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Schwedens Innenministerin Ida KarkiainenErklärungsnot wegen Hitlergruß

Ein altes Foto zeigt die Ministerin mit erhobenen rechtem Arm auf einer Party. Und weitere Details bringen die 33-Jährige in Bedrängnis.

Allenfalls ein ironischer Hitlergruß, verteidigt sich die schwedische Innenministerin Ida Karkiainen Foto: Sören Andersson/TT/picture alliance

Stockholm taz | Schwedens jüngste Ministerin, Ida Karkiainen, ist gerade mal wenige Tage im Amt, da muss sie sich von ihrer Chefin, Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, schon Kritik gefallen lassen: „Das ist zutiefst geschichtslos und äußerst unangemessen.“

Grund für die Rüge ist ein kürzlich aufgetauchtes Foto. Es zeigt die heute 33-jährige Innenministerin Karkiainen im Alter von 15 oder 16 Jahren, wie sie in einer Küche steht und ihren rechten Arm schräg nach oben streckt. Ja, das könne ein Hitlergruß sein, meint Karkiainen selbst. Das Foto sei vielleicht bei einer Party in ihrer Wohnung entstanden, der Gruß sei allenfalls ironisch gemeint gewesen. „Ich habe nie eine solche Geste gemacht, um damit Sympathien für eine solche verabscheuungswürdige Ideologie auszudrücken“, sagte sie.

Veröffentlicht hatte das alte Foto eine den rechtspopulistischen Schwedendemokraten nahestehende Netzpublikation. In einem dazugehörigen Artikel wurde behauptet, in der Wohnung, in der die junge Karkiainen damals mit ihrem Freund wohnte, habe es häufig Feste gegeben, bei denen „White Power“-Musik gespielt wurde. Auch das will Karkiainen nicht grundsätzlich bestreiten: „Ich kann nicht Verantwortung dafür übernehmen, welche Musik andere gehört haben.“

Eine damals Minderjährige, womöglich betrunken auf einem Fest, ein aus dem Zusammenhang gerissenes Foto – was soll’s? So kommentieren die einen. Andere ziehen Parallelen zum 20-jährigen Prinz Harry im Nazikostüm.

Der Soziologieprofessor Ulf Bjereld von der Universität Göteborg vermutet, es könne den Sozialdemokraten nun schwerer fallen, Politikern der Schwedendemokraten ihre neonazistische Vergangenheit vorzuhalten: „Es wäre besser gewesen, sich von Anfang an offen und transparent zu verhalten.“

Lob in Karkiainens Heimatstadt

Das Foto veranlasste die Stockholmer Zeitung Svenska Dagbladet, am Sonntag eine dreiseitige Reportage aus Karkiainens Heimatstadt Haparanda im äußersten Nordosten zu veröffentlichen. Die Reporterin traf dort unabhängig von der Parteizugehörigkeit nur Menschen, die höchstes Lob für die Ministerin hatten: Ob als Schulsprecherin, als Mitglied eines Jugendkomitees oder als Lokalpolitikerin: Nie hätte sie sich Nazisympathien verdächtig gemacht.

Die antirassistische Zeitschrift Expo hingegen hat Probleme mit Karkiainens Partner. Der spielt in der Metalband Raubtier, in deren Übungsraum eine Südstaatenflagge hängen soll. Einige Songtexte bewegten sich in einer „Grauzone“. Deshalb seien sie in rechtsradikalen Kreisen beliebt.

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21 Kommentare

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  • Wenn es keine Rechtsextremisten gäbe, die so prima Acht geben, wäre die Welt längst im Rechtsextremismus versunken!

  • Ob versehentlich oder ausgerutscht, Nötigung durch Gruppenzwang oder als ein einfacher Spaß in der Teeniezeit: Es ist und bleibt eine abscheuliche Geste, welche Menschen in Konzentrationslagern und in jüdischen Gemeinden verhöhnt und dessen Verwendung unterlassen werden sollte.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Troll Eulenspiegel:

      Und nebenbei sind wir für die Abschaffung der Redewendung 08/15 aufgrund der Bedeutung als Deutsche Militärnorm im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ja, das sollte man, allerdings machen junge unreife Menschen ab und zu Dinge, die man nicht tun sollte und ältere sogar auch, vor allem wenn sie durch Alkohol enthemmt sind und nicht mehr so genau zwischen richtig und falsch unterscheiden können.

  • Im ganzen Artikel kein Jota über die politischen Absichten der Dame - geht's noch? Ansonsten ziemlich nah irgendwelchem Sippenhaftgeraune...

  • Wer (heute noch) ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.

    Man fragt sich schon, wohin die moralischen Ansprüche noch steigen sollen? Am Ende erfüllt nur noch ein ganz kleiner Kreis das jeweilige Reinheitsgebot - egal ob in Politik, Kultur oder sonstwo in der Gesellschaft - und dann? Zu diesem Kreis möchte ich nicht mehr gehören und ich möchte auch nicht von diesen "geführt" oder regiert werden.

    • @TazTiz:

      Also ich muss ja zugeben den Hitlergruß angedeutet zu haben als Geste um einen ironischen/Überspitzten Punkt zu verdeutlichen und einige Lacher zu kassieren. Wenn jemand davon ein Foto gemacht hat und es eben nicht als quasi körperliche Untermalung des Verbalen erkennbar ist, kann ich verstehen wieso man hier meint man sei zu pingelig. Aber wenn man mit 16 in Gruppen unterwegs ist die Musik mit Rassismus/Antisemitismus abfeiern und das dann auch für alle anwesenden über Lautsprecher bei Hausparties laufen lassen muss man sich fragen ob der Hitlergruß dann nicht, wie bei mir reine Gestik zum Witz ist, sondern Ausdruck einer Gesinnung?

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Hat ja Jesus gut gemeint, als er die Steinigung in Frage stellte.

      Doch daraus ist geworden: " Wer keinen Stein wirft, ist schuldig!"

    • @TazTiz:

      Ich würde ja sagen, die moralischen Ansprüche könnten garnicht hoch genug liegen. Wenn wir nämlich anfangen, Milde walten zu lassen und solche abscheulichen Gesten gesellschaftlich nicht mehr verächten, ja das ganze nur noch als Jugendstreich abstempeln, anstatt den Zeigefinger zu erheben, dann können wir gleich wieder anfangen, Statuen vom großen Deppen mit Oberlippenbart aufzustellen. Weil rechtsextreme Sitten ja zur Normalität werden. Eine Ohrfeige für diejenigen, für die wir, die Deutschen, seit über 75 Jahren Verantwortung tragen.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Sie unterschätzen bei Ihrer klaren Haltung folgendes: was heute moralisch geboten ist, kann sich sehr schnell ändern. Die Methoden der Sanktion ändern sich jedoch nicht oder nur langsam. Die Geschichte hat dies oft und eindrücklich gezeigt. Der Spruch "die Revolution frisst ihre Kinder" umschreibt dies leider nur ansatzweise. Das französiche Schaffot galt am Anfang nur dem bösen Adel, später lagen alle dort ...

        Mir ging es bei meinem Unken nicht um einen vergleichsweise harmlosen Hitlergruss einer (betrunkenen?) Minderjährigen, aber das haben Sie sicher auch gemerkt.

      • @Troll Eulenspiegel:

        ich möchte nicht in einer Welt leben, wo Leute mit Ihrer Haltung das sagen haben. Da muss man jeden Tag aufpassen, dass man nie einen Fehler macht, nie jemandem auf die Füße tritt, immer höchsten moralischen Ansprüchen genügt "können gar nicht hoch genug liegen"....wie grausam und eng das wäre, unmenschlich geradezu, denn der Mensch ist nun mal fehlbar, hat Bedürfnisse, Emotionen, in denen er vielleicht mal vergessen will, wie man sich perfekt zivilisiert verhält. Ich wage auch zu bezweifeln, dass das all den Empörten hier gelingt - meine persönliche Erfahrung mit Moralpredigern ist eher gegenteilig, bei sich selbst waren sie eher milde gestimmt.

        • @Dr. McSchreck:

          Sicherlich verhält sich der Mensch auch mal tölpelhaft und macht Fehler. Dieses Argument zieht jedoch erstens mal nicht in der Realität. Der Polizist wird dir dennoch eine Strafe geben, wenn du, was menschlich ist, den Führerschein vergisst. Gesetz sticht Menschlichkeit.

          Zweitens, und hier kommen wir zu den moralischen Aspekten bezüglich der Verantwortung gegen den Massengenozid an Juden in Deutschland: Es gibt, bzw. sollte es geben, in Europa eine starke Verantwortung, welche wir hier zu tragen haben, dass Greueltaten wie das der Nazis nicht mehr zu passieren haben. Dazu zählt bereits im frühen Alter Menschen beizubringen, dass gewisse "Fehler" erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Das wird auch der Dame der schwedischen Sozialdemokraten wissen, doch statt zu sagen, dass ihr Verhalten abscheulich war, verharmlost sie dies, dass es schon ewig her sei, und man noch jung war.

          Sie trat auch der Party bei, in der rechtsextreme Musik lief (wahrscheinlich Onkelz oder Xavier Naidoo), obwohl ihr sozialdemokratischer Geist oder eine frühe Aufklärung sie eigentlich davon abhalten sollte, die Party weiterhin zu besuchen.

          All das wirft ein schlechtes Licht auf die Dame. Da kann man nicht mehr von Versehen sprechen. Ich weiß, es euch (damit auch an Tatziz gerichtet) schmeckt nicht, dass es gewisse Dinge gibt, in der die Moral einfach eine unangreifbare Hoheit besitzt, aber im Geiste der Menschenrechte sind solche Ansprüche nunmal nötig. Diese Ansprüche sind das Garant, dass wir es immernoch sehr ernst mit Menschenrechten meinen, welche es in der modernen Form leider erst seit wenigen Jahrzehnten gibt, und es eine Schande wäre, wenn andere Auslegungssachen von Moral die Oberhand gewinnen werden .

  • Von Jugendsünde bis rechte Cancel Culture: taz.de/!s=Sarah-Lee+Heinrich/

  • Jetzt wird wieder der liberale Weichspüler eingesetzt: Sie war jung, es war nicht so gemeint, jeder macht mal Fehler, da ist die Hand ausgerutscht. Ich kann es nicht mehr hören!

    • @Frank Stippel:

      Wenn ich perfekt wäre könnte ich auch nicht die Ausflüchte der ganzen anderen Menschen ertragen.

      • @Blechgesicht:

        Stimmt ich habe noch vergessen: Wer noch nie den Hitlergruß gezeigt hat, werfe den ersten Stein.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    In einer Welt in der die Figur Hitler für jede mögliche Satire und Klamauk herhalten muss bzw. hergehalten hat, kann so ein Vorfall kein Tabu-Bruch mehr sein.

    Mir fällt da „Der Wixxer“ ein,

  • Wenn man was finden will, findet man was.



    Z.B. einen englischen Heranwachsenden, mit Naziuniform beim Fasching, in einem Land, in dessen Hauptstadt an jedem zweiten Tourishirtstand ein Hitler-European-Tour-Shirt verkauft wird.



    Hitlergruß, aus welchem Grund auch immer, auf einer Teenieparty, unfassbar.



    Wie wusste es schon der gar nicht so doofe Bushido?



    Zeiten ändern Dich.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Alternative für die nächste Faschingsparty? Statt Indianer Nazi?

    Aber Mal im Ernst, "im Alter von 15... Jahren"? Fällt das nicht unter Jugendschutz? Meine Fotos von damals sind auch peinlich. Selbst Prinz Harry kann man verzeihen.

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Was heißt da "neonazistische Vergangenheit"? Die ist Gegenwart.

  • Schaut eure Photoalben durch, irgendwo werdet ihr auch mal die Hand gestreckt haben und es war sicher nicht als Hitlergruß gedacht. Deshalb würde ich 1 Photo nicht als Beweis einer kranken Gesinnung sehen. Geht lieber gegen den braunen Mobb vor, der ungeniert auf den Straßen mit rechten Parolen aufmarschiert, auf Demonstrationsrecht macht aber übelster Gesinnung ist und ungeniert den Hitlergruß macht.