die Möglichkeit "en blanco" zu wählen, wenn das 50% tun, müssen die Wahlen komplett wiederhol werden und alle Kandidaten der zurückliegenden Wahl sind ausgeschlossen. Jetzt muss nur noch die Verfassungsrealität aufholen.

  • Katharina (Autorin), vielen Dank für die objektive Zusammenfassung der politischen Gemengelage. Findet leider sonst in keiner deutschen Zeitung statt.

    Viele bezweifeln, dass es sich bei den verschwundenen und nun langsam auftauchenden Stimmen um Fehler der schlecht geschulten Wahlhelfer handelt. Eine gewisse Fehlermarge ist normal, aber wenn diese eklatant hoch ist und fast ausschließlich die Oppositionsparteien betrifft, gibt dies zu denken.

    Für den 'Pacto Historico' stimmten nicht 2,3 Mio., inzwischen sind knapp 400 Tsd. weitere Stimmen aufgetaucht (das sind 17% mehr oder fast jede 5.Stimme wurde "vergessen"). Damit werden sie im Senat statt 16 nun wohl 19 Mitglieder stellen und somit dort deutlich stärkste Partei.

    Vergangenen Sonntag fanden die Wahlen für beide Kammern des Kongresses statt. Im Senat werden die Kandidaten über bundesweite Listen ermittelt, im Repräsentantenhaus über separate Listen der einzelnen 32 Bundesländer.



    Parallel fanden die Vorwahlen für die Präsidentenkandidaten statt. Dabei konnte jeder Wähler für eine (und nur eine) der Gruppierungen seine Kandidatenpräferenz ausdrücken. Der Sieger des jeweiligen Bündnisses tritt nun Ende Mai zur Präsidentenwahl an.

    Es bleibt weiterhin unklar, wieso 4,5 Mio. für einen Präsidentschaftskandidaten des 'Pacto Historico' stimmten, also ihre Präferenz für diese Gruppierung ausdrückten, aber in der parallel verlaufenden Kongresswahl nur 2,7 Mio.