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Bürger intervenieren gegen BürgerprojektStreit um Park Fiction

Park Fiction ist ein künstlerisches Nachbarschaftsprojekt in St. Pauli. Nun droht es zu scheitern, weil Anwohner zur Ordnung rufen.

Ergebnis kollektiver Wunschproduktion: Der Park Fiction am Hamburger Hafen Foto: Jonas Walzberg / dpa

Hamburg taz | In Hamburg St. Pauli droht ein künstlerisches Stadtentwicklungsprojekt am eigenen Erfolg zu Grunde zu gehen. Ein von Anwohnern in einem Akt kollektiver Wunschproduktion gestalteter Park hat sich zu einem derart beliebten Treffpunkt entwickelt, dass ein Teil der Nachbarschaft jetzt vom Bezirk eine Regulierung verlangt. Aus Sicht der verantwortlichen Künstler widerspricht das dem Geist des Projekts Park Fiction.

Direkt an der Hafenkante, mit Blick auf die Werft von Blohm+Voss, ist 2005 eine Art Wohnzimmer des Viertels eröffnet worden. Hier gibt es eine runde Insel mit Blechpalmen, einen fliegenden Teppich aus Rasen, einen Hundegarten, ein Holzdeck und ein Tartanfeld, auf dem Basketball gespielt wird. Das Ganze liegt auf dem Dach einer Schulsporthalle und strahlt auch auf den benachbarten Kirchgarten aus, wo es jetzt Mieterbeete gibt und ein Boulefeld.

All das entstand mit Hilfe eines monatelangen Beteiligungsprozesses, bei dem die Leute aus der Nachbarschaft – vom Kind bis zum Greis – mit Hilfe von Pappe, Stift und Knete ihre Phantasie spielen lassen konnten. Das Projekt Park Fiction, das dessen Schöpfer Christoph Schäfer und Margit Czenki 2002 auf der Kasseler Documenta ausstellten, machte Schule. Auch das Quartier anstelle der berühmten Esso-Tankstelle auf der Reeperbahn wurde so entwickelt.

Doch aus Sicht der Anwohner­initiative „Lärm im Park“ hat sich die gute Idee zu einem Alptraum entwickelt. „Aus dem Ort zum Seele baumeln lassen ist ein Ort der Gewalt, des Exzesses und der totalen Rücksichtslosigkeit geworden“, zitiert die Hamburger Morgenpost eine Anwohnerin. Wer auf die Straße gehe und um Ruhe bitte, riskiere „aufs Maul zu kriegen“, wird ein weiterer Anwohner zitiert.

Während tags und abends zu viel Polizei im Park ist, kommt sie anscheinend im akuten Bedarfsfall nicht

Park-Fiction-Komitee

Auf Anregung der Initiative beantragte die Bezirksversammlung Altona beim Senat „sozial- und ordnungspolitische Maßnahmen gegen Partylärm und offene Drogenszene“ am „Brennpunkt Park Fiction“. Leider habe sich dort eine ungute Szene entwickelt, heißt es in dem Antrag von CDU und Grünen: „Gruppen von Touristen mischen sich dort mit Partyvolk und Drogenabhängigen.“ Der Park werde rund um die Uhr genutzt, Nacht für Nacht werde bis zum Morgen gefeiert – und irgendwann die kostenlose öffentliche Toilette nicht mehr benutzt.

Der Bezirk forderte deshalb, die Reinigungsintervalle zu verdoppeln, einen Sozialarbeiter für Park Fiction abzustellen, Hinweisschilder mit Verhaltensregeln aufzustellen und die Polizei um Kontrollen zu bitten. Für eine häufigere Reinigung gebe es kein Geld, teilte der Senat mit, und es gebe bereits genug Straßensozialarbeiter im Viertel, die sich um Drogenkranke kümmerten.

Die starke Präsenz der Polizei ist einem anderen Teil der Anwohner schon jetzt zu viel. Sie werfen ihr Racial Profiling vor: Beim Versuch, den Drogenhandel zu unterbinden, greift die Polizei regelmäßig junge Männer mit dunkler Hautfarbe auf.

Das Park-Fiction-Komitee sieht das ähnlich. Die Bestreifung durch die Polizei habe seit 2016 ein erschreckendes Niveau erreicht, heißt es in einer Stellungnahme an die Bezirksversammlung. „Die absurde Einsatzdichte hat die Lebensqualität für Schwarze Menschen in St. Pauli extrem verschlechtert.“

Dabei setze die Polizei die falschen Prioritäten: „Während tags und abends zu viel Polizei im Park ist, kommt sie anscheinend im akuten Bedarfsfall nicht“, dann nämlich, wenn sie gegen eine sowieso verbotene Ruhestörung einschreiten sollte.

Selbermachen vs. staatliche Intervention

Doch die Kritik des Komitees ist grundsätzlicherer Art: Die staatliche Intervention schwäche die selbst organisierte Problembewältigung, die „trotz der Nähe zum rauhen Pflaster der Reeperbahn“ noch erstaunlich gut funktioniere. „Konnten in der Nachbarschaft früher umfassende Beschränkungen der Zeiten und Orte des Handels abgesprochen werden, ist dies mit der steigenden Polizeipräsenz schwieriger geworden.“

Dabei sei ja die informelle Kultur des Selbermachens „der eigentliche Kern von Park Fiction, als politisches Projekt, als Planungsprozess und als Alltagskultur“. Das Funktionieren dieser Kultur sei immer fragil und seit einiger Zeit gefährdet. Doch statt Abhilfe zu schaffen, attackiere der Bezirk mit seinen ordnungspolitischen Forderungen nach Verbotsschildern und „Sozialarbeit für die nicht vorhandenen Drogenabhängigen“ gerade die selbstorganisierte Kultur.

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3 Kommentare

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  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Das ist doch überall so! Man macht etwas für die Allgemeinheit und rücksichtslose Mitbürger vermüllen, verpissen und verlärmen auf unsoziale Weise die guten Absichten.

    Und statt darauf einzugehen werden die Leute die das nicht hinnehmen möchten heruntergeputzt! So wird es mit dem Egagement immer weniger und die Städte vermüllen immer mehr.

  • Schon witzig, wie sich die einst linke, in Teilen durchaus nicht arme Gemeinschaft aus dem Wohnprojekt nun über die Nutzung des Parks ereifert, dessen Erschaffung sie selbst erwirkt hat. Und nun kommen - im Übrigen seit mehr als 15 Jahren - (junge) Menschen, nutzen den Park selbstbestimmt und machen dabei auch noch Geräusche. Emanzipation und Partizipation, ja gern, aber nur wenn es die in die Jahre gekommenen Bürgerkinder nicht beim Mittagsschlaf stört. Die in der Mopo zitierte Argumentation "wir sind die Guten, weil bei uns wohnen mietfrei Geflüchtete" ist da nicht mehr als ein Feigenblatt. Wie verträgt sich der jahrzehntelang vertretene Anspruch "Kein Gott kein Staat kein Herr kein Sklave" eigentlich damit, ausgerechnet die CDU zum Bündnispartner zu wählen? Wie kommt man auf die Idee, ausgerechnet mehr Polizeipräsenz zu fordern, die man vorher (gerechtfertigt) wegen Kontrollen zwei Meter weiter auf der Balduintreppe noch verteufelt hat? St. Pauli ist laut, dreckig und anstrengend. Wer damit kokettiert, auf St Pauli zu wohnen, sich aber den Wegzug durchaus leisten kann und trotzdem noch jammert, dass Wasser eben nass ist, der sollte sich langsam mal überlegen, ob es nicht langsam mal Zeit für einen Umzug nach Pinneberg wird. Ansonsten wird es nämlich bald wirklich peinlich für wohlstandsverwahrlosten Salonbolschewisten.

    • @Mahner:

      Lärm und Müll und mangelnde Rücksicht auf andere Menschen sind also Zeichen von Emanzipation?