Sexismus an der Universität Göttingen: Professor vor Gericht
Ein Universitätsprofessor steht wegen des Vorwurfs sexualisierter Gewalt vor Gericht. Es ist einer von drei Fällen an der Universität Göttingen.
Die Tatvorwürfe gegen den 57-Jährigen wiegen schwer: Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, sexueller Übergriff und sexuelle Belästigung zulasten von Studentinnen und einer Institutsmitarbeiterin. Die drei Betroffenen, um die es in der Anklage geht und die im Laufe des Prozesses als Zeuginnen aussagen werden, haben sich entschieden, in die Nebenklage zu gehen. Sie selbst sind nicht erschienen, ihre Prozessbevollmächtigten sind jedoch prominent in der Mitte des Saals in zwei Reihen platziert.
Eigentlich war neben der Verlesung der Anklageschrift eine Einlassung des Angeklagten geplant, die wegen Krankheit seiner Verteidigerin auf den nächsten Prozesstermin verschoben wird. Laut Anklage soll der Professor, der auch Institutsleiter war, Studentinnen und eine Institutsmitarbeiterin zwischen 2014 und 2017 wiederholt sexuell genötigt, geschlagen und eingesperrt haben.
Der Wissenschaftler soll unter Bezugnahme auf angebliche Arbeitsfehler die Betroffenen zur Duldung von sexualisierter Gewalt genötigt haben. Nachdem andere Beschäftigte bereits im Feierabend waren, habe er etwa mehrfach eine der Betroffenen in sein Büro bestellt, die Tür hinter ihr abgeschlossen und sich den Schlüssel in die Hosentasche gesteckt.
Er soll sie geschlagen, gegen ihren Willen berührt und gezwungen haben, Körperteile zu entblößen, so die Staatsanwaltschaft. Dabei habe er explizit damit gedroht, das Promotionsverhältnis zu beenden. Vor allem ihre finanzielle und berufliche Abhängigkeit von dem Angeklagten hätten sie nach eigener Angabe dazu gebracht, die Gewalt zu dulden, heißt es in der Anklageschrift.
Eine weitere Zeugin soll der Angeklagte ebenfalls durch Berührungen belästigt und zudem geschlagen haben. Er soll dabei gesagt haben, die Schläge würden der Milchproduktion dienen. Die ungewollten Berührungen habe er als einen „Symmetriecheck“ zur Krebsvorsorge bezeichnet.
Während der Verlesung schaut der Angeklagte, der zunächst eingesunken neben der Stellvertreterin seiner Anwältin sitzt, starr in Richtung der Richter:innen. Mit den dunklen Khakitönen und Mustern auf Anzug und Krawatte erscheint er aus der Zeit gefallen. Während des Vortrags des Staatsanwalts schüttelt er immer wieder leicht den Kopf. Beschämt wirkt er nicht.
Bereits im September 2017 war dem Angeklagten ein Hausverbot sowie ein Verbot der Führung seiner Dienstgeschäfte seitens der Universität erteilt worden. Diese hatte zudem im Sommer 2017 eine Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Mann erhoben, das auf seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzielt. Bis zur Entscheidung des Strafgerichts ist dieses allerdings pausiert, da das zu fällende Strafurteil auch für das Verwaltungsgericht bindend ist.
Verfahren über Verbleib im Beamtenverhältnis
Als einer von drei Fällen an der Universität Göttingen, in denen es um sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch durch Lehrende geht, hatte der Fall des nun angeklagten Professors zuletzt 2019 öffentliche Aufmerksamkeit bekommen.
2019 war ein Biologe strafrechtlich wegen sexueller Nötigung verurteilt worden. Er hatte im Beisein einer Studentin in einem Waldstück auf eine Fleischprobe ejakuliert.
Eine weitere am Verwaltungsgericht Göttingen anhängige Klage befasst sich mit dem Fall eines weiteren hochrangigen Professors, dem sexuelles Fehlverhalten in zahlreichen Fällen vorgeworfen wird. Nachdem Rechtsmittel gegen seine Suspendierung erfolglos blieben, soll noch Anfang dieses Jahres in einem Verwaltungsverfahren über seinen Verbleib im Beamtenverhältnis entschieden werden, teilte ein Gerichtssprecher der taz mit. Es werde ein aufwendiges Verfahren mit vielen Zeug:innen erwartet.
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