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Coronaprotest in Leipzig eskaliertPsychiatriegelände gestürmt

Als die Polizei versuchte, einen „Anticoronaspaziergang“ zu stoppen, durchbrachen Teilnehmer die Polizeikette. Proteste gab es auch an anderen Orten.

Einsatzfahrzeuge der Polizei sichern das Gelände der Psychiatrie der Uniklinik Leipzig Foto: Franz Schurig/LausitzNews.de/dpa

Leipzig taz | Im Zusammenhang mit Protesten gegen Coronaschutzmaßnahmen ist am Samstagnachmittag in Leipzig auch das Gelände des Universitätsklinikums gestürmt worden. Bei einem nicht angemeldeten Marsch vom Völkerschlachtdenkmal Richtung Innenstadt wurden einige Hundert Demonstranten mehrfach von der Polizei aufgehalten. Bei dem Versuch, die Sperren zu umgehen, überwanden sie auch ein von nur wenigen Polizeibeamten gesichertes Tor zur Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.

Nach Angaben von Beobachtern handelte es sich um ein Ausweichmanöver und nicht um eine gezielte Attacke auf das Klinikum. Videos zeigen tätliche Angriffe auf Beamte, begleitet von Rufen „Wir sind das Volk!“.

Zum wiederholten Mal hatten die rechtsextreme Kleinpartei „Freie Sachsen“ und der Telegramkanal „Freies Deutschland/Sachsen“ zum „Spaziergang“ aufgerufen. Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ ordnet diesen Kanal dem langjährigen NPD-Kader Volker Reiser zu und wies die Polizei darauf hin. Das Bündnis meldete selbst eine Gegendemonstration an, die friedlich verlief.

Nach Angaben der Polizeidirektion Leipzig stoppten Einsatzkräfte den Zug der Coronamaßnahmen-Gegner aus Richtung Südosten schon bald nach dem Völkerschlachtdenkmal. Ein Versammlungsleiter sollte benannt werden. Der in Gruppen die Polizei umgehende Aufzug wurde in der Nähe des Klinikums ein weiteres Mal gestoppt, weil „Aufforderungen der Versammlungsbehörde nicht Folge geleistet wurde, keine Ordner eingesetzt waren und aktuelle Coronaschutzregeln unbeachtet blieben“. Daraufhin brachen „mehrere Dutzend Personen“ durch die Polizeikette auf das Klinikgelände durch.

Der Übermacht der Demonstranten hielten die Polizisten zunächst nicht stand, bevor es ihnen gelang, das Gittertor wieder zu schließen. Die Demonstranten waren nun auf dem Gelände vor der Psychiatrie selbst eingekesselt. Zeitweise soll ihre Zahl nach Polizeiangaben „im mittleren dreistelligen Bereich“ gelegen haben. Nach Recherchen von „Leipzig nimmt Platz“ befanden sich unter ihnen mit Steffen Thiel ein aktives Vorstandsmitglied der NPD in Sachsen-Anhalt und mit Dirk Reuter ein bekannter Reichsbürger. Viele Demonstranten seien von auswärts angereist.

Ein Video zeigt Versammlungsleiter Reinhard Rade am Gittertor im heftigen Disput mit Einsatzkräften der Polizei. Rade wurde in den 1990er Jahren von dem damaligen Vorsitzenden der „Republikaner“, Franz Schönhuber, zum „DDR-Koordinator“ der Partei ernannt, um rechtes Propagandamaterial einzuschleusen. Der gebürtige Österreicher war Leipziger Bauunternehmer, stand dem Pegida-Ableger Legida nahe und soll Verbindungen zum Compact Magazin unterhalten, das der Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft.

Die Polizei nahm die Personalien von mehr als 50 Personen auf. Die Übrigen wurden laut Polizeibericht nach und nach „aus der polizeilichen Umschließung entlassen“. Ermittelt wird wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, gegen die sächsische Corona-Notfallverordnung, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen des Verdachts auf Land- und Hausfriedensbruch.

Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende sächsische DGB-Vorsitzende Daniela Kolbe bezeichnete die Demonstranten als Faschisten, die eine klare Ansage bräuchten. Der Leipziger Grünen-Stadtrat und Ex-Landessprecher Jürgen Kasek twitterte, dass das für die Menschen in der Psychiatrie „eine extrem schlimme, traumatisierende Erfahrung“ gewesen sei.

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ vermisst nach den zuvor ergangenen Warnungen eine klare Stellungnahme der Behörden und ein entschlossenes Einschreiten der Polizei. Es handele sich „mitnichten um Aufzüge von ‚Bür­ger:in­nen‘, sondern im Wesentlichen um von Rechtsextremen geplante, durchgeführte und geleitete Demonstrationen“.

Anti-Corona-Maßnahmen-Proteste auch in weiteren Städten

Insgesamt registrierten die Innenbehörden am Wochenende 111 Demonstrationen mit knapp 34.000 Gegnern der Coronaschutzmaßnahmen. So nahmen in Frankfurt am Main nach Polizeiangaben in der Spitze schätzungsweise 4.000 Menschen an dem Aufzug teil, der zwischenzeitlich gestoppt wurde, weil die Mehrheit gegen die in den Auflagen geforderte Masken- und Abstandspflicht verstoßen habe.

In Freiburg demonstrierten bis zu 4.500 Menschenr, in Düsseldorf 3.900 und in Osnabrück etwa 1.150. In Hamburg versammelten sich etwa 1.000 Menschen am Samstagabend auf der Wandsbeker Chaussee und skandierten „Teschentscher, komm raus“. Eine geplante Groß-Demonstration an der Binnenalster mit 11.000 Menschen war zuvor aufgrund eines mangelhaften Hygienekonzepts gerichtlich untersagt worden.

In Cottbus löste die Polizei eine nicht angemeldete Versammlung gegen die Coronaschutzmaßnahmen auf. An dem Aufzug in der Innenstadt hätten sich am Samstag bis zu 400 Personen in mehreren Gruppen beteiligt, teilte die Polizei in der Nacht zu Sonntag mit.

Unterdessen formierte sich auch Protest gegen die Aufzüge der Gegner der Corona-Maßnahmen. In Cuxhaven kamen etwa 1250 Menschen zu einer Kundgebung für gesellschaftliche Solidarität in der Pandemie zusammen, wie ein Stadtsprecher sagte. Mit Abstand bildeten sie eine 2,5 Kilometer lange Menschenkette, die einmal um die Innenstadt reichte. Auch die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD), der CDU-Bundestagsabgeordnete Enak Ferlemann und andere Politiker nahmen teil.

In Freiburg haben mehr als 10.000 Personen den Aufruf „Unser Freiburg – zusammen gegen Corona“ für mehr Zusammenhalt und Solidarität unterschrieben. Zu den Unterzeichnern gehören auch die evangelische Stadtdekanin Angela Heidler, sowie ihr katholischer Kollege Alexander Halter sowie die Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Freiburg, Irina Katz.

(mit dpa und epd)

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6 Kommentare

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  • Realistisch betrachtet haben wir die Situation, daß Rechtsextreme (und einige tausend Mitläufer) unter einem Vorwand bundesweit ungenehmigte Demos über bestimmte soziale Medien organisieren.

    Ich finde es schlimm, daß die Politik sie gewähren läßt.

    Was wäre passiert, wenn Anti-Atom-Demonstranten sich vors Kanzleramt gestellt und "Helmut, komm raus" gerufen hätten? Wie schnell hätte man da Tränengas eingesetzt.

    Es erschüttert einen, daß diese Rechten mit Samthandschuhen angefaßt werden.

    • @kditd:

      Ich teile Ihre Meinung.



      Einwohner in Deutschland



      83 0000 000 = 100 %



      83 000 = 1 %



      8300 = 0,01 %



      0,01 % Demonstrieren in etwa gegen Corona Maßnehmen. Ich finde es traurig und unverständlich, welche mediale Aufmerksamkeit diese kleine Minderheit täglich in den Medien bekommt.

  • Psychiatrie passt ja schon mal.

    • @Rudi Hamm:

      Hättest du Ahnung um was es in der Psychiatrie geht, nämlich darum kranken Menschen zu helfen, würdest du so pubertäre Witze nicht machen müssen…

  • warten wir auf ende mai. da spielt corona nur noch eine reale untergeordnete rolle. rennen die dann immer noch herum und stressen ihre umgebung, ist eindeutig endlich klar, dass es nur ein vorwand war, den staat bewusst mit solchen aktionen zu destabilisieren.das demorecht ausgehöhlt um krawall zu etablieren. jetzt wird das alles noch maskiert. ich bin entsetzt, wie man das einfach so geschehen lässt. was müssen da unbeteiligte anwohner aushalten? unerträglich und peinlich, wie ein rechtsstaat sich das gefallen lässt. die werden immer dreister, erhalten immer mehr presse, was zu noch mehr begeisterten anhängern führt, die sich alle auf der richtigen seite wähnen..

    • @pilzkonfekt:

      eher Ende März...

      Bereits in 2-3 Wochen wird der Großteil der Maßnahmen keine Grundlage mehr haben.

      Realistisch gesehen war seit den ersten belastbaren Daten aus Südafrika etwa Mitte Dezember mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Omikron die Pandemielage beenden wird.

      Da wir in Deutschland gerade erst aus der bei uns in den Spätherbst verschleppten Delta-Welle kamen, waren nachvollziehbarerweise nochmal mehr Maßnahmen nötig als anderswo. Aber Omikron nivelliert nun zum Großteil die bestehenden Unterschiede zwischen den Ländern.

      Selbst Australien wird gerade im Eiltempo endemisch und das mit einem Bruchteil der durch frühere Varianten zu erwartenden Schäden. Wie knapp war das vor einem halben Jahr, dass Delta eben so eingehalten werden konnte, so dass rechtzeitig eine hohe Impfquote erreicht werden konnte.