piwik no script img

Die nächste KlimaklageKarlsruhe soll CO2-Budget anordnen

Junge Menschen und die DUH klagen gegen das bereits verschärfte Klimaschutzgesetz: Das Verfassungsgericht soll eine CO2-Obergrenze einfordern.

Vorschlag der Um­welt­hil­fe:­schnel­ler Effekt zum CO2 Einsparen durch Tempolimit Foto: imago

Berlin taz | Im Kampf um eine anspruchsvolle deutsche Klimapolitik setzen junge Menschen und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wieder auf ihren stärksten Verbündeten: Das Bundesverfassungsgericht. Am Dienstag haben deshalb neun Kinder und junge Erwachsene mit Hilfe der DUH eine Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz (KSG) des Bundes erhoben. Der Grund: Das Gesetz ist ihnen trotz Nachbesserungen nicht ehrgeizig genug, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

„Das Bundesverfassungsgericht hat letztes Jahr mein Grundrecht auf Zukunft und Klimaschutz bestätigt“, sagte Gustav Strunz aus Hamburg, einer der Beschwerdeführer bei der Vorstellung am Mittwoch. Damals hatte das höchste deutsche Gericht in einem Beschluss mehr Anstrengung in der Klimapolitik der Regierung gefordert. „Trotzdem ist die Bundesregierung ihrer Verpflichtung aus dem Grundgesetz auch mit dem aktualisierten Klimaschutzgesetz nicht nachgekommen. Deshalb ziehe ich erneut vor Gericht.“

Den KlägerInnen und der DUH fehlt auch im neuen KSG, das im Herbst 2021 verschärfte Ziele bekommen hat, vor allem ein Budget für die Treibhausgase, die Deutschland auf dem Weg bis 1,5 Grad weltweiter Erwärmung noch ausstoßen darf. An diesem „Budget-Ansatz“ hatte sich auch das Bundesverfassungsgericht bei seinem Beschluss vom 24. März 2021 orientiert.

Deshalb habe „Deutschland das ihm zustehende Budget zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens zu beachten“, sagte Rechtsanwalt Remo Klinger, der für die DUH schon viele Urteile zu Klimaschutz und Luftreinhaltung erstritten hat und auch an der wegweisenden Klage im letzten Jahr beteiligt war. Auch im neuen KSG sieht Klinger „die Zielsetzung zu niedrig, um auch nur ansatzweise dem Pariser Abkommen gerecht zu werden.“ Deshalb verstoße auch das novellierte KSG gegen die Verfassung.

Einen solchen „Budgetansatz“ fordert von der Politik auch der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (SRU), ein Beratungsgremium der Bundesregierung. Darin würde ein weltweites „Restbudget“ von Treibhausgasemissionen bis zur Erreichung von 1,5 Grad globaler Erwärmung berechnet und pro Kopf weltweit auf Staaten heruntergebrochen. Der SRU beruft sich damit auf eine Modellrechnung des UN-Klimarats IPCC.

Die Bundesregierungen der Vergangenheit haben allerdings bisher diese Rechenmethode immer abgelehnt, weil sie nicht im Pariser Abkommen angelegt ist – und sicher auch, weil sie den Spielraum der Regierung noch deutlich stärker einschränken würde: Das „Budget“ Deutschlands wäre nach diesen Rechnungen etwa 2027 erschöpft – auch das neue KSG rechnet aber erst 2045 mit „Klimaneutralität“, also mit Netto-Null-Emissionen.

Die KlägerInnen unter dem Dach der DUH kritisieren am neuen Klimaschutzgesetz noch andere Punkte: So sei bislang völlig unklar, wie eine „Lastenverteilung“ zwischen dem Bund und den Bundesländern bei Maßnahmen zum Klimaschutz aussehen müsse. Das Gesetz brauche da eine Konkretisierung ebenso wie in der Frage, wie „Senken“, also Kohlenstoffspeicher in Wäldern, Böden und Mooren, in Zukunft verbessert und angerechnet würden.

Die DUH hat konkrete Vorschläge für die Umsetzung schärferer Ziele und die Einhaltung des „Budgets“: Ein Tempolimit auf Autobahnen, Landstraßen und in Städten bringe sofort acht Millionen Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr; die Umwandlung von CO2-speicherndem Grünland und Feuchtgebieten in Ackerböden sei zu verbieten; der Neubau von jährlich 400.000 Wohnungen müsse „klimazielkompatibel“ etwa durch ein sofortiges Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen umgesetzt werden, so die Forderungen. Für DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch ist klar: „Wenn sich diese Bundesregierung solchen konkreten Maßnahmen verweigert, müssen wir diese auf dem Klageweg durchsetzen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Es gibt dabei nur ein Problem: wenn die Politik dagegen verstößt, dann wird es ohne Folgen bleiben. Man sieht es ja an diversen Entscheidungen zu HartzIV, dass die Politik vieles vom BVG einfach aussitzt.

  • "Die DUH hat konkrete Vorschläge für die Umsetzung schärferer Ziele und die Einhaltung des „Budgets“: Ein Tempolimit auf Autobahnen, Landstraßen und in Städten bringe sofort 8 Millionen Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr; die Umwandlung von CO2-speicherndem Gründland und Feuchtgebiten in Ackerböden sei zu verbieten; der Neubau von jährlich 400.000 Wohnungen müsse „klimazielkompatibel“ etwa durch ein sofortiges Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen umgesetzt werden, so die Forderungen."



    Und mit diesen Maßnahmen wird dann das "Budget" eingehalten? Putzig.

  • Gut so. Anders scheint es ja nicht zu gehen. Die Bedürfnisse der jungen Generation auch zukünftig einen lebensfähigen Planeten zu beseideln,



    werden systematisch den Bedürfnissen der Generationen geopfert, deren zerstörerische Lebensweise diese Situation erst provoziert hat. In der Politik übersetzt sich das in einem: Das schaffen wir ja eh nie ...

    Mit einem solchen Urteil im Rücken erhält die Politk den klaren Auftrag, die Einhaltung des Budgets mit konkreten gesetzlichen Vorgaben, Richtlinien und Verboten zu erzwingen.

    Und das ist richtig so.

  • Und was soll nach Ansicht der Kläger passieren, wenn das Budget erschöpft ist? Werden dann alle CO2-emittierenden Energiequellen und damit Strom, Wasser, Heizung, Beatmungsgeräte etc. abgeschaltet und die Produktion von Nahrung, lebensnotwendigen Medikamenten usw. eingestellt? Sollen wir dann alle sterben? Für die Einhaltung einer einzelnen Kennzahl in einem einzigen Land?

    • @Budzylein:

      "Und was soll nach Ansicht der Kläger passieren, wenn das Budget erschöpft ist?"



      Och, da würde ich mir erst mal keine allzu großen Sorgen machen. Gesetze (und Gerichtsurteile), die von Menschen gemacht sind, können auch von Menschen wieder geändert werden. Wenn's eng wird, wird dann eben ein Nachtragsbudget verabschiedet und weiter fröhlich Braunkohle verstromt, für die Wärmepumpen, und damit die E-Autos nicht stehen bleiben.

    • @Budzylein:

      Das Ziel ist es, die Regierung zu zwingen, Maßnahmen zu ergreifen, den CO2-Ausstoß schneller zu reduzieren. Idealerweise so, dass das Budget erst dann erschöpft ist, wenn CO2-Neutralität erreicht ist.

    • @Budzylein:

      Es soll gar nicht erst dazu kommen, dass das Budget aufbraucht wird. Deswegen ist es erforderlich, dieses erst einmal festzulegen. Daran müssen sich die Maßnahmen der nächste Jahre dann orientieren.



      Zudem gibt es auch Maßnahmen, durch die CO2 Gebunden wird (z.B. durch Aufforstung). So kann auch immer noch so viel emittiert werden, wie gespeichert wurde, wenn das Budget aufbraucht sein sollte.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @Budzylein:

      CCS ist die Antwort.