Landkarten-Ausstellung in Hamburg: Politische Pigmente

Immer wieder Kolonialismus: Das Hamburger Museum am Rothenbaum zeigt, wie Farbe auf die Landkarten kam.

Ausschinitt aus einer Landkarte von Korea, Mitte des 19. Jahrhunderts

Bedeutende Berge sind Grün: Territoriale Karte des Großen Ostens (Detail) Foto: Seo Heunkang/Markk

HAMBURG taz | „Landkarten und Farben gehören eng zusammen“, das ließ dieser Tage das Museum am Rothenbaum in Hamburg wissen. Da wäre Mensch vielleicht versucht zu sagen: Ja, stimmt, ist aber auch ganz schön banal, oder? Wie man es nimmt: Dass manche uns heute sehr selbstverständlich vorkommende Art und Weise, in diesem Zusammenhang Farbe zu benutzen, eben nicht immer schon so verbreitet war, das könnte so ein*e Kri­ti­ke­r*in im besagten Museum erfahren.

Denn dort hat gerade die Ausstellung „Farbe trifft Landkarte“ eröffnet, und die erzählt auch von den teils erst sehr spät sich einigermaßen einheitlich darstellenden Kolorierungs-Konventionen. Apropos: Auch vieles andere, das, sagen wir: die westliche Welt für unumstößlich hält – Norden ist auf Karten oben, und die funktionieren grundsätzlich als Draufsicht – gilt weltweit nicht oder nicht immer schon oder musste überhaupt erst ausgehandelt werden.

Einerseits ist es ein ganz klassisch kulturwissenschaftlicher Ansatz, der da verfolgt wird: Herangezogen wurden Karten seit dem 15. Jahrhundert, einerseits aus Europa, andererseits aus dem fernen Osten, und einiges nun Gezeigte ist wirklich selten. Zurückgreifen konnte man dafür auf zwei Hamburger Sammlungen, nämlich Bestände der Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv sowie des Museums selbst.

Dort ist man etwa richtig stolz auf die eigenen, nun auch gezeigten Exemplare der „Territorialen Karte des Großen Ostens“, also Koreas. Diese – komplett ausgelegt gut sechseinhalb mal vier Meter große – Karte entstand nach 1861, ist aber so präzise, dass sie der Überprüfung mit GPS standhalte, so Susanne Knödel, Leiterin des Ostasienbereichs am Museum.

Interesse auch am Material

Es gibt aber eine weitere Dimension: Hinter der Ausstellung steht ein 2018 initiiertes, auch mit Bundesmitteln gefördertes materialkundliches Forschungsprojekt: Wie genau wurden die Jahrhunderte hindurch Landkarten gefärbt? Welche Methoden gab und gibt es – und welche Farben?

„Farbe trifft Landkarte“: bis 30. 1. 22, Hamburg, Markk

So ist dort nun übers – spät erfundene, aber umso mehr Karriere machende – Berliner respektive Preußisch Blau genauso etwas zu erfahren wie übers lange verteidigte spanische Monopol auf das Wissen, dass sich aus Schildläusen Karminrot herstellen ließ. Dass die Spanier darauf mitnichten selbst gekommen waren, sondern es sich dabei um eine weitere koloniale Aneignung handelte: Es passt natürlich bestens zu diesem ganzen Thema. Der betrachtete Zeitraum – 15. bis 20. Jahrhundert – deckt sich ja mit den unter Neubewertungsdruck geratenen europäischen „Entdeckungsfahrten“.

Immer Thema: die Provenienz

Wie seit ein paar Jahren eigentlich immer in Hamburgs einstigem Völkerkundemuseum wird die Provenienz beleuchtet. Einerseits können gerade die ostasiatischen Karten auf heute als problematisch erachteten Wegen in die Bestände gelangt sein. So weisen die Verantwortlichen etwa hin auf eine nun ausgestellte Kartenrolle. Die dokumentiert chinesische Machtansprüche auf benachbarte Regionen, war aber wahrscheinlich selbst Raubgut, als während des „Boxerkriegs“ 1900/1901 der Kaiserpalast in Peking geplündert wurde.

Die meisten europäischen Karten aus Hamburgs Commerzbibliothek und dem Hanseatischen Wirtschaftsarchiv gelten als legal erworben. Anders liegt der Fall wiederum bei solchen Objekten, mit denen 1943 ff. die durch Bombentreffer und Löschwasser dezimierten Bestände wieder aufgestockt wurden – das geschah auch über die „Reichsaustauschstelle“.

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