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Vorstand der Heinrich-Böll-StiftungMinister wird Stiftungschef

Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht soll Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung werden. Der Wechsel ist eine Überraschung.

Jan Philipp Albrecht, Umweltminister von Schleswig-Holstein, auf einem Windrad bei Sehestedt Foto: Markus Scholz/dpa

Berlin taz Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung stellt sich neu auf – und besetzt die ChefInnen-Posten um. Neue Vorstände der Stiftung sollen nach taz-Informationen Jan Philipp Albrecht und Imme Scholz werden. Besonders die erste Personalie ist überraschend. Albrecht, 38, ist derzeit Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein.

Imme Scholz ist Soziologin und stellvertretende Direktorin des Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Der Aufsichtsrat der Böll-Stiftung will der Mitgliederversammlung die beiden Besetzungen im Dezember vorschlagen. Das habe er in seiner Sitzung am 24. Oktober beschlossen, heißt es in einem Schreiben der beiden SprecherInnen des Aufsichtsrats, das der taz vorliegt.

Die Amtszeiten der beiden aktuellen Vorstände, Barbara Unmüßig und Ellen Ueberschär, enden turnusgemäß Ende März 2022. Unmüßig geht in Rente. Ueberschär will nicht mehr antreten. In einer Mail an die MitarbeiterInnen der Stiftung, die der taz ebenfalls vorliegt, begründete sie diese Entscheidung am Montag mit persönlichen Gründen. „Die Stiftung steht heute sehr gut da und an einem wichtigen Punkt“, schrieb Ueberschär, denn die Grünen übernähmen Regierungsverantwortung.

Die Böll-Stiftung liefert als Denkfabrik intellektuelle Vorlagen für grüne Politik. Ihre Arbeit war in Grünen-Kreisen zuletzt nicht unumstritten. Zur Amtseinführung von Joe Biden als US-Präsident veröffentlichte Ueberschär zusammen mit VertreterInnen von transatlantischen Thinktanks einen Aufruf, der bei den Grünen für Aufruhr sorgte. Es ging unter anderem um Atomwaffen, ein hochemotionales Thema.

Widerspruch zur Parteilinie

Der nukleare Schutzschirm der USA sei für alle nicht-nuklearen NATO-Staaten in Europa unverzichtbar, hieß es in dem Aufruf. Es solle ihn geben, solange es Nuklearwaffen gebe und die Bedrohung anhalte. Deutschland müsse an der „Nuklearen Teilhabe festhalten und nötige Modernisierungsschritte umsetzen“.

Das heißt: US-Atomwaffen sollen weiterhin und unbefristet in Deutschland lagern. Ueberschärs Vorstoß verstörte viele in der Ökopartei, auch, weil er mit der offiziellen Parteilinie nichts zu tun hat. In ihrem Grundsatzprogramm fordern die Grünen ein Deutschland „frei von Atomwaffen“. Allerdings verteidigten auch wichtige Grüne die Böll-Chefin mit dem Argument, eine Stiftung müsse frei im Denken sein können.

Dass Albrecht nun Stiftungschef werden soll, ist ungewöhnlich. Albrecht ist recht jung für den Job – und seine Karriere in Kiel war äußerst kurz. Albrecht war erst im August 2018 aus dem Europaparlament ins Kabinett von CDU-Ministerpräsident Daniel Günther gewechselt, weil sein Vorgänger Robert Habeck Grünen-Chef in Berlin geworden war. Über die Hintergründe von Albrechts Wechsel in die Böll-Stiftung wurde am Montag nichts Näheres bekannt.

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4 Kommentare

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  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Krass, das man Hrn Albrecht als "Energiewendeminister" bezeichnet ...



    Während seiner Amtszeit gab es ja nur einen fast kompletten Ausbaustopp der Windkraft. Keine Wärmewende.



    Eigentlich garnichts in der Richtung. Der Mann war diesbezüglich ein Totalausfall

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    4 verschenkte Jahre beim Klima- und Umweltschutz.



    Hr Andresen von LsV wird ihm, wie meisten Landwirte in SH, nachtrauern.



    Jan Philipp Albrecht hat sich sehr für sie eingesetzt und zu starke Einschnitte bei der Gülle-Entsorgung verhindert.



    Der mehrjährige Ausbaustopp der Windenergie geht vielleicht nicht allein auf seine Kappe.



    Aber Widerkam kam da auch keiner. Er war ja auch schließlich bei den Grünen ...

  • Für seinen NachfolgerIn ist da viel Luft nach oben.



    Vermissen werden ihn wohl nur die Massentierhalter von „Land schafft Verbindung“, die Jägerschaft, die ihm Aufträge zum Abschuss von Wölfen und Wildschweinen und die Fischer, die ihm zum Dank für das Leerfischen der Ostsee sog Stillegungsprämien zu verdanken haben.



    Klima- und Umweltschützer können seinen baldigen Weggang nur begrüßen.

  • Und wer folgt ihm in SH ?