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Neue Kandidatur von Friedrich MerzEin Glücksfall für die Ampel

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Mit Friedrich Merz könnte eine Rechtsverschiebung der politischen Kultur drohen. Aber die neue Koalition würde ein solcher Gegner zusammenschweißen.

Dritter Anlauf: Friedrich Merz kanditiert wieder Foto: Rainer Zensen/imago

W etten, dass Friedrich Merz neuer CDU-Chef wird? Ja, genau, dieser ewige Möchtegern aus Brilon, der auf der Bundesebene noch nie etwas gewonnen hat. Gerade weil er wie ein Mann von gestern wirkt, der sich zum dritten Mal aufdrängt, passt der altmodische Sauerländer perfekt in die aktuelle Retro-Stimmung.

Wenn sich das halbe Land wieder samstagabends selig vor dem guten alten ZDF zusammenkuschelt und wie befreit über die Herrenwitze eines 71-jährigen Moderators zum tiefen Ausschnitt seiner Assistentin lacht, für wen werden sich die Mitglieder der CDU dann wohl entscheiden?

Nun sage bitte keiner, das könne man doch nicht vergleichen. Klar, Thomas Gottschalk hat Ironie, Merz Rachsucht. Das eine ist eine alberne Fernsehshow, das andere Politik. Aber in einer Zeit, in der die Nachrichten abwechselnd von Corona-, Klima- und Belarus-Katastrophen handeln, also zunehmend Gruselfilmen gleichen, wächst auch die Sehnsucht nach einer politischen Führungsgestalt, die dafür sorgt, dass alles endlich wieder schön übersichtlich und gemütlich wird. So wie es früher natürlich auch nie wirklich war, aber in der wehmütig verklärten Erinnerung erscheint. Auf seine Weise hat davon schon Olaf Scholz bei der Bundestagswahl profitiert. Auch er stand ja für alles andere als Aufbruch.

Merz fehlt die seriöse Langeweile, die Scholz ausstrahlt und die ihm bei der Kanzlerwerdung hilft, aber als CDU-Chef hätte Merz jetzt erst einmal einen anderen Job, nämlich Opposition. Und da ist Unterhaltungswert durchaus ein wichtiges Kriterium, weil er Aufmerksamkeit verspricht. Das ist Merz’ größter Trumpf. Oder kann sich jemand vorstellen, wie Helge Braun oder Norbert Röttgen mitreißende Reden halten, die sich sub­stanziell von den drögen Scholz-Ansprachen unterscheiden? Dazu kommt, dass Merz schlauerweise gleich ein Team mit mehreren Frauen, Ostdeutschen und Parteipromis wie Jens Spahn präsentiert hat, während Röttgen als eitler Einzelkämpfer und Braun als blasser Merkel-Helfer gelten.

Erliegt die CDU der Versuchung?

Auch weil die letzten zwei Versuche mit Vertretern des Merkel-Lagers, AKK und Armin Laschet, krachend gescheitert sind, spricht also viel dafür, dass die CDU beim dritten Mal doch noch der Versuchung Merz erliegt. Was daraus langfristig folgen würde, wäre offen. Schlimmstenfalls eine Rechtsverschiebung des politischen Diskurses.

Das Risiko besteht, dass Merz mit einer Politik der Angst und Zukunftsverweigerung Erfolg hat. Aber für die geplante Mitte-links-Ampel ist seine Kandidatur auch eine Chance. Nichts dürfte SPD, FDP und Grüne mehr zusammenschweißen als das rechte Schreckgespenst Merz. Topp, die Wette gilt!

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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17 Kommentare

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  • Gehe mit alle Argumenten und Schlüssel relativ konform - nur die Wette am Schluß überhaupt nicht:



    Die FDP könnte schneller aus der Ampel brechen als es uns allen lieb ist, wenn der Merz dem Lindner "schöne Augen" macht.

  • Nöö - der Mann ist doch einfach nur aus der Zeit gefallen und möchte sich selbst etwas beweisen, was ausser für ihn für sonst niemand von Belang und Nutzen ist. Gut - für die CDU war solches Gebaren ja erstmal noch nie ein Problem, aber die Ampel kommt entweder auch gut ohne ein Schreckgespenst aus, oder sie kann's doch gleich bleiben lassen.

  • Es geht gar nicht so sehr um rechts und links, sondern alt und neu. Merz hat in den vergangenen zwei Jahren immer klarer unter Beweis gestellt, dass er der Mann von gestern ist, der die aktuellen Probleme (auch in der CDU) nicht meistern kann. Das wird ihm schnell auf den Kopf fallen.

  • Das ist linkes Wunschdenken, leider fehlerhaftes linkes Wunschdenken. Je mehr Platz die CDU in der Mitte lässt, umso mehr werden alle Ampel- Parteien dorthin drängen. Die Folge von einem Rechtsruck der CDU wäre ein Rechsruck der ganzen Parteienlandschaft. Gerade für eine engagierte Umweltpolitik wäre das fatal, da würde dann plötzlich wieder diskutiert, was längst klar schien. Nein, man sollte sich Merz nicht wünschen. Der würde die Widerstandsfähigkeit der CDU gegenüber der AFD schwächen, was ganz schlimm wäre. Und ob die FDP sich lange damit wohlfühlen würde, in einem Bündnis mit SPD und Grünen gefangen zu sein, ist auch offen. Man sollte sehr vorsichtig damit sein, was man sich wünscht, es könnte in Erfüllung gehen.

  • Wir können nur hoffen, das die MASSE, die kulturelle Gemeinschaft, die Ideologie des Neoliberalismus sowie des begrenzten Ethnonationalismus, und anderer egozentrisch primitiver ideologien, endlich in die Schranken weißt.

    Denn diese ideologien, die nachfahren des imperialismus, sind es, die die primitivität/asozialität in unserer unwissenden gemeinschaft am leben hält! Nur zur selbstbereicherung.



    CDU und AFD sind die Fahnenträger dieses Milieus.

    Die FDP ist zwar immer noch, oder wieder, sehr imperialistisch und egozentrisch zu großen teilen, aber nicht mehr so ideologisch begrenzt wie die cdu und afd. die fdp beinhaltet also eine moderne form des primitiven zwangs, aber nicht nur die fdp. es ist immer eine frage der anteile.

    es ist also von höchster relevanz hier, den schweinehund, bzw hunde, endlich dingfest zu machen! Und diese information muss permanent wiederholt werden, damit die massen, die kultur, diese infos endlich aufnehmen und konsequent umsetzen kann - und nicht von propaganda und wahrheitsleugnern verwirrt wird und zu primitiven ordnungen und selbstkasteiung gezwungen wird.

    Argumentiert und verhandelt die primitiven ideologien in den boden!



    Nur so lässt sich eine wirklich soziale und wahrheitssuchende ideologie etablieren.



    Dazu müssen aber alle teile ihren transformativen anteil beitragen. Auch die SPD und die Grünen und ja ... auch die linke!

    Ob die CDU und die AFD sowie andere, anti-transformative, asoziale und wahrheitsleugnerische dogmen, die nächsten 20 jahre überleben, und was genau aus ihnen wird, daran wird sich die wissenschaft der sozialen vernunft messen müssen!



    volle aufklärung werden wir wohl nicht schaffen, also 1 schritt nach dem anderen.

    ein merz sollte nicht viel motivation sein, sondern die motivation muss sein, endlich, nach tausenden jahren primitiver asozialer herrschaft, die wahrheit und grenzenlose soziale - demokratische - kulturelle! kompatibilität zu erzeugen! glokal! ;)

    EDUCATE - CONSOLIDATE - REORGANIZE!

    • @Christian Will:

      Die “Wissenschaft der sozialen Vernunft” … aua, welche Wissenschaftsdisziplin soll DAS denn sein?



      Ansonsten werden Sie wohl Recht haben … ich hab’s nur nicht verstanden.😊

  • Was soll dieses ewige Mitte Gequatsche? Die braune Sauce kocht seit Jahren rechts über. Ich glaube, eine demokratische Merz-CDU kann da für Abkühlung sorgen. Nicht mir soll der Typ sympathisch sein, sondern stinknormalen Konservativen, die AFD wählen.

  • Interessant wie unterschiedlich die Effekte eines CDU Vorsitzenden Merz interpretiert werden.



    In meiner Überzeugung wird Merz die AFD schwächen und die Union mit konservativer Ausrichtung stärken. Persönlich hoffe ich auf Röttgen. Bei ihm könnte ich mir sogar Jamaika vorstellen wenn die Ampel platzt.

  • Keine Ahnung, ob die negativen Vorschusslorbeeren bei Herrn Merz ankommen werden. Aber was ist, wenn er die damit in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt und sich die Ampel folglich in Luft auflöst? Müsste man ihm deswegen gram sein?

  • Nachtrag: Im Eifer des Gefechts hatte vergessen, die SPD hinzu zu zählen... :



    Also, es gibt eine "Rechte Mehrheit", wenn man CDU/CSU, FDP , SPD u n d AFD zusammenzählt....



    Sorry nochmal!

    • @Dahli:

      Dann zählen Sie auch gleich die neogrünen Bellizisten mit ein, die es der amtierenden Kanzlerin untersagen wollen, auch nur ein Wort mit dem “bad guy” Lukaschenko zu sprechen, um wenigstens eine Verbesserung der desaströsen Lage der Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze zu erreichen … oder die Wagenknecht/Lafontaine-Fraktion in der Linkspartei, die ja auch gerne am trüben rechten Rand fischt.



      Alles Mitte/Rechts? Wohl eher eine Frage des persönlichen ideologischen Standpunkts. Bei Ihrer politischen Koordinatenbestimmung bleibt jedenfalls nicht viel von “links” übrig.

      • @Abdurchdiemitte:

        Man sollte den Begriff "Links" ja auch nich´ inflationär verwenden.... Ist eh schon reichlich strapaziert worden. Und für soooo dehnbar halte ich die Definition "Links" eben nicht!

        • @Dahli:

          Also links sind dann nur … Sie selbst?😁

          • @Abdurchdiemitte:

            Hähähä... Nee! Allerdings jedenfalls Menschen, welche sich dann wieder auch mal durch z.B. eine gewisse "Prinzipientreue" auszeichnen... Und nicht jede Form der "politischen Rotverschiebung" mitmachen.

  • Ich befürchte, dass wir die neue Koalition sehr nötig haben, zusammen zu rücken, wenn Merz an die Spitze der CDU gewählt würde und womöglich 2025 Kanzlerkandidat wäre.



    Und die FDP würde dann ganz schnell wieder abrücken.

  • Sorry!, aber das ist kompletter Schwachsinn... Wer bei einer Beteiligung der FDP von einer "Mitte-Links-Regierung" spricht und im gleichen Atemzuge spekuliert, daß die Wahl von Merz genau diese "Mitte-Links-Regierung" zusammenschweißen würde hat die Zeichen der (FDP-) Zeit nicht erkannt: Denn die FDP hat ja sogar vor der Wahl öffentlich bekundet (Lindner), die CDU sei der "Wunschpartner"... Und dies sicherlich n i c h t, weil sie politische "Mitte" ist/sei! (Die politische "Mitte" wird ja quasi von fast allen Parteien - bis hin zur AFD und CSU, beispielsweise!, beansprucht. Ob sie es jedoch tatsächlich auch ist, liegt ja nicht im Auge des Betrachters, sondern muss sich an der politischen Realität (u.a. dem Wahlergebnis natürlich - aber eben nicht nur dem!, messen lassen.)...



    Wenn man mal genau hinsieht, wird man auch feststellen können, dass es eine "Rechte Mehrheit" gibt, zumindest, wenn man CDU/CSU, FDP u n d AFD zusammenrechnet! Nur der Tatsache, daß alle anderen Parteien schon vorab verkündeten, mit der AFD nicht reden zu wollen haben wir letztlich zu "verdanken", daß wir wahrscheinlich eine Ampel bekommen....



    Eine "Mitte-Links-Regierung" wird es dadurch aber noch laaaange nicht! Und zusammenschweißen bei der Konstellation mit Merz als CDU-Vorsitzenden/Chef... , nun, dies wage ich Anbetracht der Gemengelage innerhalb der FDP doch sehr zu bezweifeln! Selbst die SPD und auch die Grünen haben sehr wohl auch öffentlich u.a. auch mit der CDU "geliebäugelt", und würden relativ bedenkenlos mit denen Koalieren, wenn die Umstände entsprechen. Hat es ja alles schon gegeben! Bei scheißegal-was-für-Vorsitzenden wohlgemerkelt...

    • @Dahli:

      Ja, die Möglichkeit sehe ich durchaus, dass die Ampel keine vier Jahre durchhält … es knirscht ja schon in den Koalitionsverhandlungen hörbar im Gebälk



      Für den Fall steht die Union selbstverständlich bereit - für die Grünen wie für die FDP - die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, auch wenn sie jetzt noch wie eine Trümmertruppe wirkt … als Minderheitsregierung oder Jamaikakoalition.



      Das Schielen nach rechts, also zur AfD, halte ich natürlich auch für eine Option … besonders mit einem CDU-Vorsitzenden Merz. Aber noch nicht jetzt. Dies wäre erst über den Umweg Erfurt, Magdeburg und/oder Dresden möglich, sprich schwarz/blau-braune Landesregierungen in diesen für die CDU neuralgischen Bundesländern …. auf längere Sicht natürlich nicht auszuschließen, es sei denn, die Wiederauferstehung der SPD im Osten ist nachhaltig und mach solchen rechtskonservativen Planspielen einen Strich durch die Rechnung.



      Und natürlich wäre es für eine Merz-CDU außerordentlich hilfreich, der nationalkonservativ-wirtschaftsliberale Meuthen-Flügel könnte sich im parteiinternen Machtkampf gegen die Völkisch-Nationalen in der AfD durchsetzen … das sehe ich allerdings eher das Gegenteil eintreten.