Wie die Krisen zusammenhängen: Klimakiller Artensterben
Der globale Verlust an Biodiversität und der Klimawandel sind nicht getrennt voneinander zu sehen. Im Gegenteil: Die Krisen verstärken sich gegenseitig.
Der Leipziger Auwald etwa besteht zu 40 Prozent aus Eschen, die nun Trockenheit, Pilz und Käfern zum Opfer gefallen sind. „Die auf Eschen spezialisierten Pilz- und Insektenarten sind dann auch weg“, sagt Wirth. Nun bleibe nur, in Schadgebieten resistente Eschen zu finden und diese Individuen zu vermehren. Auf diese oder ähnliche Weise verlieren wir etwa alle fünf bis zehn Jahre ein Baumart – und so viele haben wir in Deutschland nicht.
Laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES, quasi der IPCC für die Artenvielfalt, trägt der Klimawandel zu etwa 15 Prozent zum Verlust der biologischen Vielfalt bei und steht damit an dritter Stelle. Oben rangiert die Landnutzung, die Rodung von Urwäldern am Äquator, bei uns vor allem der Umbruch von natürlichen zu eingesäten Wiesen und Ackerland. An zweiter Stelle stehen Fischerei und Wilderei. „Mit zunehmender Temperatur werden die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Artenvielfalt zunehmen“, sagt Wirth.
Temporär kann es mehr Vielfalt geben
„Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist die Temperatur in Deutschland um fast zwei Grad gestiegen, das kann nicht ohne Einflüsse auf die biologische Vielfalt bleiben“, so der Biologe. 2050 könne in London in etwa das heutige Klima von Barcelona herrschen. „Die Schnittmenge von Arten zwischen den beiden Regionen ist derzeit vergleichsweise gering“, sagt Wirth, „es wird also zu massiven Verschiebungen und Verlusten kommen.“
In einer Übergangszeit, wenn einige Arten schon angekommen, andere aber noch nicht weg seien, könnte sich die Diversität temporär erhöhen. Häufig würden fremde Arten aber schnell dominant und unterdrückten dann Vielfalt, sagt Wirth. In ihrer neuen Umgebung fehlten etwa Fressfeinde und Krankheitserreger. Das führe zu einer Homogenisierung. Die Ökosysteme würden sich weltweit ähnlicher.
Doch gerade in Zeiten der Klimakrise ist Artenvielfalt wichtig. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält ihre Jahrestagung an diesem Wochenende unter dem Thema „Biodiversität und die Zukunft der Vielfalt“ ab, Wirth ist einer ihrer Sprecher. „Artenreiche Ökosysteme können mit Veränderungen und Störungen besser umgehen“, sagt er.
So stärke die Vielfalt des Amazonasgebietes den Regenwald und verhindere bislang, dass er sich in ein Savannenland mit hohem Grasanteil umwandele. Die Vielfalt der Bäume und ihrer Eigenschaften stabilisierten den Wald, eine Monokultur breche schneller zusammen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trump erneut gewählt
Why though?
Harris-Niederlage bei den US-Wahlen
Die Lady muss warten
Pistorius stellt neuen Wehrdienst vor
Der Bellizismus kommt auf leisen Sohlen
Ampelkoalition gescheitert
Endlich!
Abtreibungsrecht in den USA
7 von 10 stimmen „Pro-Choice“
Das Gedicht zur Lage
das Schlimmste kommt noch