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Putins Kalkül und Bidens BeitragDer Krieg ist längst da

Die Welt starrte mit falscher Erwartungshaltung auf das Gespräch von Joe Biden und Wladimir Putin. Dass die Spannung hoch bleibt, ist Strategie.

Treffen sich zwei und haben sich nicht viel zu sagen Foto: dpa

Z wei Stunden und fünf Minuten dauerte das Videogespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne eine gemeinsame Pres­se­konferenz im Nachhinein. Zu Beginn durfte die Presse zusehen, wie sich die beiden Staatsmänner einmal zulächelten, dann wurden die Türen geschlossen.

Im staatlichen russischen Fernsehen wurde im Anschluss ausführlich ein Knopf in Putins Büro erörtert, mit dem der Präsident während des Gesprächs einen Assistenten hätte herbeirufen können. Den Knopf hat Putin nicht gedrückt, sagt der Journalist immer wieder. So wenig Spannendes gab es im Nachgang des Gipfels also zu berichten.

Putin forderte Sicherheitsgarantien, was ohnehin schon vermessen ist, und das Versprechen, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werden würde. Biden ging auf diesen Wunsch nicht ein. Ob dem russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine bald eine Invasion des Nachbarlands folgt, das weiß immer noch niemand.

Die Welt starrte mit falscher Erwartungshaltung auf dieses Gespräch: Als wäre nicht von Anfang an klar gewesen, dass es keine greifbaren Ergebnisse geben würde.

Ein Autokrat

Denn auch Putin ist bewusst, dass ihm der Westen nicht entgegenkommen wird. Ein Nato-Beitritt der Ukraine ist gar nicht im Gespräch, und trotzdem verlangt er die Zusicherung, dass es diesen nicht geben wird. Putin ist ein Autokrat. Seine Handlungen dienen einzig und allein seinem Machterhalt. Das ist das übergeordnete Ziel. Kein Versprechen und keine Beteuerungen könnten ihn deshalb milde stimmen. Und so lässt sich jeder Schritt des Westens für die eigenen Zwecke instrumentalisieren.

Was für Putin zählt, ist die Symbolik, die in so einem Treffen steckt. Das Ziel ist die Show. Und die hat er bekommen.

Denn endlich konnte sich Russlands Präsident wieder als der große und starke Herrscher inszenieren. Biden hat ihm dazu verholfen, indem er ihn an einen Tisch geholt hat und ihm auf Augenhöhe begegnet ist. Die mediale Aufmerksamkeit für das Präsidentengespräch tat ihr Übriges. Putin trat also auf die politische Bühne und sprach: Schaut her, ich bin der ewige Präsident, ich kann Angst und Schrecken verbreiten, wenn ich will, sprechen selbst die USA mit mir.

Hier will sich einer größer machen, als er ist, könnte man argumentieren. Bei Putins Spielchen handelt es sich mehr um eine militärische Drohkulisse als um eine ernsthafte Gefahr. Wenn gewollt, hätten die Truppen längst ukrainisches Gebiet besetzen können. Das ist die eine Seite.

Ständige Unsicherheit

Leider kann man Putin nicht einfach als einen aufgeblasenen Typen abtun. Denn eine reale Bedrohungslage ist de facto seit Jahren da. Russlands Präsident schreckt ja nicht davor zurück, die Krim zu annektieren und in den Donbass einzumarschieren. Schon einmal tauchten also grüne Männchen auf ukrainischem Staatsgebiet auf – wieso sollten sie es nicht wieder tun?

Russlands Außenpolitik ist bewusst uneindeutig. Sie macht es schwer, vorherzusagen, was als Nächstes passiert. Heute gibt sich Putin staatsmännisch, morgen spricht er plötzlich von „Völkermord“. Das Gegenüber bleibt so in ständiger Unsicherheit. Das ist die Taktik.

Droht es also zu eskalieren? Steht gar ein Krieg bevor? Diese Fragen wurden diese Woche immer wieder erhitzt diskutiert. Außer Acht gelassen wurde dabei, dass es doch schon längst eskaliert ist, ein Krieg seit über sieben Jahren mitten in Europa herrscht und bislang mehr als 13.000 Todesopfer gefordert hat. Am Ende braucht es erst ein Aufgebot an russischen Truppen, um das in Erinnerung zu rufen.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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9 Kommentare

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  • "Putin ist bewusst, dass ihm der Westen nicht entgegenkommen wird. Ein Nato-Beitritt der Ukraine ist gar nicht im Gespräch, und trotzdem verlangt er die Zusicherung, dass es diesen nicht geben wird", schreibt Frau Zingher. Wieso wird die reale Sachlage stets und ständig vertuscht?? Die Ukraine ist bereits so offensichtlich an die NATO "angedockt", dass der nächste Schritt einerseits nur logisch wäre, anderderseits einstweilen nicht mal notwendig ist. Das EU-Ukraine Assoziierungsabkommen (Janukowitsch fiel, als er das nciht unterschreiben wollte!!) ist in Artikel 7 völlig eindeutig: "Die Vertragsparteien intensivieren ihren Dialog und ihre Zusammenarbeit und fördern die schrittweise Annäherung im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)..." Das sind Militärfragen, das ist Militätintergration und nichts anderes! Alle, die in der EU hier mit der Ukraine reden können, sind NATO-Mitglieder. Kein Mensch in den deutschen Medien scheint das zu kennen, bzw. die, die das kennen (müssen), verschweigen diesen eit 2014(!!!) geltenden Vertrag, einschließlich denen Linken, denen ich Unkenntnis und Inkompetenz unterstelle. Klar weiß die russische MIlitärführung incl. Präsident, dass, wer A gesagt hat, irgenwann B sagen will. Wer will Russland (Putin ist gar nicht das Problem, selbst "Gorbi" steht hier hinter Putin!!) verdenken, zu sagen: Sagt nicht B und unterlasst das ständige Hoch-Heizen.





    [...]

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  • Soweit ich weiß, nimmt die NATO nur Staaten auf, die keine ungelösten militärischen Konflikte mit anderen Staaten haben.



    Die Ukraine kommt daher zu spät mit ihrem Beitrittswunsch. Sie war und ist kein NATO-Mitglied. Als Putin 2014 die Krim annektierte, musste er demzufolge nicht fürchten, sich mit der NATO anzulegen. Und die ukrainische Armee allein war zu schwach, sich gegen die übermächtige russische Armee zu wehren.



    Für Putins nächste Projekte (z. B. Ostukraine?) wäre es hilfreich, sich wieder nur mit der ukrainischen Spielzeugarmee auseinandersetzen zu müssen und nicht mit der ernstzunehmenderen NATO. Das war wohl auch der Grund, weshalb er von den NATO-Mitgliedern Estland, Lettland, Litauen erstmal die Finger lässt.

  • Was mir nach dem lesen des Artikels nicht klar wird, warum fällt es dem Westen so schwer Putin zu versprechen, dass die Ukraine nicht NATO-Mitglied wird? Mag ja sein, dass das Versprechen vermessen ist, dass dem Autokraten Putin kein Versprechen milde stimmt, dass er heut dies, morgen das sagt, nur an seinem Machterhalt interessiert ist, Angst und Schrecken verbreiten möchte, die Show liebt, kleine Kinder isst, auf Augenhöhe wahrgenommen werden will und wenn es ihm beliebt, wo es ihn beliebt, kleine grüne Männchen auftauchen lässt, aber was hindert dies alles die NATO daran ihm das Versprechen zu geben? Wir, der Westen, unsere demokratischen Führer sind doch zivilisiert, aufgeklärt, milde, sachlich, vorsichtig, sanft, ehrlich und schön, wir könnten das doch? Der Klügere gibt doch nach.

    • @Colonel Ernesto Bella:

      Putin hat VIEL Milde vom Westen erhalten. Wo aber hätte er jemals nachgegeben im Gegenzug (Stichwort "Milde")?

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Colonel Ernesto Bella:

      Und was bietet Russland im Gegenzug? Außerdem will Russland ja nicht nur keinen NATO Beitritt sondern auch keinen EU Beitritt, die Ukraine soll schön brav sich Russland unterordnen.

  • "Denn endlich konnte sich Russlands Präsident wieder als der große und starke Herrscher inszenieren."

    Das könnte einem amerikanischen Präsidenten nie passieren, das ist schon mal sicher.

    Darf ich einmal anfragen, was der avisierte Sinn von diesem Artikel ist? Irgend eine Form von Einsicht in irgend eine Richtung?

    mfg

  • Und täglich grüßt das Murmeltier:

    Auch wenn Putin sicher kein Waisenknabe ist, wird in diesem „Kommentar“ mal wieder Ursache und Wirkung vertauscht und Vorgänge verkürzt dargestellt:

    Die Nato kriecht seit Jahrzehnten absprachenwidrig auf Russland zu, die Krim hat nach dem westlich angefachten Maidanputsch (googeln: „Nuland“ und „Fuck the EU“) in einem Volksentscheid den Anschluss an Russland erbeten und die Ukraine tut ihr bestes, um den Konflikt im u.A. Donbass am köcheln zu halten, statt ihre vertraglichen Pflichten zur Lösung (Minsk II) zu erfüllen.

    Trotzdem wird Russland als Agressor dargestellt.

    Wieso sollte Russland dann nicht nach Sicherheitsgarantien verlangen dürfen?

  • "Nato-Beitritt der Ukraine ist gar nicht im Gespräch" — sicher?

  • Tja. Finde, "der Westen" sollte "einfach auf Zeit spielen"; zum einen, weil P bald 70 wird, zum anderen (fand ich ganz interessant...) Rus bekommt knapp 70% seiner "Devisen" aus RohstoffExporten (mit NorthSt2 ja evtl. bald 75%?), wenn erstmal (im 10, 20 Jahren (viel?) weniger davon verbrannt wird - was bleibt dann von RUS... Da kann man nur hoffen, dass die viele gammel AKW sicher runter gefahren werden - Gas bleibt ihnen ja erstmal... ...Für die Menschen zB in der U natürlich schon fies, aber tja...??