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Arbeitsstelle SportplatzAuf einsamem Posten

Detlev Meyer ist Platzwart auf dem Sportplatz am Hammer Steindamm in Hamburg-Hamm. Er hat einen konfliktreichen Job.

Der Mann vom Hammer Steindamm: Detlev Meyer Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Das Reich von Detlev Meyer ist umgeben von Stacheldrahtzaun. Wenn Schäden auftreten, etwa bei einem unbefugten Betretungsversuch, wird der Zaun wieder geflickt, wie sich an einigen Stellen sehen lässt. Hier herein, ganz klar, soll nicht einfach jeder kommen, wie er will. Hier herein geht es nur durch das Eingangstor, und neben dem residiert Detlev Meyer.

Von seinem Büro im Erdgeschoss aus hat er alles im Blick: die große Rasenfläche mit den umgelegten Fußballtoren, die sechs Masten mit den alten Flutlichtscheinwerfern, die Tartanbahn, auf der die Laufenden sogar an einem kalten Tag wie diesem ihre Runden drehen, der runde Käfig für die Diskuswerfer ganz hinten auf dem Rasen, die Sandgrube für den Weitsprung vorne neben dem Eingang, direkt vor der überdachten Zuschauertribüne, durch die jetzt der Wind pfeift, aber es ist ja auch keiner da jetzt. Der Platz ist überhaupt ziemlich leer.

Geht jemand durch das Eingangstor auf den Sportplatz am Hammer Steindamm in Hamburg-Hamm, sieht er als Erstes die Schilder, auf denen steht, was er machen darf und was nicht: Nicht gestattet sind das Fahrradfahren und das Mitführen von Hunden, ebenso vom 1. Oktober bis 15. Februar das Betreten der Sportanlage vor 9 Uhr. Eine Tafel zeigt die Belegung des Sportplatzes an, damit das auch geklärt ist, aber der Platz ist natürlich öffentlich, jeder darf drauf (innerhalb der Öffnungszeiten), sagt Detlev Meyer.

Der Platzwart vom Hammer Steindamm sitzt in seinem ziemlich vollgestellten Büro, an der Wand hängt eine St.-Pauli-Fahne, die Kaffeemaschine gluckert. Draußen auf dem Gelände ist alles ruhig, aber das ist nicht immer so.

Platzwarte in Hamburg

Die Ausgangslage: Nach Schätzungen der Gewerkschaft Ver.di arbeiten derzeit etwa 85 Platzwarte für die Bezirke der Stadt Hamburg. Sie sind zuständig für die öffentlichen Sportplätze.

Das Problem: Die Belastung der Platzwarte ist in den vergangenen Jahren gestiegen, unter anderem weil die Sportplätze durch die Verlegung von Kunstrasen länger geöffnet sind.

Der Konflikt: Die Gewerkschaft möchte den Tarifvertrag für die Sportplatzwarte neu verhandeln, um ein besseres Entgelt der anfallenden Überstunden zu erreichen.

Der Verlauf: Die Verhandlungen mit der Stadt Hamburg wurden 2018 aufgenommen, ruhen aber seitdem. Die Gewerkschaft hat eine Wiederaufnahme angemahnt.

Manchmal, erzählt Detev Meyer, kommen Mütter auf den Sportplatz am Hammer Steindamm, die partout nicht einsehen wollen, dass die Tartanbahn für Sport­le­r:in­nen da ist und nicht für Kinderwagen. „Gute Frau“, sagt er dann und bemüht sich, freundlich zu bleiben, „nichts für ungut, aber könnten Sie den Kinderwagen nicht dort hinten schieben? Dort stört er niemanden, diese Bahn hier aber ist zum Laufen da.“

Aber nicht immer treffen seine Worte auf Einsicht. Es hat schon Anrufe gegeben, bei denen sich die Mütter beschwerten, er habe sie vom Sportplatz geworfen, und weitere Anrufe der erbosten Männer, die darauf pochten, dass der Platz öffentlich sei, und dass der Platzwart seine Kompetenzen überschritten habe.

Detlev Meyer kann viele solche Geschichten erzählen. „Ich habe hier das Hausrecht, und das muss auch so sein“, sagt er, während er sich hinter seinem Schreibtisch eine Zigarette anzündet. Es ist Tag, er ist im Dienst und trägt ein rotes Shirt mit der Aufschrift „Bezirk Hamburg-Mitte“, damit das schon mal klar ist.

Meyer, 56, ist ein kräftiger Mann, früher hat er mal geboxt und Kampfsport gemacht. Es kommt schon vor, dass er bedroht wird, manchmal rücken sie auch zu mehreren an, der große Bruder des Jungen, den er morgens bei den Bundesjugendspielen zurechtgewiesen hat, fährt dann mit seinen Freunden im Mercedes vor, aber, sagt Meyer, „ich hab keine Angst“. Er bleibt in solchen Situationen ganz ruhig und sagt: „Ich geh hier nicht weg, und wenn du Streit suchst, wähl ich hier eine Nummer und hol Unterstützung, überleg mal, ob sich das lohnt.“ Und solche Worte wirken meistens.

Die Stadt macht ihm das Leben schwer

„Manche sagen auch, ich weiß, wo du wohnst“, berichtet Meyer und schnaubt. Ist ja auch nicht so schwer zu wissen, wo er wohnt: Er wohnt auf dem Sportplatz, direkt über seinem Büro in dem schönen alten backsteinernen Schumacherbau direkt am Eingang.

Seit 22 Jahren tut er das, da fing er an als Sportplatzwart an und zog mit seiner Frau ein, seine Kinder sind hier groß geworden. Meyer hat einen Hund, einen Labrador, der sei wie ein Lamm, sagt er. „Außer wenn mich jemand angreift.“

Es kam auch schon vor, dass jemand auf sein Auto gekackt hat. „aber da musste ich eher lachen“, sagt Detlev Meyer und stößt Zigarettenqualm aus.

Der Platzwart am Hammer Steindamm hält die Stellung, er sagt Sätze wie: „Ich war die einzige Sportanlage in Hamburg, die in der Pandemie offen hatte.“ Doch sein Engagement, findet er, wird ihm von der Stadt Hamburg nicht gedankt. „Sehen Sie“, sagt er und weist auf seinen Schreibtisch. Von den vielen Dingen, die dort stehen, habe die Stadt, also das Bezirksamt Mitte, genau eine Sache gestellt: das analoge Telefon, das schwarz und bescheiden links vor ihm steht.

Alles andere, Laptop und Drucker und Kisten mit Arbeitsmaterial, hat er selbst herangeschafft. Für einen Schuppen auf dem Gelände hat er ein komplettes Regalsystem organisiert, aus einer Auflösung, der Stadt Hamburg habe er damit Tausende Euro erspart, aber, er macht eine wegwerfende Handbewegung: „Davon wissen die gar nichts.“

Als er anfing, sagt Detlev Meyer, hatte er einen Chef beim Bezirksamt Mitte, der kannte die Situation vor Ort, der machte sich für seine Leute gerade. Seit der weg ist, ist das Bezirksamt weit weg, die Vorgesetzten sieht er selten: „Mein Chef ist noch nie hier gewesen.“

Dafür mache ihm die Stadt mit ihren vielen Vorschriften das Leben schwer, besonders auf die Grünen ist er schlecht zu sprechen. Mit dem Flammenwerfer ans Unkraut zu gehen, das hier überall sprießt, sei verboten, der Einsatz von Pestiziden ebenfalls. „Aber wie man das machen könnte, das sagen sie nicht“, Meyer zeigt auf das Moos in den Ritzen.

Überstundenausgleich nicht vorgesehen

Er muss jetzt kurz raus, hin zu dem alten Schaltkasten, an dem er die Flutlichtanlage anstellt, denn es dunkelt, und die Lauf­sport­le­r:in­nen wollen ja was sehen, wenn sie kommen. „Die Scheinwerfer da fressen Strom wie verrückt, aber das interessiert auch keinen.“ Der ganze Platz komme allmählich herunter, offiziell soll er in sehr gutem Zustand sein, aber „schauen Sie mal genau hin“: Bruchstellen überall, Material­ermüdung, schließlich ist so ein Platz der Witterung ausgesetzt, das ganze Jahr.

Jetzt im Winter ist sowieso weniger los als im Sommer, wenn die ganzen Gymnastikgruppen mit ihren Matten kommen und die Rasenflächen bevölkern, die Läufer um Platz auf der Bahn kämpfen und Meyer einige Spuren absperren muss, damit alle Platz haben.

Im Prinzip könnte er im Sommer mehr und im Winter weniger arbeiten, aber das, sagt Meyer, sei nicht erlaubt. Statt eines Überstundenausgleichs bekommt er die unbefriedigende Pauschale für bis zu zehn Überstunden die Woche, eine ordentliche Bezahlung sei das nicht, denn oft sind es mehr Überstunden als zehn, die bezahlt dann keiner.

Die Arbeitsverträge, die sie als Platzwarte haben, seien „gegen Recht und Gesetz“, sagt Detlev Meyer, der bei Demonstrationen der Gewerkschaft Ver.di als Redner auftritt. Dann steigt er schon einmal auf eine Bank, um besser gesehen zu werden, und spricht durch ein Megafon über die schlechten Bedingungen, unter denen die Platzwarte arbeiten. Seit Jahren geht das schon so, doch es ändert sich nichts.

Was soll er machen? Auf so einen Sportplatz ist ja immer was zu tun, sonst verkommt er. Also macht Detlev Meyer weiter.

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