Brand im Hamburger „Nachthafen“: Dieser Tresen war einzigartig
Am Mittwochmorgen brannte der „Nachthafen“ auf St. Pauli aus. Was ist das nur für ein schmerzlicher Verlust!
W o ließ sich auf St. Pauli an einem Sonntagabend besser das Wochenende ausklingen als im „Nachthafen“? Zu zweit saßen wir – wegen der Pandemie zuletzt viel zu selten – dort bei drei, vier Astra und doppelt so vielen Zigaretten. Da blickten wir am Tresen belustigt zurück auf das Erlebte der vergangenen Tage und schauten betrübt voraus auf die kommende Woche in Lohnarbeit.
Dieser Tresen! Übers Eck schwang er sich viele, viele Meter entlang der Bar. Sein breites, hell lasiertes Holz ließ jedem Gast Platz, er war einladend. Und wenn am Sonntagabend wenig los war, konnten alle auf Abstand an ihm sitzen. Und sitzen ließ sich dort wunderbar. Der grüne Stoffbezug der Hocker sah so herrlich gemütlich aus. Genauso waren die Rückenlehnen. Viel zu wenige Kneipen haben Hocker mit Rückenlehnen! Im Nachthafen waren immer genug davon da.
Und weil die Decken hoch waren, war es wohl die angenehmste Raucherkneipe weit und breit. Nicht wie anderswo, wo ein Raucher allein schon für Nebelschwaden im ganzen flachen Lokal sorgt.
Den Kickertisch im Keller werden nun wohl auch viele vermissen. Zumindest war oben das Klackern der Torschüsse fast immer zu hören. Wir waren da nie, wir blieben immer oben sitzen. Nebeneinander. Mit Blick auf den Kühlschrank und die Regale voller Schnaps, während aus den kleinen Lautsprecherboxen mal Rockabilly, mal schwermütiger Pop drang.
Mittwochmorgen brannte das alles aus. Zum Glück wurde niemand verletzt. Gibt das wenig Hoffnung, dass die Flammen nicht das endgültige Ende des Nachthafens besiegelt haben? Vielleicht leuchtet die orangene Laterne über den drei Treppenstufen hoch zur Eingangstür eines Tages wieder – gut sichtbar von Weitem, sodass ich mit meinem besten Freund an einem Sonntagabend erneut am Tresen sitzen werde. Auch wenn es dort nie wieder so aussehen wird, wie wir es in unserer Erinnerung haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!