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Was Linke und Bundeswehr verbindetStillgestanden

Deutschland schaut dieser Tage besonders auf die Linke und die Bundeswehr. Beide verbindet mehr, als man denkt – sie sind nicht einsatzbereit.

Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht protestiert 2015 gegen deutsches Militär in Syrien Foto: Stefan Boness/imago images

Es sind zwei gesellschaftliche Gebilde, die derzeit im Fokus der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit stehen. Sie scheinen auf den ersten Blick Antipoden zu verkörpern, aber wenn man insbesondere mit jungen Leuten spricht, die ihnen angehören, dann stößt man auf strukturelle Ähnlichkeiten. Beide Organisationen haben akuten Reformbedarf, und die Gesellschaft hat Wünsche an sie, ja, sie braucht sie in diesen Kriegs- beziehungsweise Vorkriegs- beziehungsweise Eskalationsverhinderungszeiten.

Beide bestehen zu nicht unwesentlichen Teilen aus verbrauchten Leuten, die in ihren Büros und Stuben hocken und Strichlisten ausfüllen oder abheften, immer mit einem Blick auf das Mittagessenangebot in der Kantine oder gleich auf die Zeitspanne, die es noch bis zur Pensionierung abzusitzen gilt.

Sprechen wir erst über die Linkspartei, eine Formation, die durch ihre Unfähigkeit frappiert, politische Arbeitsverweigerer, die via Talkshows und Publikationen Geschäfte mit der Angst und der Unwissenheit der Menschen machen, loszuwerden. Die Rede ist hier natürlich von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine – aber sie sind nicht das Problem. Das Problem ist der feige Umgang der Linken mit solchen Leuten und das anschließende naive bis abstoßende Wundern, dass diese Partei jeden moralischen Nimbus verloren hat; und da haben wir eben von der denkfaulen Gleichsetzung von Putin = irgendwie Erbe der doch irgendwie auch guten Sowjetunion = irgendwie den irgendwie grundbösen USA Paroli bietender Macht noch gar nicht gesprochen.

In den sozialen Medien liest man derweil Stellungnahmen von Linke-Politiker:innen, die die nun überall zitierte Zeitenwende tatsächlich klassisch verkörpern oder, um es mit dem Dichter Bertolt Brecht zu sagen, die auf der Suche nach einem neuen Volk sind, von dem sie vielleicht noch gewählt werden könnten. „Dass ein Appell für Frieden und gegen Aufrüstung so viel Aggression und Häme hervorruft, hätte ich wirklich nicht erwartet. Das lässt mich etwas ratlos zurück und erschreckt mich auch“, schreibt etwa ein Funktionär der Linken aus Baden-Württemberg auf Facebook. Stimmt: Wer einer Partei angehört, die die allgemein-unverbindliche Litanei des Friedens geschmettert hat, ohne den konkreten Kriegstreiber zu brandmarken, dessen Appelle werden ungehört verhallen; nicht, weil sie grundsätzlich falsch wären, sondern weil, wer total falsch lag, nicht in der Position ist, andere Menschen mit Appellen zu behelligen.

Bräsigkeit und Sitzfleisch

Ein anderer Funktionär gibt den sonst eher auf der politischen Rechten beheimateten Demonstrationsbesteller: „Das nächste Mal dann bitte auch so eine riesige Demo, wenn das Nato-Land Türkei wieder völkerrechtswidrig Rojava angreift.“ Prima, das ist genau die erfolgversprechende politische Haltung, wenn mehr als 100.000 Menschen gerade aus Sorge um einen Weltbrand auf die Straße gehen: Ihnen sagen zu wollen, wogegen sie eigentlich sich engagieren sollten.

Mit der absehbaren Debatte über Atombewaffnung wartet schon der nächste Horror am Kasernentor

Es ist tragisch, dass die Linke, gerade wenn sie als moralisch-intellektuell intakte Kraft sehr gebraucht wäre, so absolut blank dasteht und zwei Fraktionsvorsitzende im Bundestag sitzen hat, die nach der krachenden Wahlniederlage da nicht sitzen dürften; sogar die CDU hat es geschafft, sich personell zu erneuern. Die Linke hält das nicht für nötig; und das einzige Argument, das diese Bräsigkeit unterstützen könnte, ist ein Verdacht: dass nämlich von den hinteren Bänken auch nichts Erneuerndes nachwächst.

Während also die Formation, die doch als Erste dazu berufen wäre, die jetzt schon absehbaren Beschaffungs-, Verschwendungs- und Korruptionsskandale zu skandalisieren, die die 100-Milliarden-Euro-Spritze für die Bundeswehr auslösen wird, sich erst mal in eine längere Schweige- und Klärungsklausur begeben müsste, um überhaupt wieder sprechfähig zu sein, liegt der Fall bei der anderen Formation vielleicht noch merkwürdiger.

Bis zum Afghanistandesaster war die Bundeswehr ein Gebilde, über das man insoweit wie nur irgend denkbar zu fassenden aufgeklärten Kreisen am besten kein Wort verlor; eine Armee, die ihren Sol­da­t:in­nen angeblich keine warmen Strümpfe zur Verfügung stellen kann, obwohl ihr Etat in unseren mit Milliarden jonglierenden Zeiten schon bisher nur unwesentlich unter dem der russischen Streitkräfte lag, die mit solchen Mitteln von Syrien bis eben zur Ukraine Tod und Vernichtung streuen können.

Der nächste Horror

Seit der Niederlage von Kabul wird der Bundeswehr eine Rolle zugeschrieben, die von ihrem tatsächlichen Zustand vollkommen abstrahiert. Müssten wir nicht zuerst darüber reden, was die Gesellschaft eigentlich dazu beitragen will, den Schutz zu gewährleisten, den man sich von dem neuen Heilsbringer offensichtlich verspricht? Wo ist die Debatte über die Wehrpflicht, über unsere Töchter und Söhne, die doch stellvertretend für alle von der Gnade der frühen Geburt gestreiften Abschreckungstheoretiker mit ihren Körpern dafür einstehen müssten, dass wir weiterhin und die Menschen in der Ukrai­ne­ hoffentlich in Zukunft in relativem Frieden und in Freiheit leben können?

Derzeit stehen vor meinem inneren Auge jedenfalls, ähnlich wie bei den Maskendeals, nur hungrige Augen des Nachwuchses ehemaliger CSU-Politiker, die sich schon die Hände reiben, angesichts des zu erwartenden Reibachs mit den Socken-und-Winterjacken-Milliarden.

Zu erwarten ist also von der Zeitenwende eher ein lose-lose als ein win-win. Und mit der ebenfalls absehbaren Debatte über Atombewaffnung wartet schon der nächste Horror am Kasernentor. Am besten bewilligen wir erst mal das Geld, dann wird sich schon irgendwer finden, der die schmutzige Arbeit des Krieges für uns erledigt.

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10 Kommentare

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  • Innerhalb der Linken gab es schon lange Leute, die die Selbstgerechte und andere Putinanhängsel loswerden wollten.

    Aber dann hat doch immer der Opportunismus gesiegt. Die Frau ist (war?) bei den Wähler/innen beliebt. Man hat sich einfach nicht getraut, sie abzusägen.

    Hoffentlich schafft es die Partei aus ihrer Lethargie und sägt die Selbstgerechte und den Porschefahrer ab. Diese blockieren, daß sich die Linkspartei mit den (überwiegend jungen) Leuten aus der Flüchtlings- und Klimabewegung verinden kann.

    • @Yvvvonnne:

      Gucken Sie sich an, wo die Direktmandate herkommen.

      In Berlin sind das nicht die Bezirke, die sich durch eine besonders junge Bevölkerung auszeichnen, die dann in der Klima- und Flüchtlingsbewegung aktiv wäre.

  • Seit Wagenknecht sich in den Neunzigern in einem Interview selbst als Stalinistin bezeichnete, hätte man Bescheid wissen müssen. Beschämend, dass sie trotzdem jahrzehntelang zu jedem Talkshow eingeladen worden ist.

  • Alle Linken müssen aus ihrem wahnhaftem Ostalgie Starrsinn erwachen, die Konterrevolution hat in Russland gesiegt und es herrscht wieder wie zu Zarens Zeiten das reaktionärste Regime im ganzen Okzident.



    Es muss auch endlich Schluss sein mit jener selbst hassenden Pseudo-Underdog Solidarität , die Harz IV und Kim III aufrechnet, die EU ausbeuterischer als China und Russland toll findet, weil der eigene Fußballverein auch immer gegen Bayern verliert. Schluss auch mit der Gleichsetzung der Verhinderung neuer Srebrenicas mit Aggressionen auf demokratische Rechtsstaaten.



    Das Problem der Bundeswehr ist ihre Existenz, also dass es in Europa ca 100 nationale Teilstreikräfte gibt, die nationale Industrieinteressen bedienen und deren Einsatz scheinbar nur verlustlos rechtfertigbar ist. Das ist ineffizient! Wir brauchen eine Europäische Legion, die nach Qualität beschafft und die auch kämpfen - und sterben darf, so zynisch das klingt, aber wenn Soldat sein die sicherste Methode ist einen Krieg zu überleben, dann läuft was schief.



    Progressive, überlasst Wladimir Tschekovitsch Putins Pfründe den Rechtsreaktionären, denen es ideologisch längst gehört und zieht den wohlstandesverwahrlosten Fundamentalpazisfismuspantoffel aus.

  • " ein Gebilde, über das man insoweit wie nur irgend denkbar zu fassenden aufgeklärten Kreisen am besten kein Wort verlor "



    Präpositionalphrase mit Nominalphrase : [PP(NP)]



    PRÄP: in



    _ART: 0



    __ADJ 1: so weit wie nur irgend denkbar zu fassenden



    __ADJ2: aufgeklärten



    _NOM: Kreisen

    Ambitioniertes (und gutes !) Deutsch. Hat die Autokorrektur das dann verhagelt, insoweit aus ' in soweit ... ' insoweit wurde ? ;-]

  • Sehr geehrter Herr Waibel,

    der Einseitigkeit Ihrer Darstellung möchte ich einiges ergänzend hinzufügen.

    Nicht Die Linke allein hat sich geirrt, sondern die gesamte Regierung, ja die größten Teile Europas und der Welt. Dies gilt insbesondere auch für die Regierung Merkel, welche beispielsweise die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen billigend in Kauf genommen hat.

    Die Art wie Sie Die Linke nun dafür verurteilen einen Kurs des Friedens und der Diplomatie befürwortet zu haben und weiter befürworten, ist verleumderisch und mit Verlaub, auch beleidigend in ihrer Wortwahl.

    Was soll uns zum Beispiel, das Bild von Frau Wagenknecht mit der Unterschrift, „Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht protestiert 2015 gegen deutsches Militär in Syrien“ sagen ? Seht her, sie waren schon immer verdammte Linke Friedensutopisten ?

    Verurteilen sie auch die gesamte Sozialdemokratie aufgrund der Aussagen eines lupenreinen Gerhard Schröders ? Verurteilen Sie Angela Merkel für ihr persönliches Verhältnis zu diesem Potentaten ?



    Beide haben, auf unterschiedliche Art, möglicherweise mit ihren Verbindung dazu beigetragen, dass der Friede mit Russland überhaupt solange gehalten hat. Die Bemühungen der Linken dies ebenfalls zu tun, ziehen sie aber in den Schmutz ? Warum ? Weil sich am Ende zeigt, dass die Hoffnungen auf Frieden nicht erfüllt wurden ? In Ihrer Lesart bedeutet dies, man hätte es also gar nicht erst versuchen sollen ?

    „Das Problem ist der feige Umgang der Linken mit solchen Leuten und das anschließende naive bis abstoßende Wundern, dass diese Partei jeden moralischen Nimbus verloren hat.“ (sic!)



    Ehrlich ? Wie würden Sie, ‘mit solchen Leuten‘ umgehen ?

    Da Sie Gregor Gysi, immerhin der Außenpolitische Sprecher der Linken, nicht in ihrem Pamphlet zitieren reiche ich dies nach:

    „Alles was ich immer gesagt habe ist an dem Tag gestorben an dem ein Völkerrechtswidriger Krieg beginnt“...“ Gregor Gysi 24.02.2022



    „Alles was ich kritisches gesagt habe was der Westen gemacht hat und

    • @Klaus Kräften:

      Warum wurde mein Kommentar nur unvollständig wieder gegeben ? Falls ich einen Fehler gemacht habe hier der Rest:

      „Alles was ich kritisches gesagt habe was der Westen gemacht hat und die Nato, mag ja stimmen, aber es ist zur Makulatur geworden weil jetzt eben Putin sich entschieden hat einen völkerrechtswidrigen verbrecherischen Angriffskrieg zu führen.“ Gregor Gysi 25.02.2022



      www.youtube.com/watch?v=95OV1DVfUZ8

      Die Linke ist eine Oppositionspartei und dieser Verantwortung kommt sie nach in dem sie vor den möglichen Auswirkungen einer weiteren Eskalation warnt. Eine dieser plötzlich, mit aller härte der Realität aufschlagenden Möglichkeiten ist, ein erneutes Wettrüsten, bis hin zum 3. Weltkrieg und einer nuklearen Kriegsführung. Ihr dieses Recht, ja ihre Pflicht abzusprechen mit dem Argument “(…) wer total falsch lag, ist nicht in der Position, andere Menschen mit Appellen zu behelligen.“, verkennt den Ernst der Lage.

      Ich frage sie persönlich, Herr Waibel, ist dieser journalistische Schnellschuss wirklich das Beste was Sie zur Verbesserung der Situation beitragen können ? Auf mich wirkt es lediglich wie die lange angestaute Wut eines Enttäuschten.

      Ob die Waffenlieferungen und die Aufstockung der Bundeswehr und weiterer Armeen in ganz Europa im besten Interesse aller Menschen der Europäischen Union ist weiß auch ich nicht.



      Aber eine Diskussion darum muss es geben und ich bin froh, dass Die Linke gewillt ist diese Diskussion zu führen.

      Ich bin offen für Kritik und Anregungen,



      Mit freundlichen Grüßen aus der hintersten Linken Bank,



      Herwulf Kräften

  • "Deutschland schaut dieser Tage besonders auf die Linke und die Bundeswehr."

    Nein. Weder & Noch.

    Und am allerwenigsten schaut DE gerade darauf, was die Linke wieder Schlaues zu Putin zu sagen hat. Außer vielleicht dahingehend wo man jahrelang noch die Realität um Putin & Co. schön geredet hat.

    Wichtig wäre diesbezüglich en harter Schnitt in der LP. Aber auch da gibt es nichts neues. Zöpfe, auch personelle , werde da nicht abgeschnippelt

  • Es gibt sie noch, die guten Abende beim Lesen!



    Erst der Beitrag über Manuela Schwesig.



    Da keimte schon Hoffnung auf.



    Dieser Beitrag zeigt wieder den Unterschied vom Freizeitforisten zum Berufsschreiber!



    Ausgezeichnete Arbeit!



    Weiter so!



    Es ist der geschliffene Stil, der aufhorchen läßt!



    .... die Linkspartei, eine Formation...



    Der Klassiker sehr gut eingearbeitet.



    ....die auf der Suche nach einem neuen Volk sind, von dem sie vielleicht noch gewählt werden könnten....



    Juti.



    ... liegt der Fall bei der anderen Formation vielleicht noch merkwürdiger...



    Hier reißt es...noch merkwürdiger..!



    Eigentlich hätte ich den ganzen Beitrag, mit Käppi und Pastete, hier reinhauen können.

  • Zu diesem Kommentar fällt mir eine Simpsons-Episode ein: www.youtube.com/watch?v=tlKUMrYGaMw.