Mitte-Rechts-Bündnis in Schweden: Tabubruch in Bullerbü

Die bürgerlichen Parteien machen mit den völkischen Schwedendemokraten gemeinsame Sache. Das liegt auch an einem schwachen Premierminister.

Jimmie Åkesson

Die Brandmauer ist gefallen: Jimmie Åkesson von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten Foto: Imago

Diesen Sommer werden wieder Zehntausende deutsche Schwedenfans – dank Impfung oder Negativtest – die Fähre in den Norden nehmen, viele mit reichlich ­naiven Bildern im Kopf: Die EinwohnerInnen sind von Geburt an politisch links, wahnsinnig tolerant und zahlen gern Steuern, um einen tollen Sozialstaat zu finanzieren.

Dieses Schwedenbild war schon immer schräg. Seit dieser Woche ist es endgültig zu einem Klischee verkommen, das nichts mit der politischen Realität zu tun hat. Die bürgerlichen Parteien haben zusammen mit den rechtspopulistisch-völkischen Schwedendemokraten (SD) eine gemeinsame Initiative für eine restriktivere Einwanderungspolitik vorgestellt – weil ihnen das gar nicht so freizügige neue Einwanderungsgesetz der rot-grünen Minderheitsregierung zu lasch ist.

Mit dabei ist die kleine liberale Partei, die eigentlich Rot-Grün im Parlament stützt. Familiennachzug und Aufenthaltsgenehmigungen aus humanitären Gründen sollen erschwert werden. Mehr noch: Die Liberalen schließen nicht mehr aus, eine Koalition zu unterstützen, die von den Schwedendemokraten abhängig ist.

Es ist ein Tabubruch, in der Tat ein „historischer Schritt“, wie SD-Chef Jimmie Åkesson twitterte – die Brandmauer gegen die ehemals offen rechtsradikale Partei ist gefallen. Seit 2014 konnte die rot-grüne Minderheitsregierung davon profitieren, dass es keine Mehrheit rechts von ihr ohne Beteiligung der Schwedendemokraten gibt. Und sie konnte ausnutzen, dass die politische Mitte in Schweden mit vier im Parlament vertretenen Parteien zersplittert ist; ein oder zwei von ihnen ließen sich immer auf ihre Seite ziehen.

Die Rechtswende in Schweden hat auch ihre Ursachen in der Führungsschwäche des blassen sozialdemokratischen Premierministers Stefan Löfven, die er seit 14 Monaten in der Coronapandemie unter Beweis stellt. Ihm ist es nie gelungen, ein stabiles Bündnis in die Mitte hinein zu schmieden. Spätestens im Herbst 2022 wird in Schweden gewählt. Noch haben die SozialdemokratInnen genug Zeit zu überlegen, ob Löfven der Richtige ist – um Schlimmeres zu verhindern.

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