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Geplanter Protest von Ende GeländeBrunsbüttel statt Braunkohle

Ein geplantes Terminal für Erdgas zieht die Ak­ti­vis­t*in­nen von Ende Gelände nach Norddeutschland. Zudem wollen sie mit einem Mythos aufräumen.

Protest gegen ein neues Flüssiggas-Terminal: Besetzung des Bauplatzes in Brunsbüttel 2020 Foto: Jannis Große/imago

Hamburg taz | Nach sechs Jahren regelmäßigen Protests im rheinischen Braunkohlerevier haben sich die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen von Ende Gelände ein neues Ziel gesucht: Liquefied Natural Gas (LNG). Ab Freitag wollen sie im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel den Bau eines geplanten Terminals blockieren, an dem zukünftig Erdgas in flüssiger Form angeliefert, regasifiziert und verladen werden soll. Gleichzeitig plant Ende Gelände, mit einer zweiten Massenaktion in Hamburg auf die globale Dimension der Klima­kri­se und das Fortbestehen kolonialer Ausbeutung in den Ländern des globalen Südens durch europäische Konzerne aufmerksam machen.

„Die Klimakrise und neokoloniale Ausbeutung gehen Hand in Hand“, sagt die Ende-Gelände-Sprecherin Elia Nejem. Das zeige sich am dem geplanten LNG-Terminal besonders, weil ein großer Teil des dort zukünftig angelieferten Erdgases aus Regionen kommen soll, in denen es durch unkonventionelles Fracking gewonnen wird, wie etwa den USA oder Argentinien. Beim in Deutschland verbotenen unkonventionellen Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein gepresst, sodass Risse entstehen und Öl und Gas gehoben werden können.

In Deutschland erlaubt ist derzeit nur konventionelles Fracking, bei dem im tiefer liegenden Sandstein gebohrt wird, also weiter weg von der Oberfläche und den Grundwasserreservoirs. Die 2017 erlassene Frackingregelung endet jedoch in diesem Jahr, der Bundestag muss das Verbot dann neu prüfen. Für die Ak­ti­vis­t*in­nen ist das ein Anlass, das Thema vor der Bundestagswahl auf die Agenda zu setzen. Auch beim konventionellen, in Deutschland erlaubten Fracking ist der Wasserverbrauch enorm, betroffene Regionen leiden zudem oft unter Erdbeben und erhöhten Krebserkrankungsraten.

Die Planungen für das erste deutsche LNG-Terminal laufen seit Jahren. Im Gespräch waren mehrere Standorte, darunter neben Brunsbüttel auch Wilhelmshaven und Stade. In Wilhelmshaven liegt das Projekt mittlerweile auf Eis.

Das Problem mit dem Methan

Die Landesregierungen in Hannover (SPD und CDU) und Kiel (CDU, Grüne, FDP) haben die Projekte jeweils in ihrem Koalitionsvertrag verankert. In Schleswig-Holstein sprach sich ein Parteitag der Grünen jedoch dagegen aus. Be­für­wor­te­r*in­nen versprechen sich von der „Brückentechnologie“ einen geringeren Ausstoß von Kohlenstoffdioxid sowie weniger Schwefel, Feinstaub und Stickoxide als bei konventionellen Treibstoffen. Später könne das Terminal für Wasserstoff genutzt werden, so die Kalkulation.

„LNG ist die größte Klimalüge unserer Zeit“, sagt der argentinische Aktivist Esteban Servat, der sich bei Ende Gelände engagiert. Die durch Erdgas verursachten Emissionen seien ähnlich hoch wie die von Kohle, zudem zerstöre der deutsche Öl- und Gaskonzern Wintershall in seiner Heimatregion Mendoza im Westen Argentiniens durch Fracking die Natur und sei verantwortlich für Vertreibungen, Krankheiten und Menschenrechtsverletzungen.

„Durch den Bau von LNG-Importterminals wie in Brunsbüttel unterstützt die Bundesregierung diese Ausbeutung und fördert im Ausland das, was zu Hause verboten ist.“ Die Heuchelei und der Klimakolonialismus müssten beendet werden, sagt er. Die Ak­ti­vis­t*in­nen weisen auch darauf hin, dass das bei der Förderung, dem Transport und Verbrauch von Erdgas freigesetzte Methan ein schädlicheres Treibhausgas ist als CO2.

Ende Gelände wollen auch an sich selbst arbeiten

Über einen Zeitraum von 100 Jahren heizt ein Molekül Methan die Erde 28-mal so stark auf wie ein Molekül CO2. Laut der australischen Forschungsbehörde Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation ist Methan für 23 Prozent der globalen Erhitzung durch Treibhausgase verantwortlich, die Emissionen liegen aktuell auf einem Rekordhoch. Der Hauptgrund dafür ist neben der Viehzucht der Verbrauch fossiler Energieträger, allen voran die Förderung und der Transport von Erdgas.

Das Terminal, das in Brunsbüttel entstehen soll, lässt sich nur erahnen. Bislang steht hier der „Chemcoastpark“, das größte zusammenhängenden Industriegebiet Schleswig-Holsteins. Die meisten Formen hier haben einen hohen Gasverbrauch. Die Wiese neben dem Industriegebiet ist aber noch grün. „Wir haben uns entschieden, eine Katastrophe aufzuhalten, bevor sie gebaut wird und Milliarden Steuergelder reinfließen“, sagt die Ende-Gelände-Sprecherin Joli Schröter. Das Camp der Ak­ti­vis­t*in­nen steht bereits, auch zwei Demonstrationen haben sie angemeldet.

Am Freitag sollen die Aktionen im Kontext eines internationalen Aktionstags gegen Gas stehen, an dem sich auch Fridays for Future beteiligt. Für die deutsche Klimabe­wegung steht das neue Ziel in diesem Jahr auch für einen Veränderungsprozess: Die Bewegung will internationaler und diverser werden, sie möchte weg vom Image einer von weißen Aka­de­mi­ke­r*in­nen­kin­dern dominierten, homogenen Gruppe.

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11 Kommentare

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  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich teile zwar die Feststellungen zur Klimaschädlichkeit von LNG, zumal amerikanische Förderunternehmen die Bohrlöcher einfach offen zurücklassen, aus denen dann gewaltige Mengen Gas für Monate oder Jahre nachströmt.

    Aber die Aufgabe 3.000 TWh Primärenergiebedarf auf schätzungsweise 1.500 bis 2.000 TWh Elektrizität - aktuell sind sind es etwa über 500 TWh Gesamtstromverbauch - zu transformieren, ist riesig.

    Vor allem sehe ich als Problem, dass die Franzosen einen Kraftwerkspark mit Kernreaktoren betreiben, der im Wesentlichen 40 Jahre alt ist, viele sind älter. Selbst wenn Frankreich wollte, können sie die Erneuerbaren nicht schnell genug ausbauen.

    Wir stehen dann vor der Wahl in Europa, bei nicht beliebig steigerbaren Ausbauraten regenerativer Quellen (von Speichertechnologien sei da noch gar nicht geprochen), ob wir alte AKWs, Kohlemeiler oder Gaskraftwerke weiterlaufen lassen - oder Industrie- und Hausheizungen einfach abschalten.

    In der Reihenfolge ist Gas das geringste Übel - und es wäre besser, wenn's das russische Gas mit dem geringeren Anteil grauer Energie.

    Aber unbedingt begleitet von den maximalen Anstregungen eine CO2-neutrales Europa zu erreichen.

  • Okay wir wollen keine Braunkohle, jetzt auch kein Erdgas, Atomkraft sowieso nicht und Windkraftanlagen die eine ordentliche Größe haben, verschandeln die Landschaft, töten Vögel, sind nur von „ bösen“ Investoren.

    Aber dafür sollen wir jetzt Autos und Busse gegen saubere Elektroautos austauschen.

    Ich will die Party ja nicht verderben, aber trotz allem mag ich einwenden, dass man die Gesetze der Physik und der Mathematik nicht per Volksentscheid und auch nicht per Demonstration so schnell ändern kann

  • Meine Frage bleibt trotzdem: Warum haben diejenigen, die JETZT alles ganz genau wissen, nicht damals, als die Weichen zu den heute kritisierten Projekten gestellt wurden, Alarm geschlagen? Oder waren sie damals auch nicht klüger als der Rest der Welt?

  • @PFANNI, @KAHLSCHLAGBAUER

    Wir haben eine Menge gelernt, seitdem. Unter anderem, dass die Methanlecks von Erdgasanlagen (von der Gewinnung/Fracking über Transport bis zum Verbrauch) kurzfristig drohen, den Gewächshauseffekt von CO2 in den Schatten zu stellen (Methan baut sich langsam ab, in der Atmosphäre, durch Oxidation -- ist aber 25 mal so effektiv als Klimagas im Vergleich zu CO2).

    Dass (wie z.B. in Texas) die Frackingfuzzis ihre Bohrlöcher unversorgt zurücklassen, weil sie bei einem Absturz des Ölpreises pleite machen und keine Mittel zur Nachversorgung haben hilft auch nicht gerade.

    Bei diesem Wissen scheint es Wahnsinn, Langzeitinvestitionen in Erdgastechnologien zu tätigen.

    Und oh, an die, die über Wasserstoff raunen: habt Ihr nachgeschaut, ob die Röhren, die gerade verlegt werden, H2 überhaupt vertragen? Nicht jede Stahlsorte kann das [1].

    [1] en.wikipedia.org/w...ogen_embrittlement

  • „Die Planungen für das erste deutsche LNG-Terminal laufen seit Jahren“



    Ich entsinne mich an Zeiten vor 10 – 20 Jahren, als es allgemeine Überzeugung war, dass Kohle und Erdöl durch das weniger schädliche Erdgas ersetzt werden müssten. Wenigstens in einem Übergangszeitraum. Damals war nicht zu hören, dass „Die durch Erdgas verursachten Emissionen ähnlich hoch (seien) wie die von Kohle“



    Wieso sind die Aktivist*innen nicht tätig geworden, als z. B. Nord Stream und Nord Stream 2 begonnen wurden? Oder wenigstens, als die Planungen für das genannte LNG-Terminal begannen? Inzwischen ist der „Erdgas“-Zug abgefahren. Jetzt alles ganz genau zu wissen, kommt zu spät!

  • Hinter der "Brückentechnologie" steht die Überzeugung dass heute gebaute Erdgas-Infrastruktur (Kraftwerke, Pipelines, ...) später mit grünem Wasserstoff betrieben wird, d.h. durch Power-to-Gas eine Versorgung aus volatiler Windkraft und Photovoltaik ohne fossile und Atomkraft. Da fehlt mir der Glaube, denn weder die großtechnische Hydrolyse noch die Speicherung sind für so große Mengen an Wasserstoff absehbar; da sind nur Hoffnungen dass die technische Entwicklung diesen Fortschritt macht, aber momentan bewegt sich sehr wenig. Ich befürchte wir zementieren hier eine fossile Zukunft.

  • Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (CH4). Das verbrennt wesentlich sauberer als Kohle und setzt weniger CO2 pro Einheit Energie frei. Im Ganzen ist jedoch der Kohlenstoffabdruck genauso hoch wie bei Kohle. Das liegt daran, dass beim Bohren, Transportieren und Aufbewahren des Gases große Mengen Methan entweichen. Für die Verflüssigung des Gases braucht es dann ein volles Drittel der im Gas enthaltenen Energie - oder viel billigen Strom. Erdgas, besonders gefracktes und verflüssigtes, ist eine sehr schlechte Idee.

    • @Kahlschlagbauer:

      Der CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde ist etwas geringer als bei Öl und Kohle. Das liegt an dem höheren Anteil der Energie, die bei der Verbrennung des prozentual höheren Anteils von H (Wasserstoff) entsteht.

      Wir werden leider und egoistisch gesagt auch glücklicherweise morgen und überhaupt noch nicht bald auf Verbrennen von organischem Material verzichten. Also ist Gas der derzeit beste Brennstoff.

      Also sollten wir neben der Reduzierung (!) von Verbrennung nicht von einem Verletzter des Völker- und Menschenrechts nicht erpressbar machen lassen. Der hat ja mit unmenschlichen Taten oder mit faktischen Annexionen in Georgien, Moldawien, der Krim und des Donbass gezeigt, dass er seine Interessen und Vorstellungen eines totalitären Allmachtsstaates rücksichtslos durchsetzt.

      Dann sollen solche Aktivisten mal sagen, wie wir die trotz Reduzierung des Verbrauchs nötige ENergie der nächsten aber möglichst wenigen Jahre herkriegen sollen! Wenn die eine auch nur etwas überzeugende Antwort haben, dann werde auch ich mich der Kritik an Gaslieferungen anschließen.

      Aber erst mal Protestieren scheint denen besser zu gefallen!

  • ja es muss endlich aufhören mit dem gepfusche von diesen verschlafenen lächerlichen kompetenten cdu spd fdp energieschwachsinn

    • @prius:

      "...cdu spd fdp..."



      Ja, es wird dringend Zeit, dass auch andere mal kompetent pfuschen dürfen.

  • Danke, Ihr mutigen Menschen!