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Menschenrechte in RusslandAus 13 werden 15 Jahre

Ein Gericht erhöht das Strafmaß für den inhaftierten Historiker Juri Dmitriew. Er hatte zu Opfern Stalin’scher Repressionen gearbeitet.

Der Historiker Juri Dmitriew vor Gericht am 27. Dezember 2021 Foto: Peter Kovalev/Itar-Tass/imago

Berlin taz | Ein russisches Gericht in der Stadt Petrosawodsk hat die 13-jährige Lagerhaft unter verschärften Bedingungen für den Historiker Juri Dmitriew am Montag auf 15 Jahre verlängert. Laut Aussage von Dmitriews Anwalt Wiktor Anufriew sei dieses Urteil zu erwarten gewesen. Schließlich gehe es darum, Stärke, Macht und Einfluss der staatlichen Machtstrukturen zu demonstrieren, zitiert das Onlineportal Nastojaschee Vremja den Anwalt. Eine erneute Berufung sei ausgeschlossen.

Der Lokaljournalist Waleri Potaschew schrieb auf seiner Facebook-Seite: „Dmitriew hat das Urteil mit Würde zur Kenntnis genommen und darum gebeten, allen, die ihn an diesem Tag und über all die Jahre unterstützt haben, zu danken.“

Als Leiter der karelischen Sektion der Menschenrechtsorganisation Memorial hatte sich Dmitriew als einer der Ersten der Aufarbeitung Stalin’scher Verbrechen in Sandarmoch gewidmet. Dort sollen auf dem Höhepunkt der Säuberungen 1937/38 rund 10.000 Menschen hingerichtet worden sein. Unter seiner Ägide wurde die Existenz von 150 Massengräbern dokumentiert, in denen sich die sterblichen Überreste von 4.500 Opfern befinden sollen.

2016 war der heute 65-jährige Dmitriew festgenommen worden. Zunächst wurde ihm vorgeworfen, pornografische Aufnahmen von seiner Pflegetochter gemacht zu haben. Später kamen auch noch der Vorwurf des sexuellen Missbrauch des Mädchens sowie Waffenbesitz hinzu.

Hin und her

In den folgenden Jahren ging es in dem Fall zwischen den verschiedenen Instanzen der Justiz immer wieder hin und her, wobei die jeweiligen Straftatbestände je nach Gutdünken verworfen oder wieder in Anschlag gebracht wurden.

2018 wurde Dmitriew zu zweieinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Bei einer Wohnungsdurchsuchung war angeblich ein Stück von einem Lauf eines Jagdgewehrs gefunden worden. Wenige Monate später erfolgte eine erneute Anklageerhebung wegen sexuellen Missbrauchs.

Ein erstes Urteil im Juni 2020 lautete auf dreieinhalb Jahre Straflager unter verschärften Bedingungen. Im darauf folgenden Herbst wurden daraus dann plötzlich 13 Jahre. Über 400 Wis­sen­schaft­le­r*in­nen und Kulturschaffende forderten in einer gemeinsamen Erklärung Dmitriews Freilassung.

Die jüngste Verschärfung des Strafmaßes gegen Juri Dmitriew ist ein weiterer Schlag der Staatsmacht gegen Memorial vor dem wohl endgültigen Showdown für die Organisation. Seit 2016 ist Memorial als „ausländischer Agent“ gelistet.

Verstöße gegen Auflagen

Mit dieser Bezeichnung werden Organisationen gelabelt, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Seitdem wurde Memorial wegen Verstößen gegen Auflagen mehrfach zu hohen Geldstrafen verurteilt. So muss zum Beispiel der „Agentenstatus“ bei jeder Publikation der Organisation kenntlich gemacht werden.

Seit dem 25. November 2021 laufen vor dem obersten Gericht Russlands zwei Prozesse – gegen Memorial International und das Moskauer Menschenrechtszentrum von Memorial. Sollte das Gericht dem Antrag der Generalstaatsanwalt folgen, woran Be­ob­ach­te­r*in­nen keinen Zweifel haben, wird die Organisation formal aufgelöst. Der voraussichtlich letzte Prozesstag ist für diesen Dienstag angesetzt.

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8 Kommentare

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  • Wie in den Nachrichten gestern verlautet Memorial gestern vom Gericht verboten, ein weiterer Schritt in Richtung Diktatur.

  • 2016 wurde laut Gutachten keine pornografischen Aspekte bei den Bilder seiner Adoptivtochter festgestellt.Im April 2018 wurde Juri Alexejewitsch Dmitrijew vom Vorwurf der Pornografie freigesprochen, im Juni des gleichen Jahres wieder festgenommen, das Urteil des Stadtgerichts von Petrosawodsk wieder zurückgenommenEnde September 2020 verurteilte das Oberste Gericht von Karelien ihn im Berufungsprozess wegen „gewaltsamer Handlungen sexuellen Charakters gegen eine Person unter vierzehn Jahren“ zu 13 Jahren Haft in einer Strafkolonie. Eine Stellungnahme des Mädchens ist nicht auffindbar oder nicht existent. Es geht hier um die Auslöschung der Organisation Memorial, Dmitrijew ist das Vehikel.

  • Warum soll er eigentlich eine Bedrohung für die Staatsmacht sein? Stalins Verbrechen wurden doch schon Sowjetzeiten thematisiert und teils aufgearbeitet, eine Bedrohung für die neuen Machthaber ist er dadurch doch nicht?

    Oder ist es wie bei den Türken - Völkermord erwähne. wird als „Beleidigung des Türkentums“ gesehen und gelandet. Könnte ich mir gut vorstellen, der größte Russe ist für die Russen noch immer der Georgier Stalin. Fast so als würden Deutsche in einer Fernsehshow Hitler als den größten Deutschen wählen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Wombat:

      Putins Regime versucht seit einigen Jahren Stalin zu rehabilitieren, gibt da sehr viel Propaganda da stört so etwas.

  • Vielleicht lohnt es sich zu erwähnen, dass er zwischen 2012 und 2015 etwa 140 Nacktbilder seiner Adoptivtochter genommen hat. Es hat angefangen wenn sie 8 Jahre alt war, und am Ende war sie 11 Jahre alt. So dokumentierte er die gesundleichtliche Entwicklung des Kindes. Er selbst hat zugegeben, die Mädchen angetastet zu haben, um zu kontrollieren, ob das Mädchen sich eingenässt habe (da es an Inkontinenz leide).

    Was zum Thema "Ausländscher Agent" betrifft, hier etwas von der DW: www.dw.com/de/was-...edeutet/a-41469379

    Russland ist ein Autoritäres Staat, natürlich. Aber diese konkrete Geschichte... der verurteilter Historiker hat noch zum Sowjetzeiten 2 Jahre gesessen, da er in einer "Kampf" oder "Streit" involviert war (Draka, auf russisch). Wie ernst war diese "Draka", um ihn für 2 Jahre in die "Zone" zu schicken? Darüber findet man nichts.

  • Da klatschen alle deutschen Putin-Freunde von Schröder bis zu AfD und den Querdenkern doch heftig Beifall und feiern eine Party. So stellen sie sich den 'starken' Staat vor und den wollen sie auch in Deutschland installieren.

  • Das klingt unberechenbarer als zu Sowjetzeiten. Putin hat die Hosen voll, wird jedoch an der Machtübergabe scheitern.

  • OK, Russland eben, das klingt alles nach business as usual. Soweit so schlecht.

    Aber wie ist es denn mit den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs? Gibt es denn eine Geschädigte? Was sagt die?