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Aktionswoche #HierWirdGeimpftBitten und Betteln reicht nicht

Kommentar von Kathrin Becker

Heute startet mit #HierWirdGeimpft die Impfaktionswoche der Bundesregierung. Aber viel ausrichten wird ein gut gemeinter Hashtag nicht.

Impfmöglichkeiten gibt es: Zum Beispiel im Impfmobil von VW in Dresden Foto: Robert Michael/dpa

J etzt aber schnell: Mit einer Impfaktionswoche will die Bundesregierung noch vor dem Herbst der Corona-Impfquote „einen weiteren Schub“ verleihen. Sie richtete eine Website ein und ruft dazu auf, Impfaktionen, bei denen Ungeimpfte spontan ein Vakzin verabreicht bekommen, unter dem Hashtag #HierWirdGeimpft in den sozialen Netzwerken zu verbreiten.

Auch Angela Merkel persönlich meldet sich zu Wort: „Schützen Sie sich und andere und lassen Sie sich impfen“, sagt die Kanzlerin in ihrem Video-Podcast. Beinahe erwartet man ein flehendes „Bitte, bitte!“. Denn vor dem Hintergrund steigender Neuinfektionen und drohender Einschränkungen im Herbst wirkt der Aufruf etwas verzweifelt.

Dabei ist der Gedanke nicht schlecht: Wem die Fahrt zum Impfzentrum bislang zu aufwendig war, der nimmt vielleicht ein spontanes Angebot „to go“ in Anspruch. Wenn jetzt zunehmend niedrigschwellige Impfaktionen in der Fußgängerzone oder der Straßenbahn gestartet werden, ist das gut. Schließlich zählt jede Impfung. Ob sie allerdings das Mittel zur Beendigung der Pandemie darstellen, ist mindestens fraglich. Denn Impfen ohne Termin – das gibt es vielerorts schon lange.

Trotzdem geht die Impfquote nicht steil nach oben, sondern stagniert bei etwas über 60 Prozent. Um der Pandemie ein Ende zu setzen, müssten es aber 90 Prozent sein, meint Virologe Christian Drosten. Auch Lock-Angebote wie „Lange Nächte des Impfens“ mit Club-Atmosphäre oder Bratwürsten als Belohnung konnten die Impfbereitschaft nicht steigern.

Verunsicherung und Verweigerung sind Problem

Der Politik muss daher klar sein: Bitten und betteln wird nicht reichen. Nicht allein der Zugang zu Impfungen ist das Problem, sondern die Verunsicherung und zum Teil die Verweigerung. Um auch diejenigen zur Impfung zu bewegen, die bis jetzt noch nicht überzeugt werden konnten, bleibt der Politik daher nichts anderes übrig, als mehr Druck auszuüben.

Zum Beispiel durch flächendeckende 2G-Regelungen, die nur Geimpften und Genesenen Zutritt etwa zu Veranstaltungen oder Restaurants verschaffen, oder einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen.

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6 Kommentare

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  • P.S.: ich bin aus eigener Überzeugung, ohne Druck, nach Abwägung verschiedener Aspekte, geimpft.



    Solche Kommentare wie oben fordern geradezu heraus, dass Menschen sich nicht impfen.

  • Dieser Kommentar ist schier unerträglich. Menschen, die berechtigterweise vor unwiderlegbar möglichen Nebenwirkungen und langfristigen Impffolgen zurückschrecken durch Druck, Ächtung und Ausgrenzung zu eben diesem



    Eingriff ,bewegen zu wollen‘ ist ein autoritärer, antidemokratischer Euphemismus. Es gab und gibt gute Gründe gegen eine Impfung und gegen eine Impfpflicht, wie sie hier mit ,mehr Druck ausüben‘ meines Empfindens gemeint zu sein scheint. Diese Haltung gefährdet unser gesellschaftliches Zusammenleben und unsere Demokratie durch unpersönliche Ausgrenzungsmechanismen. Ein anderer Umgang außer Strafen und Ausgrenzen von Minderheiten mit gut begründet abweichenden Ansichten ist möglich und sollte Grundlage unseres Demokratieverständnisses sein!

  • Glaube, dass man auch mit 2G auf dem Holzweg ist. Zwar könnte es sein, dass sich mancher wegen der Einschränkungen noch impfen lässt. Wenn aber die Impfdurchbrüche durch die wesentlich infektiösere Delta-Variante zunehmen, wird man auch mit 2G nicht weiterkommen und wird auch dort zusätzlich Tests verlangen müssen.

    Ich hätte mir gewünscht, man hätte mehr auf lokale Einschränkungen gesetzt. Anfänglich mit NoCovid bis es ausreichend Impfungen gibt. Dann hätte ich die Einschränkungen nur in den Regionen fallen lassen, in denn mit 85% Impfquote die Herdenimmunität erreicht ist.

    So hätte jede Region ihr "Schicksal" selbst in der Hand. Die Bewohner jedes Landkreises hätten dann die Konsequenz ihres Handelns direkt vor Augen. Ob die Geschäfte geschlossen oder offen, ob die Gastronomie offen oder pleite ist - alles hätte einen viel greifbareren Zusammenhang.

    Schnell würden sich vermutlich einige Landkreise als Vorbild herauskristallisieren und andere Landkreise würden sich dann anschließen....

    Aber mit einheitlichen Maßnahmen auf Bundesebene hat kein Bürger das Gefühl, dass es auf ihn persönlich gerade ankommt...

  • "Um auch diejenigen zur Impfung zu bewegen, die bis jetzt noch nicht überzeugt werden konnten, bleibt der Politik daher nichts anderes übrig, als mehr Druck auszuüben."

    Ist "mehr Druck" wirklich die einzige Option? Hat man alle anderen Optionen ausgeschlossen? Um Handlungsoptionen zu kennen sollte man die Motivation der Ungeimpften verstehen. Und das tut die Politik derzeit nicht. Die Ungeimpften, die ich kenne, sind ausnahmslos alle weder "Impffaul" noch informieren Sie sich nicht. Im Gegenteil, es haben sich alle schon sehr früh oder aufgrund des aktuellen Drucks ausführlich über die Impfung informiert.

    Die Entscheidung sich nicht impfen zu lassen entsteht bei vielen aus Angst vor möglichen negativen (Spät-)folgen durch die Impfung. Spätfolgen können nicht ausgeschlossen werden, Langzeitdaten zu den Impfungen existieren derzeit einfach noch nicht (siehe z.B. "Berlin Direkt ZDF vom 12.09. oder RKI Webseite).

    Ein Teil der Ungeimpften ist impfwillig, wartet aber aus Misstrauen gegenüber den gängigen mRNA- und Vektorimpfstoffen auf einen Totimpfstoff (Prominentes Beispiel Sahra Wagenknecht, siehe Sendung mit Markus Lanz im Juli). Einige Totimpfstoffe gegen Corona, wie z.B. Coronavac, werden bereits in mehreren Ländern verimpft und haben Notfallzulassungen der WHO.

    Die Regierung hätte also die Möglichkeit mit einem neuen Impfstoff die Impfquote um ein paar Prozentpunkte nach oben zu schrauben. Macht Sie aber nicht. Sondern bestellt statt dessen noch einmal 84 Mill. Dosen Biontech , 31 Mill. Dosen Moderna und 18 Mill. Dosen J&J. Mit dieser Menge könnte jeder Ungeimpfte (inklusive Kleinkinder und Babys) viermal geimpft werden. Diese Impfdosen müssen jetzt unbedingt durch Aufbau von Druck bzw., um das Kind mal beim Namen zu nennen, die Einführung von finanziellen und sozialen Zwängen verimpft werden.

    Das ist meiner Meinung nach weder die beste, noch die einzige Lösung des Problems.

  • "Denn vor dem Hintergrund steigender Neuinfektionen und drohender Einschränkungen im Herbst wirkt der Aufruf etwas verzweifelt."

    Wir haben derzeit keine steigenden Neuinfektionen mehr. Bereits letzte Woche war die Zahl der Neuinfektionen im Vergleich zur Vorwoche nur noch unmerklich angestiegen. Heute wird der Reproduktionsfaktor vom RKI auf 0,92 geschätzt (95%- Prädiktionsintervall: 0,85 - 1,00). Im "Vorreiterland" NRW flacht das Infektionsgeschehen nun die zweite Woche in Folge wieder ab, auch die zeitlich nachlaufende ITS-Belastung ist bereits wieder rückläufig und es deutet wenig darauf hin, dass es in anderen Bundesländern anders sein wird.

    Was natürlich nichts daran ändert, dass ich nur jedem die Impfung empfehlen kann, je älter, desto wichtiger. Über das Winterhalbjahr wird es wieder mehr Infektionen geben, und es wird sich nahezu jeder Ungeimpfte infizieren. Das sagen die Experten nicht nur so daher... da besteht kaum ein Zweifel.

    Die Impfung ist nur ein Piks und mittlerweile erfolgreich an über einer Milliarde Menschen erprobt. Die Impfgegner müssen ihre Szenarien von Langzeitfolgen immer weiter in die Zukunft legen, dabei sind die Impfstoffe bereits wenige Wochen nach der Impfung wieder abgebaut und lediglich die durch die Immunreaktion vom eigenen Immundsystem gebildeten Antikörper, T-Zellen usw. verbleiben.

    Wenn ich auch wenig von alarmistischen Presseartikeln und der (mittlerweile ja immerhin teilweise wieder zurückgehenden) Verstetigung von Einschränkungen halte, halte ich aber viel von der Impfung und bin in gewisser Weise auch stolz darauf, dass Forschung und Unternehmen hierzulande merklichen Anteil an diesem Erfolg haben.

  • Der Vergleich mit Nachbarländern legt nahe, was funktioniert und was nicht. Frankreich ist schon ein Stück weiter mit der Impfpflicht für manche Berufsgruppen. Aber auch der Vergleich unter den Bundesländern lohnt sich. Sachsen und Bremen liegen gewaltige 20% auseinander!! Dafür muss es doch handfeste Gründe geben, die man abstellen kann.