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Zettelwirtschaft statt QR-Code und AppRenitentes Dagegenhalten

Wenn man das Handy nur zum telefonieren nutzt und sonst gar nichts … Unser Autor setzt auf seine Zettelwirtschaft statt auf digitale Impfnachweise.

Das ganze Leben ist ein QR-Code! (Besucher eines Kunstmuseums in Stuttgart) Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

S eit gut einem halben Jahr trage ich zwei inzwischen völlig zerknitterte und mit Fettflecken versehene Zettel mit mir herum. Vor Kurzem ist noch ein dritter zu der Sammlung hinzugekommen. Ich rede von meinen Impfzertifikaten. Jeder normale Mensch mit einem funktionierenden Smartphone hat sich die QR-Codes, die auf diesen Wischen abgedruckt sind, längst auf sein Handy geladen, schon klar. Nur ich nicht.

Ich benutze seit jeher mein Handy zum Telefonieren und sonst zu gar nichts. Und das hat sich auch mit Corona nicht geändert. Ich mache damit keine nutzlosen Selfies, verzichte aus nachvollziehbaren Gründen auf Google Maps und brauche auch keine Wetter-App und sonstige unsinnigen Features für das Mobiltelefon, mit denen andere sich ihr Leben zu vereinfachen meinen. Und es mag viele überraschen, aber bislang kam ich mit dieser Form von Technikverweigerung eigentlich ganz gut zurecht.

Es soll ja sogar Menschen geben, die haben nicht einmal ein Smartphone. Ich kenne sogar ein paar Zeitgenossen dieser Sorte. Darunter auch einen sehr geschätzten taz-Redakteur. Wenn der mit mir Kontakt aufnehmen will, schreibt er mir zuerst eine E-Mail, in der steht dann zum Beispiel: „Ruf mich mal bitte an.“ Und zwar auf seiner Festnetznummer zu Hause oder halt in der Redaktion. Klingt umständlich, funktioniert aber ganz hervorragend.

Smartphone-Verweigerer

Harte Smartphone-Verweigerer wie besagter taz-Redakteur machen es sich aber inzwischen genauso schwer wie ich mit meiner zugegebenermaßen leicht irrationalen Technikphobie, das ist mir schon klar. Andauernd muss ich darauf achten, nicht bloß meine Maske eingesteckt zu haben, wenn ich das Haus verlasse, sondern auch meine Impfzettel, die irgendwo in der Wohnung herumflattern.

Möchte ich auch nur einen schnellen Döner im Stehimbiss zu mir nehmen, muss ich diese umständlich aus der Jackentasche kramen und dem jedes Mal etwas überfordert dreinblickenden Imbissmitarbeiter entgegenhalten. Bei Institutionen wie etwa der Stadtbibliothek, die den QR-Code nicht bloß sehen wollen, sondern auch noch scannen, meine ich zudem bei den Mitarbeitern auch eine gehörige Portion Unwillen wahrzunehmen.

Alle anderen zücken beim Einlass einfach locker ihre Handys und ich krame diese Papierknäuel heraus, die erst noch glattgestrichen werden müssen. Das erleichtert deren Arbeit wahrscheinlich nicht unbedingt.

Alle anderen zücken beim Einlass einfach locker ihre Handys und ich krame diese Papierknäuel heraus

Und überhaupt: Beim Testcenter wird man ohne Smartphone in der Hand erst einmal ungläubig angeschaut, dann wird einem seufzend ein Wisch mit seinen persönlichen Daten ausgestellt. Anschließend darf man dann zur Strafe für seine Renitenz in der Kälte auf das Ergebnis seines Coronatests warten, während alle anderen im Vorbeigehen abgefertigt werden.

Keine Teilhabe ohne Smartphone?

Mir wurde auch schon gesagt, lange gehe das sowieso nicht mehr so weiter mit der Zettelwirtschaft. Ohne die entsprechende App auf dem Handy werde es also bald so ähnlich sein, als sei man gar nicht geimpft. Teilhabe am öffentlichen Leben, an Kultur und Freizeitspaß, werde es ohne ein Smartphone demnach also bald kaum noch geben.

Ich bin gerade gar nicht informiert, wie besagter taz-Redakteur mit diesem Umstand umgeht, von dem ich weiß, dass er gelegentlich ganz gerne Live-Konzerte besucht. Vielleicht hält er es ja wie ich und sagt sich: Solange Omikron durchrauscht, muss ich mich auch gar nicht unbedingt in stickige Konzerthallen begeben, in denen sich das Virus bekanntlich ziemlich wohl fühlt. Vielleicht spielt auch er auf Zeit, hofft, dass die Welle bald wieder abflacht und dann: mal schauen.

Ich jedenfalls besorge mir die Tage erst einmal neue Impfnachweiszettel. Weil die, die ich gerade besitze, kann man im aktuellen Zustand wirklich niemandem mehr zumuten.

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22 Kommentare

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  • Auch für mich funktioniert die Immunkarte im Portemonnaie sehr gut und reibungslos. Und: Man muss keine Angst haben, mal ohne Strom da zu stehen und deswegen einen wichtigen Termin nicht wahr nehmen zu können.

    Ich bin promovierter Informationstechniker und verstehe die Bedenken in Puncto Datenschutz bei Smartphones voll und ganz. Sie sind praktisch nicht abzusichern und gerade Android ist daraufhin designt, so viele Daten wie möglich ab zu saugen und an Google zu verfrachten. Schon wenn man so ein Gerät einrichten, muss man angeben: Mobilfunknummer, Name, Email, Zahlungsdaten für den App Store, praktisch dauerhaft werden Standorte erfasst und gespeichert, der Chrome Browser lauscht am Mikro und so weiter. Ein Alptraum auch in den Augen des Chaos Computer Clubs.

    Und, was viele vielleicht noch nicht gedacht haben: Die deutsche Querdenkerszene und die Britischen Brexit-Nationalisten haben extrem viel gemeinsam, nicht zuletzt beim systematischen Einsatz von Desinformation.

    Eine Journalistin des Guardian, Carole Cadwalladr, hat im Zusammenhang mit der Cambdrige Analytica recherchiert, wie die Daten von Facebook und Sozialen Netzwerken gezielt zur Bildung von Persönlichkeitsprofilen und zur gezielteren Streuung von Desinformation genutzt werden:

    www.theguardian.co...hijacked-democracy

    Diese Persönlichkeitsprofile werden so genutzt, dass je nach Persönlichkeit des Empfängers personalisierte Anzeigen geschaltet werden, die ihn oder sie emotional triggern, also sozusagen deren auf Prägungen basierende Knöpfe drücken, so dass sie reagieren wie gewünscht.

    Unser größte Problem bei der Pandemie in Deutschland sind die Querdenker, und es ist recht plausibel, dass der mangelnde Datenschutz die gezielten Desinformationskampagnen sehr erleichtert und so unser Problem noch verlängert. Deswegen ist Datenschutz *auch* eine lebensrettende Hygienemaßnahme – eine der Informationshygiene.

  • Wir sind 5 Personen. Alle besitzen wir kleine alte Mobiltelefone (wie oben erwähnt, Akku hält 2 Wochen).

    QR-Code-Zettel weilt hübsch gefaltet bei allen anderen Nachweisen im Portmonaie.

    Smartphone? Schaffe ich mir NIE an, weil ich keinen Bock auf Kopfschmerzen, Hautkribbeln, Konzentrationsstörungen und co habe. Bin elektrosensitiv und auch zu Hause hängt alles am Kabel. Mobile Telefone werden nur im Notfall genutzt.

    (Für die Unkenrufer gleich vorweg:



    Elektrosensitivität ist messbar und wurde wissenschaftlich an der Hochschule Lübeck untersucht. Wer´s genauer wissen will: Prof. Klitzing erstellt Messungen und Protokolle. Schwarz auf weiss.)

  • Smartphones sind eigentlich garnicht so schlecht. Ein bisschen Schweizer Taschenmesser: Taschenlampe, Taschenrechner, Wikipedia oder taz, E-Mail-Postfach, Kamera und natürlich Telefon.



    Aus offensichtlichen Gründen erwähne ich hier kein Social Media.

    Aber es ist so, wie mit nem Schweizer Taschenmesser auch: Ich muss es nicht mitnehmen. Und eine Pflicht, es mitzuführen, ist unverhandelbar und obendrein diskriminierend für Menschen die sich keines angeschafft haben (Kleinkinder, Obdachlose oder einige Rentner).

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ich muß doch schon bitten! Ich bin weder Kleinkind, noch obdachlos oder im Rentenalter! Aber im IT-Bereich tätig und somit vorbelastet.

      Handy habe ich daher nicht, Festnetz reicht. Auf Bewegungsprofile beim Mobilfunkprovider lege ich keinen Wert.

      Ich habe aber ein Schweizer Taschenmesser. Sehr praktisch!

      • @Yvvvonnne:

        Ein Victorinox Traveller Lite vielleicht? Mit dem Display, welches acht verschiedene Funktionen inne hat und nur einem einzigen Knopf? Dann ist Yvvvonnne schonmal "based". Wenn nicht, auch nicht schlimm. :3

        Und vorbelastet im IT-Bereich? Doch hoffentlich mit Linux?

        • @Troll Eulenspiegel:

          Victorinox mit Torx, aber ohne LCD.



          Und Linux, klar.

  • Zettel kopieren und an mehreren Stellen verwahren. Es gibt diese kleinen Dokumenthüllen, dort so hinein falten, dass der QR-Code sichtbar und scanbar ist. Eigentlich sollten auch die Codes auf den Mobiltelefonen mit einem scan geprüft werden, sie könnten ja auch gefälscht sein. Also, es dauert nicht länger den digitalen Code zu prüfen als ein Mobiltelefon. Das hat der Autor noch nicht verstanden. Der Impfausweis mit QR-Code ist ein DIGITALER Impfausweis. Er geht auf Papier oder geht auf Bildschirm.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Maria Burger:

      Der QR Code ist KEIN Impfausweis. Er ist eine spezifische Impfbescheinigung.

      Für einen Impfausweis müssten alle Impfungen erfasst werden.

      • @83191 (Profil gelöscht):

        Man kann sie alle drei mitnehmen. Wiegen weniger als das leichteste iPhone.

      • @83191 (Profil gelöscht):

        Und der Impfausweis berechtigt mich nicht mehr, im Restaurant essen zu gehen. Ausgerechnet ein offizielles(!) Dokument, in denen alle Impfungen draufstehen, wird nicht anerkannt. Dafür muss ich ein Handy mitnehmen oder einen QR-Code, welche für formelle Sachen ungeeignet sind.

        Eigentlich muss es genau anders herum sein: Mit dem Impfpass überall reinkommen. Ohne Bescheinigung.

        • 8G
          83191 (Profil gelöscht)
          @Troll Eulenspiegel:

          Das ist auch das Problem was ich damit habe. Es ist allerdings regional sehr unterschiedlich..in meinem Bundesland wird der Impfausweis bspw. anerkannt.

          @Maria Burger:



          Klar gibt es Möglichkeiten. Aber warum bin ich gezwungen eine Alternative für ein funktionierendes System zu verwenden. Weil es nicht fälschungssicher wäre ? Das ist die App halt auch nicht.

          Ich würde es damit vergleichen, dass ich rechtlich gezwungen (!) werde meinen PKW Schlüssel gegen eine elektronische Fernsteuerung zu tauschen, um eine bessere Diebstahlsicherung zu haben.

  • Die Smartphones sind mir zu umständlich. Das Ding rausfummeln, dann die App suchen, sich freuen, dass sie mal wieder schweinelangsam startet..

    Es gibt für die Zertifikatszettel auch Folienhüllen, da verdrecken sie nicht.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Ich empfinde es recht problematisch, dass der Besitz eines Smartphones vorausgesetzt und die Abschaffung des Impfausweises aufgrund derart einfältiger Begründungen ohne großen Widerspruch akzeptiert wird.

    Ich habe gehört, dass auch Bargeld und Pässe gefälscht werden. Das kann man doch mit der gleichen Begründung auch gleich alles digitalisieren. Oder etwa nicht?

    Vielleicht alternativ in einem RFID Chip.. und damit man den nicht mehr vergisst einfach irgendwo unter die Haut... ;-)

  • Wer glaubt denn wirklich, dass das mit dem Zettel schwieriger ist, als mit dem Smartphone?



    Ob ich einen Zettel rauskrame oder ein Gerät, ist doch erstmal egal. Der Zettel ist in meiner Manteltasche, wird also seltener vergessen als die Maske. Einscannen ist auch kein Problem. Auch wenn man manchmal komisch angeschaut wird, problematisch war das noch nie. Man muss halt nur ab und an mal den Zettel neu ausdrucken, bevor er zerfleddert und voller Kaffeeflecken ist.

  • Sie sind nicht alleine.

    Mobiltelefon hier, kein Smartphone. Akkuladung hält rund zwei Wochen.

    Ich bin nicht einmal technophob: im Gegenteil.

    Sollte es je ein Smartphone sein, dann auf keinen Fall Android oder iOS, das steht fest. Aber vielleicht kommt es nicht einmal so weit.

    • @tomás zerolo:

      Ja, daran erkennt man die kritischen Naturwissenschaftler ! ;-)

      Einen relativ guten Kompromiss zwischen Funktionalität und Kontroller für den Nutzer ist ja eventiell das OS von Jolla, das für Nachfolger von Nokias N900 angeboten wird. Aber eben auch ohne Rooten und ähnliche wilde Tricks nicht zu installieren - leider unzugänglich für die meisten Normalbürger.

  • Auf ein Mobiltelefon und erst recht auf ein Smartphone zu verzichten, ist alles andere als "irrationale Technikphobie". Es gibt dafür viele gute Gründe. Umso wichtiger ist es, dass wir weiter mit "Zettelwirtschaft" durchkommen (das gilt ja auch für Bordkarten im Flugzeug und sonstige Fahrkarten).

    Das Thema ist ernster als vom Autor dargestellt. Ich sag's mal so: Mit einer Impfpflicht könnte ich leben, mit einer Smartphone- oder App-Pflicht nicht...

    • @Totti:

      So ist es. Geimpft bin ich sowieso. Ich halte die Impfpflicht zwar für keine gute Idee, aber sie störte mich auch nicht groß, sofern sie nicht mit einem zentralen Impfregister einhergeht.

      Ein Handy oder gar Smartphone kommt aber nicht in die Tüte. Denkt denn niemand an die Umwelt? Und den Datenschutz?

    • @Totti:

      Mir geht es auch so.

  • Ich denke der Autor macht sich das leben schwerer als nötig. Wer den QR-Code nicht auf dem Handy speichern will (oder eben keins hat), dann sich die Codes auch handlich auf eine Scheckkarte machen lassen:



    immunkarte.de/



    Die nutzt sich nicht ab und kann bequem im Portmonee aufbewahrt werden.



    Falls einem die 10€ dafür zuviel sind, kann sich die Ausdrucke auch selbst einlaminieren. Ich denke in der Taz sollte entsprechendes Equipment in der Druckerei vorhanden sein ;-)

    • @Phili:

      Ich habe auch so eine Karte selbergemacht: diesen generierten QR-Code aus der Apotheke kopiert, dann laminiert und schön in Scheckkartenformat ausgeschnitten. (stolz! :-))



      Da man den Perso auch vorzeigen muss sind die jetzt beide in meiner Patte hintereinander gesteckt.

      Wirklich seeeehr praktisch - vor allem wenn man Brillenträger ist und dann nicht mehr mit beschlagener Brille in der Corona-App nach den Zertifikaten rumtippen und scrollen muss.

      • @Waage69:

        Und vor allem: Diese Immunkarte bedient sich super:

        Immunkarte:



        -rausholen & zeigen

        Smartphone



        -rausholen, App starten, warten, in der App rumfummeln..

        Das dauert einfach zu lange. Wenn schon App, dann muss das so gehen: Appsymbol antippen und Code wird sofort angezeigt. Ohne Wartezeit.