piwik no script img

Rassismus an der DiskotürFeiern nur mit Aufenthaltstitel

Ein junger Afghane wird in einer Braunschweiger Disko abgewiesen. Die Stadt verweist auf verstärkte Integrationsbemühungen.

Eine ausgelassene Party gibt es in Braunschweig offenbar nicht für alle Foto: Markus Scholz/dpa

Göttingen taz | Der 10. September war ein fast normaler Freitag: Die Corona-Maßnahmen sind gelockert, die Braunschweiger Discotheken haben geöffnet, neben vielen anderen Jugendlichen sind auch die jungen Afghanen H. und A. in der Stadt unterwegs. Gegen Mitternacht, so schildert es eine Frau, die H. seit fünf Jahren als Bildungspatin betreut und kennt, wollen die beiden die Disco „Eulenglück“ in der Innenstadt betreten.

Am Eingang werden sie von Türstehern aufgehalten, müssen ihre Ausweise vorzeigen. H., der einen Aufenthaltstitel für Deutschland hat, darf rein. A. dagegen nicht. Er verfügt lediglich über einen Duldungsausweis. „Mit dem kommst du hier nicht rein“, sollen die Security-Leute gesagt haben. Weil seinem Freund der Zutritt verwehrt wird, verzichtet auch H. enttäuscht auf den Disco-Besuch.

„Die Eintrittsverweigerung war vollkommen willkürlich“, beschwerte sich die Patin eine Woche später schriftlich bei Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Der Brief liegt der taz vor. „Beide jungen Männer waren ordentlich gekleidet, geimpft und haben sich regelkonform verhalten.“

H. und A. haben nach Angaben der Patin einen Schulabschluss erworben, werden in einem halben Jahr ihre Ausbildung als Zahntechniker und Erzieher abschließen. Sie seien bestens integriert und strebten die deutsche Staatsbürgerschaft an. Die Abweisung der Freunde an der Disco-Tür sei im Übrigen kein Einzelfall gewesen, schreibt die Bildungspatin weiter: „Mir ist in den letzten Jahren immer wieder über gleiche Zurückweisungen auch anderer junger Afghanen berichtet worden.“

Fälle auch schon in der Vergangenheit

Das hat auch die im Stadtrat vertretene Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) schon beobachtet. In einer Anfrage zur Ratssitzung am 5. Oktober weist sie darauf hin, dass „Meldungen über solch diskriminierendes Verhalten an den Türen der Braunschweiger Clubszene bereits in der Vergangenheit aufgetreten“ seien.

Die Stadtverwaltung hatte nach entsprechenden Meldungen in den Jahren 2017 und 2018 durch Stichproben das Verhalten von Türstehern bei Einlasskontrollen überprüft. Als sich herausstellte, dass den Testpersonen mit Migrationshintergrund in vier von sechs Discotheken der Einlass verweigert wurde, hat die Stadt gegen das betreffende Personal Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Im November 2018 teilte die Verwaltung dann mit, dass sich der Anfangsverdacht gegen zwei Discotheken nach Gesprächen mit den Betroffenen nicht erhärtet habe und die Verfahren eingestellt wurden.

Mit Blick auf den aktuellen Fall fragt die BIBS: „Wie reagiert die Stadt auf diese erneute Beschwerde über Diskriminierung und Rassismus bei Einlasskontrollen in einer Braunschweiger Discothek und wird sie die stichprobenartigen Kontrollen des Personals des betroffenen Clubs wiederaufnehmen?“

„Wir gehen dem Fall nach, bestätigen können wir ihn nicht“, sagte Stadtsprecher Adrian Foitzik­ der taz. Bei der aktuellen Beschwerde handele es sich um die erste in den vergangenen drei Jahren, erklärt die Verwaltung in ihrer Antwort und räumt ein: „Dies dürfte sicherlich in Teilen der zeitweise erfolgten Schließung der Clubs und Discotheken wegen der Coronaschutzmaßnahmen geschuldet sein.“

Untätigkeit will sich die Stadt nicht nachsagen lassen

Die Verwaltung will nun zunächst die Betreiberin des „Eulenglück“ um eine Stellungnahme bitten. Parallel dazu werde, sofern die Betroffenen als Zeugen zur Verfügung stehen, die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens geprüft. „Die Ordnungsverwaltung wird das Thema mit der künftigen Antidiskriminierungsstelle erörtern und mit dieser gemeinsam weitere Lösungsmöglichkeiten erarbeiten“,­ heißt es in der Antwort der Verwaltung.

Untätigkeit beim Thema Rassismus will sich die Stadt jedenfalls nicht nachsagen lassen. Sprecher Foitzik verweist auf die „umfangreichen integrativen Projekte und Initiativen für Vielfalt und gegen Diskriminierung“. So wurde Braunschweig 2015 in das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ aufgenommen. Die Initiative will Gewalt und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit abbauen und Vielfalt, Toleranz und Demokratie fördern. „Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ist ein Querschnittthema, das in allen gesellschaftlichen Milieus und sozialen (Lebens-)Bereichen vorkommt“, heißt es dazu. „Um aktiv dagegen anzugehen sind alle Braunschweiger und Braunschweigerinnen gefragt.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es ist zweifelsfrei eine Diskriminierung von Leuten mit einer Duldung, aber Rassismus?

    Der Afghane mit Aufenthaltstitel durfte rein, da müsste man aus dem Rassismus eigentlich raus sein.

    Der Hinweis, die beiden Männer seien ordentlich gekleidet gewesen, lässt vermuten, eine klassistische Diskriminierung wäre für die Patin ok gewesen.