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Krise in KasachstanRussland bereitet Abzug vor

Der Flughafen von Almaty ist tagsüber wieder für den Passagierverkehr freigegeben, doch gilt dort weiter der Ausnahmezustand.

Russlands Generaloberst Andrej Serdjukow bei der Zeremonie zum Truppenabzugs in Almaty Foto: Vladimir Tretyakov/NUR.KZ/AP/dpa

Almaty/Moskau dpa | Eine Woche nach der Verlegung ausländischer Truppen in die von blutigen Unruhen erschütterte Ex-Sowjetrepublik Kasachstan hat am Donnerstag das Ende des Militäreinsatzes begonnen. Die von Russland dominierte Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) übergab nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau „sozial wichtige Objekte“ wieder den kasachischen Behörden.

Die Behörden haben am Donnerstag den vor einer Woche gesperrten Flughafen der Millionenstadt Almaty für den Passagierverkehr freigegeben. Es seien wieder nationale und internationale Flüge täglich zwischen 8.00 und 21.00 Uhr Ortszeit möglich, teilte die Luftfahrtbehörde in der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan am Donnerstag mit.

Der Flugverkehr war in der vergangenen Woche nach gewaltsamen Protesten und der Belagerung durch radikale Gruppierungen eingestellt worden. In Almaty galt weiter der Ausnahmezustand. Unklar war, ab wann Ausländer wieder einreisen dürfen.

Die kasachische Regierung hatte wegen der angespannten Lage in dem Land die Grenzen der Ex-Sowjetrepublik geschlossen. Die Behörden hatten noch in der vergangenen Woche die Kontrolle über den Airport wieder hergestellt und ihn für die Verlegung von Militär aus Russland und anderen früheren Sowjetrepubliken genutzt.

Die von der OVKS so bezeichneten Friedenstruppen hatten auf Bitten der autoritären Führung des zentralasiatischen Landes in den vergangenen Tagen dabei geholfen, die verfassungsmäßige Ordnung in der Millionenstadt Almaty und anderen Regionen wiederherzustellen.

Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew hatte den ersten Einsatz dieser Art als Erfolg bezeichnet und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin für das schnelle Eingreifen gedankt.

Die Rückverlegung der Soldaten aus Russland, Belarus, Armenien, Tadschikistan und Kirgistan soll jetzt zehn Tage lang dauern. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums erfolgt sie in enger Abstimmung mit der kasachischen Seite.

Es liefen zudem Vorbereitungen dafür, dass die Militärtechnik sowie andere Spezialmittel wieder an ihre Standorte zurückverlegt würden, hieß es. Russland hatte den Angaben zufolge in den vergangenen Tagen auch mehr als 2.000 Zivilisten ausgeflogen, darunter neben eigenen Staatsbürgern auch Ausländer.

In der über viele Jahre international wegen ihrer Stabilität gelobten öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik an der Grenze zu China hatte es Anfang des Monats zunächst Proteste gegen eine Verdopplung der Preise für Gas, das als Kraftstoff für Autos genutzt wird, gegeben. Die Demonstrationen schlugen nach wenigen Tagen in rohe Gewalt um.

Staatschef Tokajew sprach von einem Angriff „terroristischer Banden“. Er hatte einen Schießbefehl erteilt. Es gab mehr als 100 Tote, mehr als 10.000 Festnahmen und Hunderte Verletzte. Nach Angaben der Führung des neuntgrößten Landes der Erde stabilisiert sich die Lage.

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7 Kommentare

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  • Ist das jetzt ein schlecht übersetzter tendenziöser Agenturbericht von RIA-Novosti, oder hat das tatsächlich ein TAZ-Journalist geschrieben?

    "Belagerung durch radikale Gruppierungen"

    Wer soll das denn gewesen sein?

    "In der über viele Jahre international wegen ihrer Stabilität gelobten öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik an der Grenze zu China".

    In der Tat, eine stabile Diktatur und Kleptokratie. Wer soll die "international gelobt" haben, und warum?

    "hatten auf Bitten der autoritären Führung des zentralasiatischen Landes in den vergangenen Tagen dabei geholfen, die verfassungsmäßige Ordnung in der Millionenstadt Almaty und anderen Regionen wiederherzustellen."

    Wer auch immer das geschrieben hat, sollte mal einen Blick in die kasachische Verfassung werfen. Da stehen (auch Stand 2021 noch) so sachen drin wie: "Freie und geheime Wahlen", "Versammlungsfreiheit" ...

    " Die Demonstrationen schlugen nach wenigen Tagen in rohe Gewalt um."

    Wer behauptet, dass die "rohe Gewalt" von demonstrierenden Bürgern verursacht oder ausgeübt wurde, sollte dafür Belege liefern.

    Und: Wer glaubt, dass Russland jetzt komplett wieder abziehen wird, ist reichlich naiv. Präsident Tokajew hat vor laufenden Kameras den eigenen Sicherheitskräften und Militärs einen Schießbefehl gegen das eigene Volk erteilt, und er hat ausländische Truppen ins Land gerufen, damit sie dasselbe tun, weil er sich der einheimischen (militärischen) Eliten, die mit dem Nazarbajew-Klan verbandelt sind, nicht sicher sein kann, und weil die einfachen kasachischen Soldaten und Polizisten nicht viel anders denken als die Demonstranten. Tokajew ist nun ein Diktator von Putins Gnaden, die Russen werden dort Militärbasen errichten, noch mehr militärische Berater und Geheimdienstkräfte als vorher schon etablieren und die komplette Zerstörung der rudimentären Reste der kasachischen Zivilgesellschaft orchestrieren.

    • @Barbara Falk:

      "Wer behauptet, dass die "rohe Gewalt" von demonstrierenden Bürgern verursacht oder ausgeübt wurde, sollte dafür Belege liefern."

      Lesen Sie doch bitte die TAZ Artikel von den ersten Meldungen an. Es geht auch so gut wie jede andere deutsche Zeitung. Sie werden merken, dass Regierungsgebäude gestürmt und/oder angezündet wurden. Gewaltfrei kann man das nicht nennen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Mir ist bekannt, dass Gebäude angezündet wurden.



        Es gibt aber glaubwürdige Hinweise darauf, dass kasachischen Sicherheitskräfte selbst gezielt bewaffnete Provokateure eingesetzt sowie Waffen verteilt und zu deren Benutzung aufgestachelt haben, um die friedlichen Proteste zu diskreditieren und die Lügengeschichten zu untermauern, unter deren Vorwand Tokajew die ausländischen Truppen zur Hilfe gerufen hat. Darauf sollte ein ausgewogener Artikel hinweisen. (Tokajew sprach, u.a. von "20.000 ausländischen Terroristen" die sich in Kasachstan befänden und die sich jetzt scheinbar in Luft aufgelöst haben).

        • @Barbara Falk:

          "Es gibt aber glaubwürdige Hinweise darauf, dass kasachischen Sicherheitskräfte selbst gezielt bewaffnete Provokateure eingesetzt..."

          Genau so glaubwürdig, wie Tokajews 20.000 Terroristen? In den vielen Berichten, die ich in allen möglichen deutschen Medien gelesen habe, taucht diese Behauptung nicht auf. Nur die Vermutung, dass interne Machtkämpfe der kasachischen Führung eine Rolle gespielt haben könnten. Das klingt auch logisch.

          Demonstranten sind übrigens nicht gleich "böse" wenn sie Gebäude anzünden. So etwas passiert bei (versuchten) Revolutionen. Es ist aber eben nicht friedlich.

          Im übrigen ist es sinnvoll, bei solchen Ereignissen nicht in schwarz/weiß zu denken.

          Dann merkt man auch, dass Putin z.Z. keinen Grund hat, seine Präsenz in Kasachstan länger als nötig auszudehnen. Erstens braucht er die Truppen gerade wo anders. Zweitens ist Kasachstan ein treuer Verbündeter und drittens würde er damit China verärgern. Und das kann er jetzt wirklich nicht brauchen.

  • "Nach Angaben der Führung des neuntgrößten Landes der Erde stabilisiert sich die Lage".



    Falsch zusammengefasst. Die angebliche "Stabilisierung"; bedeutet nicht, dass die Ursachen, die zum Gewaltausbruch geführt haben, gelöst sind. Sondern nur, dass die Führung mit externer Hilfe den Deckel wieder auf den Topf bekommen hat.



    Der Druck im Topf - um im Bild zu bleiben - wird erneut ansteigen und der nächtste Ausbruch wird vermutlich noch heftiger werden. Dazu braucht es keine "Terroristen und ausländischen Kämpfer". Die Bevölkerung weiß selbst wie schlecht es ihr geht und dass sie die Zustände nicht länger ertragen kann und will.

    • @Pfanni:

      Stimmt vermutlich.

      Aber wann kommt der nächste Ausbruch? Nächste Woche oder in 10 Jahren? Das kann niemand sagen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Denken Sie doch nur an die ehemalige DDR! Der Aufstand vom 17. Juni 1953 wurde mit Hilfe der Sowjets beendet.

        Dann war 36 Jahre "Ruhe".

        Erst 1989 gab es den nächsten, diesmal erfolgreichen Aufstand!