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Nach Amoklauf in HeidelbergStudierendenstadt unter Schock

Zwei Tage nach dem Amoklauf von Heidelberg ist das Motiv des Täters weiter unklar. Offen ist auch, bei wem er die Waffen kaufte.

Trauer in Heidelberg: Menschen legen vor einem Gebäude der Universität Blumen und Kerzen ab Foto: Uwe Anspach/dpa

Karlsruhe taz | Auch zwei Tage nach dem Amoklauf an der Universität Heidelberg liegt das Motiv des Täters für die Ermittler weiter im Dunkeln. „Wir wissen nicht, ob der Täter seine Opfer gezielt ausgesucht hat“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg.

Das Gerücht, dass Nico G. der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ nahegestanden haben könnte, weil sich sein Name auf einer Liste des bayerischen Landesverbands findet, bringt aus Sicht der Ermittler nur wenig Licht in die möglichen Motive von G. „Es gibt derzeit keinerlei Hinweise auf eine politisch motivierte Tat“, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Wenn der Täter seine Opfer gezielt ausgewählt haben sollte, spräche wenig für ein fremdenfeindliches Motiv. Nur eins der Opfer, ein leicht verletzter Student, hat einen deutsch-italienischen Migrationshintergrund.

Am Dienstag war der 18-jährige Student der Biowissenschaften nach 12 Uhr mit einem Repetiergewehr und einer Schrotflinte in eine Vorlesung der Biowissenschaften eingedrungen und hatte mindestens dreimal auf die Kommilitonen geschossen. Der Hörsaal war zu diesem Zeitpunkt wegen der Coronamaßnahmen nur mit 30 Studenten besetzt, allesamt Biowissenschafts-Erstsemester, wie Nico G. Eine Studentin erlag am Nachmittag ihren Kopfverletzungen, drei andere Erstsemester wurden leicht verletzt.

Die Polizei war schnell vor Ort. Sie hatte um 12.24 Uhr innerhalb weniger Sekunden sieben Notrufe aus der Universität. Bereits um 12.43 Uhr stand das Spezialeinsatzkommando im Hörsaal, weitere sieben Minuten später fanden sie den toten Schützen außerhalb des Gebäudes.

Warum hörte der Täter auf, zu schießen?

Der bisher einzig bekannte Hinweis auf ein mögliches Motiv ist eine Whatsapp-Nachricht, die der Täter an seinen Vater geschrieben hat. „Einige Leute müssten bestraft werden“, schreibt er darin. Und dass er nicht auf einem Friedhof bestattet werden will, sondern auf See. Als der Vater die Polizei über die Nachricht informiert, sind die Schüsse schon gefallen.

Warum sich der junge Mann rächen wollte und an wem genau, ist aber weiterhin unklar. Die Erstsemester waren für die Vorlesung in Coronakohorten aufgeteilt, es war nicht die Kohorte von Nico G., die sich am Dienstag zur Vorlesung versammelte.

Die Ermittler der 32-köpfigen Ermittlungsgruppe „Botanik“ schließen auch nach erster Sichtung seiner elektronischen Geräte religiöse und politische Motive sowie weitere Mittäter aus. Ob es psychische Gründe gibt, ist bisher unklar. Eine entsprechende Erkrankung, die allerdings lange zurückliegt, könnte ein Hinweis sein. Ebenfalls unklar ist, warum der Täter zwar hundert Schuss Munition in seinem Rucksack hatte, aber nur drei Schüsse abgegeben hat. „Hätte er weiter geschossen, hätte ihn in dem Hörsaal keiner aufhalten können“, sagt ein Ermittler.

Außerdem ungewöhnlich sei bei so einer Tat, dass der Täter laut Staatsanwaltschaft noch nie zuvor bei Behörden auffällig geworden sein soll. Keine Vorstrafen, keine Ermittlungsverfahren. Nicht einmal einen Führerschein habe der junge Mann gehabt, erklärt die Staatsanwaltschaft.

Neben dem Motiv liegt der Schwerpunkt der Ermittlungen nun auf der Herkunft der Waffen. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Täters im Süden Mannheims seien Kaufbelege für die beiden Gewehre und die Munition gefunden worden. „Wir wissen, dass er die Waffen kurz vor der Tat persönlich im Ausland gekauft hat“, sagt der Mannheimer Polizeipräsident Siegfried Kollmar. Nun müssten die Ermittlungen zeigen, wer Gewehre ohne jeden Waffenschein verkauft hat. Diese Leute seien für die Tat mitverantwortlich, so Kollmar. Sicher ist, dass anders als bei früheren Amokläufen weder der Täter noch jemand aus seinem direkten Umfeld einen Waffenschein oder Waffen hatte.

Die Studierendenstadt Heidelberg steht auch zwei Tage nach der Tat unter Schock. Auf den Treppen der alten Universität in der Innenstadt wie auch vor dem Tatort haben Studierende und Passanten Blumen und Kerzen hinterlassen. Rektor Bernhard Eitel zeigte sich beeindruckt von der Anteilnahme, die aus aller Welt bei ihm einging. Jetzt müsse sich zeigen, wie die Tat an der Hochschule aufgearbeitet werden könne, sagte Eitel. Die Studierenden, die die Tat unmittelbar miterlebt haben, würden ab sofort psychologisch betreut, betont Innenminister Thomas Strobl. Auch in der Universitätskirche boten Seelsorger Studierenden Beistand an.

Die vermeintliche Beliebigkeit, mit der der Täter seine Opfer ausgewählt hat, empfinden viele als einen Anschlag auf die Hochschule und ihre akademische Offenheit. Der Vorsitzende der Studierendenschaft, Peter Abelmann, sagt: „Es wird lange dauern, bis wir dieses Trauma verarbeitet haben.“

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