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Genderverbot beschlossenBremerhavens eigene Sprache

Das Stadtparlament in Bremerhaven entscheidet nur noch über Belange von „Bürgerinnen und Bürgern“. Die von „Bürger:innen“ sind „rechtschreibwidrig“.

Manche wünschen sich klare Zuordnungen nach Mann und Frau. Doch die Realität ist vielfältiger Foto: Imago

BREMEN taz | In Bremerhaven hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, künftig nicht mehr über Vorlagen und Dokumente zu verhandeln, in denen mit Sonderzeichen gegendert wird. Im Dezember hatte die regierende Koalition aus SPD, CDU und FDP bereits der Verwaltung verboten, mit Sonderzeichen zu gendern. Sternchen, Doppelpunkt und dergleichen gelten damit als „rechtschreibwidrig“. Dies steht im Widerspruch zur Handreichung über gendersensible Sprache des Landes Bremen.

„In Ermangelung einer idealen Lösung nichts zu tun, ist sicherlich keine Option“

Bettina Wilhelm, Bremer Landesfrauenbeauftragte, über Sprachbarrieren

Mit dem Benutzen von gendersensibler Sprache versuchen die Ver­fas­se­r:in­nen von Texten, alle Personen, unabhängig von ihrem Geschlecht, einzubeziehen. Doppelformulierungen in männlicher und weiblicher Form, wie „Schülerinnen oder Schüler“, leisten das nicht: Nichtbinäre, agender oder intergeschlechtliche Personen finden sich in solchen Formulierungen nicht wieder.

Aber dass geschlechtliche Identität über die binäre Frau/Mann-Klassifizierung hinausgeht, steht seit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2017 auch juristisch fest – und sie wird als Persönlichkeitsrecht geschützt. Durch neutrale Formulierungen wie „Pflegekraft“, werden Menschen unabhängig ihres Geschlechts einbezogen. Wo es keinen neutralen Begriff gibt, helfen Genderstern, ein Unterstrich oder Doppelpunkt.

Bremerhavens Regierungskoalition lehnt das nun geschlossen ab. Die drei männerdominierten bis ausschließlich männlich besetzten Fraktionen führen dabei die gleichen altbekannten Argumente auf wie viele andere Kri­ti­ke­r:in­nen gendergerechter Sprache: Das Festhalten an der Rechtschreibung, die gute Lesbarkeit, das stille Mitgemeint sein derer, die nicht explizit genannt werden.

Die FDP beruft sich auf Barrierefreiheit

Der Vorsitzende der Bremerhavener FDP-Fraktion, Hauke Hilz, argumentiert gegenüber der taz mit Barrierefreiheit. „Das ist für uns der Hauptgrund“, sagt er. Für viele Menschen mit Behinderungen wie etwa Autismus, die auf eine klare Sprache angewiesen seien, können solche Schreibweisen ein schwieriges Hindernis darstellen. Außerdem habe Bremerhaven gendersensible Sprache gar nicht verboten, sondern vielmehr in der Form geregelt, dass „beide Geschlechter genannt werden oder ein genderneutrales Nomen“, sagt Hilz.

Bettina Wilhelm, Landesfrauenbeauftragte für Bremen, empfindet die Regelung als Rückschritt. Zu den Grundrechten gehöre auch, Menschen korrekt anzusprechen. Dies verletze Bremerhavens Amtssprache, da durch das Verbot von Sonderzeichen effektiv nichtbinäre Menschen ausgeschlossen würden. Auch fachlich sei das Verbot völlig überholt, es entspreche schon längst nicht mehr den Standards einer Amtssprache.

Allerdings treffe die Kritik einen Punkt: „Keines der Sonderzeichen ist komplett barrierefrei“, sagt Wilhelm. Verschiedene Sonderzeichen seien je nach Art der Beeinträchtigung mehr oder weniger verständlich und funktionierten mit unterschiedlichen Assistenzprogrammen besser oder schlechter. Nach derzeitigem Stand schließe damit die Schriftsprache immer jemanden aus, so Wilhelm. Der Verzicht auf Sonderzeichen sei aber für nicht-binäre Menschen „ein grundsätzlicher Ausschluss, kein technischer“.

Der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein unterstützt Bremens Handreichung zu gendersensibler Sprache. Indem Kontext und Zielgruppe bei der Verwendung von Sonderzeichen mitgedacht werden, könne Sprache barriereärmer gestaltet werden, sagt er. Außerdem weist er auf intersektionale Mehrfachmarginalisierung hin: „Auch unter Leichte-Sprache-Nutzer:innen können sich nichtbinäre Menschen befinden“.

Wilhelm hat ihre Kritik am Gender-Verbot in Absprache mit Frankenstein verfasst und positioniert sich eindeutig: „In Ermangelung einer idealen Lösung nichts zu tun, sei sicherlich keine Option.“ Darüber hinaus ein Verbot auszusprechen, sei „rückwärtsgewandt und fatal“. Auch in Bremerhavens Opposition und im Land Bremen stößt das Verbot auf Widerspruch. Bremerhavens Grüne fordern, den Beschluss des Magistrats umgehend zu korrigieren. Die Abgeordnete Kai Wargalla kritisiert auf Twitter den „politischen Backlash des queerfeindlichen Patriarchats“.

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