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Studie zu Vielfalt im TVErnüchterndes Fazit

Die neue MaLisa-Studie über Vielfältigkeit im Fernsehen zeigt wenig positive Trends. Immerhin: Im Fiktionalen läuft es besser als im Bereich Information.

Parität sieht anders aus: Auf eine Frau kommen im deutschen TV nach wie vor rund zwei Männer Foto: picture alliance

Vor vier Jahren schreckte die erste MaLisa-Studie zur Geschlechterverteilung im deutschen Fernsehen die Branche auf. Die Situation war nicht nur wie gefühlt mies, sondern noch um einiges schlimmer. Und das nun auch noch erstmals wissenschaftlich fundiert abgesichert. Von der damaligen ARD-Vorsitzenden bis zum ZDF-Intendanten gelobten alle Besserung. Mehr und vor allem diverse Frauen sollten vor und hinter die Kamera. Als Regisseurin und Autorin, aber vor allem auch als Expertin und Erklärerin im Informationsbereich. Und warum waren im Kinderfernsehen sogar so sächliche Dinge wie Schwämme und Monster im Zweifelsfalle Jungs?

Auch die beiden großen Privatsendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 zeigten sich hinreichend zerknirscht. Fünf Jahre später legt das Team um Elisabeth Prommer vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock nach. Zusätzlich zum reinen Mann-Frau-Vergleich wurde die Untersuchung um weitere Dimensionen von Vielfalt wie sexuelle Orientierung, Migrationshintergrund und Hautfarbe sowie der Umgang mit Menschen mit Behinderung ergänzt.

Das Fazit ist ernüchternd. Denn die Geschlechterverteilung ist weiterhin unausgewogen. Auf eine Frau kommen im deutschen Fernsehen nach wie vor rund zwei Männer. Bei den neu untersuchten Bereichen sieht es noch mauer aus. In fiktionalen TV-Produktionen sind nur rund zwei Prozent der Prot­ago­nis­t*in­nen homo- oder bisexuell lesbar. Menschen mit Migrationshintergrund und People of Colour sind genauso wie Menschen mit Behinderung völlig unterrepräsentiert. 


Im Genderbereich gibt es immerhin ein paar positive Entwicklungen. In den fiktionalen Produktionen, die im Pandemie-Jahr 2020 hergestellt wurden, ist das Geschlechterverhältnis mit 47 Prozent Frauen zu 53 Prozent Männern nahezu ausgewogen. Auch über die gesamten fünf Jahre haben sich das fiktionale Geschäft und der Unterhaltungsbereich leicht verbessert. Und auch der „Altersgap“ in fiktionalen TV-Produktionen ist in der mittleren Altersgruppe ab 40 geschrumpft. Waren vor fünf Jahren nur rund ein Drittel aller Rollen über 50 weiblich, ist der Anteil heute auf immerhin 44 Prozent gestiegen. Dass bei den Ü-60 der weibliche Anteil allerdings von damals 37 auf heute 29 Prozent zurückging, ist dann schon wieder ein kleiner Spoiler.

Große weiße Welt

Doch im Fiktionalen läuft es deutlich besser als im Bereich Information. Auch hier erklären Männer zwar nicht mehr allein die Welt. Bei der Moderation und journalistischen Rollen wie Re­por­te­r*in­nen gibt es positive Entwicklungen. Nachrichtensendungen werden fast ausgeglichen 49 Prozent weiblich zu 51 Prozent männlich moderiert (2016: 47 Prozent weiblich). Bei Reporterinnen ging es sogar um fast zehn Prozentpunkte nach oben.

Hier ist das Verhältnis laut MaLisa-Studie aktuell 45 Prozent weiblich zu 55 männlich. Bei der großen weißen Welt der Ex­per­t*in­nen hat sich allerdings nichts getan. Hier sind wie 2016 gerade einmal rund ein Viertel weiblich.

Das gilt auch für in der Realität so weiblich geprägte Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Pflege oder Mode/Lifestyle. Auch bei den so genannten „Alltagspersonen“, also ganz normalen im TV-Informationssegment vorkommenden Menschen oder der berühmten „Stimme aus dem Off“, also dem nicht sichtbaren Erklärbär, hat sich nichts getan.

Routinen durchbrechen

„Dass sich im Bereich Fiktion am meisten bewegt, ist schon interessant“, sagt Elisabeth Prommer. Schließlich hätten die Sender hier immer behauptet, das werde „furchtbar schwierig, da lasse sich nicht so leicht etwas verändern“. Aber überall dort, wo redaktionelle Routinen greifen wie bei der oft kurzfristigen Suche nach Expert*innen, sehe es anders aus, so Prommer. „Da heißt es dann, Frauen sagen immer ab oder wollen nicht vor die Kamera. Das ist mühsam – und so wird dann wieder der Mann genommen, der immer kann und Zeit hat.“ Diese Routinen seien offenbar so stark, dass sie durchbrochen werden müssten, wenn sich etwas tun soll.

Auch das Kinderfernsehen ist insgesamt noch immer unausgewogen. Doch bei den aktuellen fiktionalen Produktionen aus Deutschland werden mehr weibliche Protagonistinnen und Figuren sichtbar. In Zahlen ausgedrückt verzeichnet die Studie hier eine Steigerung von 34 auf 44 Prozent. Auch Monster und ähnliche Kreaturen werden weiblicher (Steigerung von 31 auf 45 Prozent), während absurderweise vermenschlichte Tiere, Pflanzen oder andere Objekte zu 80 bis 90 Prozent weiter männlich sind.

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8 Kommentare

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  • Ja, da gibt es noch viel zu tun. Auch Übergewichtige und Hochaltrige sind unterrepräsentiert. Ebenso picklige Jugendliche. Allgemein sehen die Schauspielerinnen und Schauspieler überdurchschnittlich gut aus und sind überdurchschnittlich talentiert. Es gibt also noch viel zu tun.

  • "In fiktionalen TV-Produktionen sind nur rund zwei Prozent der Prot­ago­nis­t*in­nen homo- oder bisexuell lesbar."

    Ist das denn viel oder wenig? Homosexualität sieht man einem Menschen ja nicht an und nicht immer spielen Beziehungen oder Sexualität in fiktionalen TV-Produktionen eine Rolle. Hier kommt es auf den Kontext an. Zur Einordnung müsste man schon wissen, wie viel Prozent der Prot­ago­nis­ten eindeutig heterosexuell lesbar sind.

    Bisexualität macht die Sache noch schwieriger, selbst wenn ein männlicher Seriencharakter in einer Beziehung oder ähnlichem mit einer Frau ist, könnte er bisexuell sein und kann so eben auch nicht als heterosexuell gelesen werden.

    Als schwuler Mann finde ich allerdings viel wichtiger als irgendwelche Prozentzahlen, dass homosexuelle Menschen nicht klischeehaft dargestellt werden, also dass sie eben nicht durch irgendwelche Eigenschaften, die mit der Sexualität gar nichts zu tun haben als homosexuell lesbar sein sollen.

    • @Ruediger:

      ""In fiktionalen TV-Produktionen sind nur rund zwei Prozent der Prot­ago­nis­t*in­nen homo- oder bisexuell lesbar."

      Ist das denn viel oder wenig?"

      Wie sieht das in der Wirklichkeit aus? Auf der Arbeit unterhalte ich mich beispielsweise null über sexuelle Vorlieben. Heißt das es gibt dort keine Homo- oder Bisexuellen? Wohl kaum.



      Wieviel Prozent der Bevölkerung sind überhaupt homo- oder bisexuell? Und sind diese Zahlen verlässlich?

      Und seit wann bilden fiktionale Produktionen ein Eins-zu-Eins-Abbild der Gesellschaft ab?

    • @Ruediger:

      "viel wichtiger als irgendwelche Prozentzahlen, dass homosexuelle Menschen nicht klischeehaft dargestellt werden ..."

      Volle Zustimmung.

      • @mats:

        ""viel wichtiger als irgendwelche Prozentzahlen, dass homosexuelle Menschen nicht klischeehaft dargestellt werden ..."

        Volle Zustimmung."

        Kommt auf den Kontext an, würde ich sagen. Ich lese zum Beispiel sehr gern die Comics von Ralf König, weil sie bei allem Knubbelnasencharme auch oft eine wunderbare menschliche Tiefe aufweisen. Gleichzeitig spielt der Zeichner ohne Probleme auch mit (durchaus auch flachen) Klischees.



        Ist das jetzt schlecht? Kaum.



        Darf der das jetzt, weil er selber homosexuell ist, aber alle anderen nicht? Kann's ja wohl auch nicht sein, oder?

        Ist halt nicht immer einfach...

  • "..nur rund zwei Prozent der Prot­ago­nis­t*in­nen homo- oder bisexuell lesbar..."

    Das ist natürlich doof, dass man die private sexuelle Orientierung nicht anhand von klaren äußeren Merkmalen, Vorurteilen etc erkennen kann. Vielleicht muss man sich aber, ausser in Rollen in denen es um die Orientierung geht, auch gar nicht zu erkennen geben???



    Das ist die Krux bei der Diversifikation. Man muss erst wissen, wen man wohin stecken kann, damit man dann die unterschiedslose Gleichbehandlung fordern kann.

    • @fly:

      Was für eine flache Fantasie über Gesellschaft ist das denn? Weder in der Realität noch im Medium sind Menschen Mimik-Clowns oder Anzieh-Puppen. Ein kurzer Ausschnitt aus dem Alltagsleben, ein kurzer Dialog über das letzte Wochenende reichen. Sobald ich mit meiner Partnerin / meinem Partner das Haus verlasse, bin ich und ist mein Leben nicht mehr privat. Wenn diese einfache Tatsache nicht mit einem Minimum an Einfühlungsvermögen und Perspektivenübernahme nachvollzogen werden kann, dann - und nur dann - braucht man visuelle Klischees und Schubladen im Kopf. Es geht aber darum, genau diese Klischees und Schubladen obsolet zu machen, indem man ganz gewöhnliche Menschen in ihrem ganz gewöhnlichen Umfeld zeigt - und nicht irgendwelche fantasierten Abziehbilder in einer Welt aus Staffagen.

      • @mats:

        Die sexuelle Orientierung gewöhnlicher Menschen in ihrem ganz gewöhnlichen Umfeld ist aber doch eben gerade meist nicht wahrnehmbar. Im Arbeitsumfeld spielt sie vielleicht Mal bei Kantinengesprächen eine Rolle, aber nicht unbedingt in den Szenen, die in fiktionalen TV-Produktionen gezeigt werden. Auch im Privatleben ist das nicht unbedingt erkennbar, nicht jeder hat einen Partner und nicht immer ist erkennbar, ob eine Begleitung tatsächlich ein Partner ist. Ich würde davon ausgehen, dass ich im Allgemeinen nicht als Schwul gelesen werde, zumal ich oft mit meinem Kind (und manchmal auch mit dessen Mutter) unterwegs bin. Auch müsste man in eine solche Rechnung ungeoutete Schwule und Lesben einbeziehen und solche die sich bewusst nicht als solche lesbar machen. Vor allem fehlt aber der Vergleichswert, wie viel Prozent eindeutig als heterosexuell lesbar sind.