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Tennisprofi Đoković in AustralienMaden im Essen

Novak Đoković' Fall wirft auch ein Schlaglicht auf die inhumane Flüchtlingspolitik Australiens. Es wird auf das Prinzip Abschreckung gesetzt.

Protest gegen australische Flüchtlingspolitik vor dem Hotel, in dem Novak Djokovic vermutet wird Foto: reuters

Berlin taz | Es gibt nur wenige Australie­rinnen und Australier, die dem Drama um Novak Đoković etwas Positives abgewinnen können. Der serbische ­Tennis-Weltranglistenerste ist nach seinem Versuch, mit einer Ausnahmebewilligung die in Australien geltende Covid-Impfpflicht für Ankommende umgehen zu können, zur Unperson geworden. Đoković verbrachte erst acht Stunden im Flughafen in Festhaltehaft. Danach wurde er ins Park Hotel Melbourne verschafft.

Đoković ist mit seiner Festnahme ungewollt zu einem Hoffnungsträger für australische Flüchtlingsaktivisten geworden. Die hoffen, dass die Situation die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Australiens harte Einwanderungspolitik lenken wird. Das Park Hotel wird von der Grenzpolizei als Gewahrsamseinrichtung für Asylbewerber genutzt. Etwa 33 Männer sind derzeit in dem Hotel inhaftiert. Demonstranten und Flüchtlingsanwälte fordern seit Jahren ihre Freilassung.

„Dies ist eine sehr unglückliche Situation, mit der viele Menschen konfrontiert sind, die nach Australien kommen“, fasste Alison Battisson von ­Human Rights for All am Donnerstag die Lage des Tennisspielers zusammen. Sie geht davon aus, dass der Tennisstar trotz seiner Prominenz nicht anders behandelt worden ist als andere Ankömmlinge ohne korrekte Papiere. „Zunächst einmal wurden ihm höchstwahrscheinlich Handschellen angelegt, das ist eine Standardprozedur. Vom Flughafen aus wurde Đoković dann in einem Lieferwagen mit fehlenden Hoheitszeichen zum Hafthotel gebracht.“

Im Hotel selbst seien die Fenster komplett abgedichtet und mit einem Film beschichtet, damit die Inhaftierten von außen nicht gesehen werden können.

Internierungslager in Papua-Neuguinea

Die ­Immigrationspolitik Australiens ist sehr strikt. Ohne korrektes Visum einzureisen wird von der Regierung als schweres Delikt geahndet. Seit Jahrzehnten deportiert Australien zumeist Muslime, die versuchen, über Länder wie Indonesien per Boot nach Australien zu fliehen, in Internierungslager in Papua-Neuguinea und Nauru, wo sie jahrelang ausharren müssen.

Die Bedingungen in den Lagern werden von NGOs als „unmenschlich“ und „grausam“ beschrieben. Mit dieser Politik der Härte will Australien offiziell Nachahmer davon abhalten, die gefährliche Reise übers Meer zu unternehmen. Flüchtlingsorganisationen werfen Canberra aber vor, mit der Methode an den unterschwelligen Rassismus im Land zu appellieren: Die Mehrheit steht hinter der Internierungspolitik.

Bei Novak Đokovićs Mitbewohnern im Park Hotel Melbourne handelt es sich vorwiegend um Asylsuchende, deren Flüchtlingsstatus abgeklärt werden muss oder die auf ihre Abschiebung warten. Dieser Prozess kann viele Jahre dauern. Die Inhaftierten dürfen das Hotel und ihre Zimmer in dieser Zeit nicht verlassen. Jüngst gab es Berichte über Maden im Essen. Außerdem wurde die Anlage von Experten wegen der schlechten Belüftung kritisiert. Kürzlich war das Hotel Schauplatz eines Covid-19-Ausbruchs, bei dem sich die Hälfte der Häftlinge und etwa zwanzig Mitarbeiter infiziert hatten.

„Novak Đoković hat die Ressourcen der ganzen Welt hinter sich“, sagt Alison Battisson. „Wenn jemand wie er in dieses brutale Regime hineingezogen werden kann, dann muss man sich mal vorstellen, was mit Menschen passiert, die am Flughafen oder per Boot Asyl beantragen. Sie sehen sich einem undurchdringlichen System von sich ständig ändernden Regeln und Vorschriften gegenüber.“

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7 Kommentare

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  • Warum auch soll für den Kerl eine Ausnahme gemacht werden? Er wusste genau, auf was er sich einlässt, meinte aber, dass zwar alle gleich seien, er aber eben gleicher!

    Wenn ein gewisser Battison meint: ...Đoković hat die Ressourcen der ganzen Welt hinter sich, dan stimmt das nicht. Es gibt genügend Leute, die ihn für einen sich selbst überhöhenden Typen halten.

    • @fvaderno:

      Man kann nicht jemandem ein Visum geben und dann, wenn er am Flughafen steht, es wieder zurückziehen. Das ist ne Sauerei. Hätte er vorher keins bekommen, wärs in Ordnung, aber so....

      • @skipp39:

        Australien hat eben eine Zentralregierung und nur in deren Händen liegen die Bestimmungen über die Einreise.

        Sicher ist es richtig, dass die Organisatoren des Turniers ihm keine Genehmigung für das Spiel geben sollen. Ob das mit der lokalen Verwaltung abgesprochen war oder nicht, ist egal. Ein Visum für Australien bekommt man nur in der Botschaft!

        Der eingebildete Star versucht jetzt Unterstützung aufgrund von Mitleid zu bekommen.

        Eine befreundete Familie ist jetzt in dem Land und besucht ihren Sohn mit einer jungen Familie. Das Visum bekamen sie nach einer langen Prozedur. Warum soll das nicht gelten, der denkt er sei eben gleicher als andere!

  • Aber ich muss jetzt kein Mitleid mit Herrn Đokovićs haben ?

  • Ein millionenschwerer europäischer Tennisprofi wird bei illegalem Einreiseversuch also genauso behandelt wie ein armer Flüchtling.

    • @Laurenz Kambrück:

      Ist doch fair. Die Unterbringung im "Park Hotel" mit einer Internierung oder gar einem Gefängnis zu vergleichen, ist übrigens gänzlich übertrieben. Jeder "Insasse" kann jederzeit ausziehen indem er seiner Ausreisepflicht nachkommt und das Land verlässt, in das er nicht einreisen darf. Das hat ein australischer Minister gestern noch einmal klargestellt.

  • Es ist bekannt, dass der Umgang Australiens mit Flüchtlingen tausenden Menschen in den letzten 20 Jahren das Leben gekostet hat.

    theconversation.co...-under-labor-38094



    www.theguardian.co...-dangerous-mission

    Tja. Da scheinen die Gene eine Rolle zu spielen.