piwik no script img

Abschied vom „ding, das kommt“Neue Ufer

Alexander Diehl
Essay von Alexander Diehl

In der neuen Wochenend-taz gibt es für dieses Format hier keinen Platz mehr. Aber vielleicht ja für seine offenherzig-materialistische Kulturkritik.

Manche Dinge bleiben: Christian Lindner (FDP) plakatiert 2004 ein Zitat von Friedrich Merz (CDU) Foto: Alexander Rüsche/dpa

A ls „der allerbescheidenste Versuch einer an Dingen orientierten materialistischen Kulturkritik“ hat sich diese Rubrik mal selbst bezeichnet, „und besonders an der Evolution technischer Geräte zur Produktion von Literatur, Kunst et cetera“. Das mit den Produktionsmitteln haben wir mal mehr, mal weniger eng ausgelegt; mal mehr, mal weniger gelang es auch, nicht übers Allernaheliegendste zu schreiben, etwa ein Exponat aus einer Ausstellung, deren Eröffnung gerade anstand, irgendwo im Norden, wie die taz ihn definierte.

In guten Wochen, so könnte man finden, wurde hier auf überschaubarem Platz eingelöst, was sich zeitgenössisches Feuilleton gerne ans sprichwörtliche Revers heftet: ein erweiterter Begriff dessen, was seine Gegenstände und Themen sind, wie sich also Kultur definiert. Gerade nicht innerhalb und entlang der Grenzen von „Literatur, Kunst etcetera“, es sei denn, Letzteres legte man sehr großzügig aus; sondern Kultur, eben, lebensweltlich verstanden, als Gesamtheit der Arten und Weisen, auf die sich denken, handeln oder auch deuten lässt.

Dann nämlich erzählt ein Streit um Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum, die Renaissance der neongelben Signalweste im Protestzusamenhang oder die Beobachtung, dass plötzlich überall eine eben noch aus der Mode scheinende Schriftart Verwendung findet, ebenso sehr etwas über uns und unsere Zeit wie die gewagte inszenatorische Entscheidung einer Regisseurin oder die Hängung von Kunstwerken an einer Museumswand.

Mit den anstehenden Veränderungen der taz am Wochenende verliert dieses Ding nun seinen angestammten Ort: Kommende Woche erhalten alle Le­se­r*in­nen erstmals das neue stadtland-Buch, das die Redaktionen in Berlin und im Norden zusammen verantworten. Darin soll auch die Kultur, nicht ausdrücklich so geheißen, Eingang finden – in Gestalt eines feuilletonistischen Schreibens gerade nicht über Theater, Bücher, Filme.

Wenn wir optimistisch sein möchten, dann hätte diese kleine Rubrik hier mit ihrem – nochmals: mal mehr, mal weniger ambitioniertem, mal mehr, mal weniger erfolgreichen – Öffnen des Begriffs vielleicht eine gewisse Vorbildfunktion gehabt; wir werden sehen.

Wird „Das Ding, das kommt“, ebendas irgendwo anders in der taz nord tun, nämlich unter-kommen? Nicht völlig ausgeschlossen. Vorerst aber: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Es war uns eine Ehre.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!